Schlechte Stimmung auf der "Gorch Fock":Soldaten wollen den Dienst quittieren

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Eine tote Kameradin, ein suspendierter Kapitän, eine Untersuchungskommission an Bord - manchen Besatzungsmitgliedern ist das offenbar zu viel. Andere sind "stinksauer" auf Verteidigungsminister Guttenberg.

Die Stimmung auf dem Segelschulschiff Gorch Fock ist schlecht. So schlecht, dass mehrere Besatzungsmitglieder angekündigt haben, nach ihrer Rückkehr nach Deutschland den Dienst an Bord zu quittieren, wie der ARD Hörfunk berichtet.

Die Gorch Fock in Valparaiso, Chile. Die Stimmung an Bord ist offenbar sehr schlecht. (Foto: dpa)

Zwar hat der Chef der Untersuchungskommission zum Tode der Offiziersanwärterin Sarah Lena S., Konteradmiral Dieter Kolletschke, der Besatzung angeblich empfohlen, sich nicht zu äußern.

Trotzdem sprachen einige wenige Soldaten während eines Landgangs in Valparaiso, Chile, mit einem ARD-Korrespondenten.

Ursache für den Unmut sind die Vorwürfe, dass an Bord Kadetten drangsaliert und sexuell genötigt würden, die Ermittlungen der Untersuchungskommission der Marine an Bord des Dreimasters und die Suspendierung des Kapitäns Norbert Schatz durch den Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg.

Insbesondere die Stammbesatzung ist "stinksauer" über die Abberufung ihres Kapitäns. "Es ist eine absolute Unverschämtheit. Es stehen keine klaren Vorwürfe im Raum", kommentierte ein Soldat dessen Entscheidung. Sollte der Minister die Gorch Fock wie angekündigt besuchen, würde er ihn gern fragen, was er zu dem Wort Vorverurteilung sage, erklärte ein Stabsgefreiter der ARD. "Vorverurteilung ist für mich ein Wort, das mittlerweile höchste Bedeutung in meinem Leben hat."

Darüber hinaus beklagen sich manche, dass die Gorch Fock, die der Verteidigungsminister nach Deutschland zurückbeordert hat, keinen Rückhalt mehr in der Bevölkerung habe.

Trotz der schlechten Stimmung wollen andere aber weiter auf der Gorch Fock fahren und hoffen, dass das Schiff noch eine Zukunft hat. Allerdings müsse man sich über eines klar sein, sagte eine Offizierin. Das Segelschulschiff sei nicht das Traumschiff Aida.

Um die Umstände des Todes von Sarah Lena S. zu klären, war eine Untersuchungskommission der Marine den Vorwürfen an Bord etwa zwei Wochen lang nachgegangen und hatte mit der Besatzung gesprochen. Die Offiziersanwärterin war im Hafen der brasilianischen Metropole Salvador da Bahia aus bislang noch ungeklärter Ursache aus einer Höhe von 27 Metern aus der Takelage des Segelschiffes auf Deck gestürzt.

"Wir wurden wirklich alle gefragt, alle 200 Mann an Deck", sagte ein junger Gefreiter. Ein Untersuchungsbericht soll in einigen Tagen veröffentlicht werden.

Verteidigungsminister Guttenberg hat unterdessen mit der Mutter der tödlich verunglückten Kadettin gesprochen.

Beim Besuch der Marineschule Mürwik in Flensburg ging Guttenberg allerdings nicht näher auf die Frage ein, ob er die am Freitag bekanntgewordene Forderung der Mutter nach einer Entschuldigung erfüllen werde. Diese hatte sich darüber beklagt, dass die Marineführung über ein angebliches Übergewicht ihrer Tochter spekuliert hatte.

"Ich habe mit der Mutter bereits letzte Woche gesprochen. Gespräche, die man zu zweit führt, haben in der Öffentlichkeit nichts zu suchen", sagte Guttenberg.

© sueddeutsche.de/dapd/dpa/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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