Maut-Affäre:Die eigenen Beamten kritisierten Scheuer

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In der Maut-Affäre verteidigte sich Minister Andreas Scheuer nicht nur vehement und gestenreich im Bundestag, sondern attackierte auch den Rechnungshof mit einem umstrittenen Schreiben.

(Foto: Lisa Ducret/dpa)
  • Der Streit um das Vorgehen von Verkehrsminister Andreas Scheuer in der Maut-Affäre schwelt weiter.
  • Neue Dokumente zeigen, dass Scheuer auch Druck aus dem eigenen Haus bekam.
  • Das Verkehrsministerium will sich nicht zu den Vorgängen äußern.

Von Markus Balser, Berlin

Im Streit um die Maut-Affäre wurde es zuletzt auch im eigenen Ministerium einsam um Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, WDR und NDR bekam Scheuer nicht nur Druck von außen, sondern auch Widerspruch aus dem eigenen Haus.

In der politisch brisanten Auseinandersetzung mit dem Bundesrechnungshof weigerte sich das zuständige Referat, ein Protestschreiben des Ministeriums an die Prüfer zu unterzeichnen. Ausgerechnet im für das Controlling zuständigen Bereich des Ministeriums fühlten sich Mitarbeiter übergangen - und warfen Scheuer vor, Behörde und Öffentlichkeit in die Irre zu führen.

Vertrauliche Dokumente und interne E-Mails belegen den Widerstand gegen Scheuer

Der Streit zwischen der Kontrollbehörde und dem Ministerium spitzte sich Ende Oktober 2019 zu. In einem damals als geheim eingestuften Bericht warf der Rechnungshof Scheuer schwere Rechtsverstöße vor. So soll sein Ministerium bei den Maut-Vorbereitungen Vergaberecht verletzt und gegen Haushaltsrecht verstoßen haben. Das Ministerium ließ eine scharfe Reaktion erarbeiten, die dem Rechnungshof schlechte Arbeit und "fehlerhafte Schlussfolgerungen" unterstellte und alle Vorwürfe brüsk zurückwies.

Doch vertrauliche Dokumente zeigen, wie umstritten die aggressive Gegenwehr intern war. Ausgerechnet jenes Referat, das im Ministerium als Kontaktstelle zum Rechnungshof fungiert, leistete Widerstand und warnte vor Fehlern. Denn das Ministerium behauptete in dem Papier vom 31. Oktober: Der Rechnungshof prüfe die Maut ja schon seit 2014, habe die Prüfung aber Anfang 2019 ohne Bericht beendet. Die Botschaft: Die Behörde habe selbst über Jahre nichts Kritisches gefunden und die "Ermittlungen" quasi eingestellt.

Dabei wussten es Mitarbeiter im Ministerium eigentlich besser. So geht es jedenfalls aus den vertraulichen Dokumenten und internen E-Mails hervor, deren Inhalt der SZ vorliegt. Eine Mitarbeiterin lehnte es gar ab, die geharnischte Antwort an den Rechnungshof zu unterzeichnen. Dann "würde ich mir den Inhalt zu eigen machen", heißt es in einer E-Mail vom 31. Oktober an einen Vorgesetzten. "Das kann ich nicht." Es gebe da aus ihrer Sicht auch einen sachlichen Fehler. Der Rechnungshof habe die alte Prüfung ja nicht etwa im Sinne "es ist alles gut" abgeschlossen. "Er führte die Prüfung nur unter einem neuen Aktenzeichen weiter."

Die Dokumente zeigen, dass Scheuer auch persönlich mit der Kritik konfrontiert wurde, aber offenbar nicht reagierte. Alle Zweifel, dass die Aussage zur Beendigung der Prüfung nicht stimmen könne, habe der Minister bei einem Treffen gar nicht an sich herangelassen, heißt es am 1. November in einer weiteren erbosten E-Mail einer anderen Mitarbeiterin. Ihm sei es lediglich darum gegangen, dem Rechnungshof "pressewirksam" etwas entgegenzusetzen. "Es ist nicht schön, wenn wir als Fachebene für die allgemein politischen Auseinandersetzungen benutzt werden und Aussagen tätigen sollen, die definitiv nicht stimmen", schreibt die Mitarbeiterin in einer weiteren Notiz.

In der Opposition löst das Vorgehen Empörung aus

Die umstrittene Passage ist nach wie vor die offizielle Linie des Ministers. Auf seiner Webseite beruft sich das Ministerium wortgleich weiter auf den Passus - entgegen den Zweifeln im eigenen Haus. Unter Mitarbeitern machte sich Resignation über das Verhalten der Hausspitze breit. "Was wir zu sagen haben, will dort eigentlich keiner hören", schrieb eine Mitarbeiterin über ein Treffen. In einer Ministeriumsakte wird der interne Protest unter einem seltenen Stichwort geführt: "Remonstration". Der Begriff bezeichnet den Widerstand gegen die Weisung eines Vorgesetzten.

Auf Verwunderung stieß im Ministerium auch, dass in das Erarbeiten der Reaktion zwar hochbezahlte Berater der Rechtsanwaltskanzlei Greenberg Traurig sowie des Beratungsunternehmens Pricewaterhouse Coopers involviert waren. Die zuständigen Mitarbeiter im Rechnungshof-Referat des Ministeriums sahen das Schreiben jedoch erst kurz bevor es abgeschickt werden sollte. Man sei "in dem ganzen Prozess der Entwicklung der Stellungnahme und des Anschreibens nicht beteiligt", ärgert sich die zuständige Mitarbeiterin. Das Referat "wird dieses Schreiben nicht zeichnen", heißt es weiter.

Nach einigem Widerstand fand sich noch jemand, der den Brief an jenem Morgen unterschrieb. Der Abteilungsleiter selbst legte Hand an - trotz der Zweifel im eigenen Ressort. In einer E-Mail gab er zu Protokoll: "Ich zeichne mit." Und: "Ich halte den eingeschlagenen Weg, sachlich und sachbezogen, aber auch streitbar auf den Bundesrechnungshof einzugehen, für richtig." Damit konnte Scheuer seine Antwort verschicken. Als der Abteilungsleiter kürzlich im Untersuchungsausschuss des Bundestags zur Pkw-Maut befragt wurde, warum er das Schreiben gegen den Rat aus seiner Abteilung unterzeichnet hatte, gab er an, als Abteilungsleiter müsse man eben auch "Risikobereitschaft zeigen", wie die Welt berichtete. Einräumen musste er aber auch, sich selbst damals kaum mit der Maut beschäftigt zu haben. Er sei erst im Juli 2019 auf den Posten gekommen - und habe davor zehn Jahre die Abteilung Wasserstraßen und Schifffahrt geleitet.

In der Opposition löst das Vorgehen Empörung aus. Der Linken-Politiker Jörg Cezanne ärgert sich über "mehr als nur schlechten Stil. Minister Scheuer hat den Bundesrechnungshof wider besseres Wissen diskreditiert". Der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Oliver Luksic, sagt ebenfalls auf Anfrage: "Es scheint, als hätte das Ignorieren von Warnungen im BMVI bei der Pkw-Maut System." Dass der Abteilungsleiter im Ministerium gegen die ausdrückliche Empfehlung seiner Mitarbeiter den von der Führung geforderten Brief dennoch unterschrieben habe, sei "haarsträubend". Das Verkehrsministerium wollte sich nicht zu den Vorgängen äußern. "Aus Respekt vor der Arbeit des Untersuchungsausschusses" könne man "zu Einzelheiten der Untersuchungsgegenstände keine Stellung nehmen", erklärte ein Sprecher.

Schon diese Woche könnte die Sache ein Nachspiel haben. Am Donnerstag setzt der Untersuchungsausschuss die Aufklärung fort. Dann soll auch Ex-Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) als Zeuge aussagen.

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