Untersuchungsausschuss zur Maut-Affäre:Schwere Vorwürfe gegen Scheuer

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) 2020 in Berlin

Die Linke fordert bereits, Kanzlerin Merkel müsse den "Chaosminister Scheuer" seines Amtes entheben.

(Foto: AFP)

Im Maut-Untersuchungsausschuss werfen Manager der Betreiberfirmen dem Minister vor, er habe versucht, sie zu Falschaussagen zu drängen. Scheuer bestreitet die Vorwürfe - nun steht Aussage gegen Aussage.

Von Markus Balser, Berlin

Der 1. Oktober 2020 sollte für Verkehrsminister Andreas Scheuer eigentlich ein Tag des Triumphs werden. Von Donnerstag an sollte kein Auto mehr über deutsche Autobahnen rollen, ohne dafür eine Abgabe zu zahlen. Die Pkw-Maut, das Prestigeprojekt Scheuers und seiner CSU schlechthin, sollte scharf geschaltet werden. Zwar hat der EuGH das Milliardenprojekt im Juni 2019 gekippt. Ein entscheidender Tag für Scheuer wurde es trotzdem. Im Untersuchungsausschuss des Bundestags erhoben die Mautfirmen am Donnerstag schwere Vorwürfe gegen den Minister. Er soll von den Betreibern nach dem Scheitern der Maut falsche Angaben gefordert haben. Den Aussagen der Manager zufolge hat Scheuer auch selbst die Öffentlichkeit hinters Licht geführt und vor dem Parlament falsche Angaben gemacht.

Die Aufarbeitung des Mautdebakels entwickelt sich damit endgültig zum Politkrimi. Im Zentrum steht ein brisanter Vorschlag: Der Chef des Mautbetreibers CTS Eventim, Klaus-Peter Schulenberg, machte Scheuer nach eigenen Angaben Ende 2018 bei einem Treffen das Angebot, mit der milliardenschweren Vertragsunterzeichnung der Mautverträge bis nach dem EuGH-Urteil zu warten. So lange also, bis klar sein würde, dass die Maut auch wirklich eingeführt werden kann. So erklärte es Schulenberg bei seiner Zeugenvernehmung am Donnerstag. Und so bestätigte es wenig später im Bundestag auch Georg Kapsch, der Chef des österreichischen Maut-Spezialisten gleichen Namens, der die Maut mit CTS umsetzen sollte.

Mit den Aussagen wird die Maut-Affäre gefährlich für Scheuers politische Karriere. Denn der Minister hätte damit hohe finanzielle Risiken für Steuerzahler ziemlich problemlos verhindern können. Die inzwischen erfolgte Schadenersatzklage der Betreiber über 560 Millionen Euro wegen der späteren Kündigung der Verträge wäre dann nicht möglich gewesen. Doch Scheuer soll den Managern zufolge brüsk abgelehnt und stattdessen eine rasche Mauteinführung gefordert haben. Zur Begründung soll er erklärt haben, keine Maut-Einführung erst im Wahljahr 2021 zu wollen. Die Verträge wurden tatsächlich noch Ende 2018 abgeschlossen. Besonders pikant: Im Bundestag behauptete Scheuer später auf mehrfache Nachfragen von Parlamentariern, diesen Vorschlag der Betreiber habe es nie gegeben.

Showdown am späten Abend im Bundestag

Noch am späten Donnerstagabend kam es zu einem regelrechten Showdown im Bundestag. Die Abgeordneten zitierten gegen 23.30 Uhr schließlich auch Scheuer selbst in den Zeugenstand. Der lobte zunächst minutenlang den eigenen langen Kampf für die Maut. 2011 Tage habe der Kampf gedauert - vom Koalitionsvertrag, in dem die Maut 2013 festgehalten wurde, bis zum Scheitern der Maut im vergangenen Jahr. Dann wies Scheuer die Vorwürfe zurück. Nach seiner Erinnerung habe es diesen Vorschlag nicht gegeben.

Damit steht in der entscheidenden Frage nun Aussage gegen Aussage. Die Opposition kündigte am Donnerstag umgehend an, nun eine Gegenüberstellung von Maut-Managern, Ministern und Spitzenbeamten zu planen, um Klarheit zu bekommen, wer die Unwahrheit sage.

Die Vorwürfe der Unternehmen hatten es auch in anderen Punkten in sich. Laut CTS-Chef Schulenberg wollte Scheuer nach der Niederlage vor dem Europäischen Gerichtshof im Juni 2019 die Mautbetreiber auch noch dazu bringen, der Öffentlichkeit die Unwahrheit zu sagen. Er soll von den Managern die Erklärung gefordert haben, sie seien für einen schnellen Vertragsabschluss 2018 gewesen. Die Betreiber lehnten nach eigenem Bekunden ab.

Angeblich schlechte Arbeit der Mautfirmen

In Erklärungsnot gerät der Minister auch wegen der umstrittenen Kündigung der Mautverträge. Das Verkehrsministerium ließ sie direkt nach der Niederlage vor dem EuGH platzen. Allerdings nicht nur wegen des Richterspruchs. Sondern auch, weil die Mautfirmen angeblich schlechte Arbeit geleistet hätten. Die Firmen warfen Scheuer am Donnerstag ein "klares Foulspiel" vor. "Die Schuld am Ende des Projekts trägt allein Scheuer", erklärte der Mautbetreiber Autoticket, das Konsortium, das die Maut für CTS und die österreichische Firma Kapsch einführen sollte. Anders als vom Ministerium behauptet, hätten die Firmen das Projekt in der vereinbarten Zeit abgeliefert, sagte Autoticket-Chef Volker Schneble. Bis zur Kündigung hätten die Projektampeln "auf Grün" gestanden. "Das Projekt war voll im Plan."

Scheuer soll zudem die mögliche Vergabe des Auftrags an ein österreichisches Unternehmen als Druckmittel eingesetzt haben, um die Regierung in Wien von der Klage gegen die Maut abzubringen. Laut Schneble ließ er erkennen, dass er sich eine Intervention bei der Wiener Regierung durch die Manager wünscht. Der Chef des Autoticket-Eigentümers Kapsch, Georg Kapsch, bestätigte, dass er deshalb Kontakt mit Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz aufgenommen hatte.

Die Opposition hielt den Minister am Abend nicht mehr für haltbar. Scheuer habe das Parlament belogen, kritisierte FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksic. Jörg Cezanne (Linke) forderte, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) müsse den "Chaosminister Scheuer" seines Amtes entheben.

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