Dass es kein rascher Rauswurf wurde, ist für Andreas Scheuer wohl noch die beste Nachricht dieses Abends. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ließ sich für das ZDF am Sonntag in seiner Heimatstadt Nürnberg interviewen - und machte schonungslos klar, was er von der unglücklichen Figur seines Ministers hält: "Das ist sehr, sehr ärgerlich und das muss auch aufgearbeitet werden", sagte Söder zu Scheuers Fehler bei der Bußgeld-Novelle.
Keinerlei Rückendeckung bekam Scheuer auch beim Debakel um die Pkw-Maut. Der Untersuchungsausschuss müsse klären, ob die Vorwürfe des Rechtsbruchs stimmten, sagte Söder. Und um die Höchststrafe komplett zu machen, kassierte Söder auch noch Scheuers Ablehnung eines Tempolimits auf Autobahnen. Er sei kein ideologischer Gegner, sagte Söder.
Scheuer, der unbeliebteste Minister des Kabinetts, ist Söder schon länger ein Dorn im Auge. Doch die beiden Politiker schienen zuletzt einen Burgfrieden geschlossen zu haben. Schon Anfang des Jahres hatte Söder dem Verkehrsminister ein Ultimatum gestellt. Doch dann kam die Corona-Krise - und Scheuer schien gerettet zu sein. Seit Sonntag aber ist die Schonzeit offenbar vorbei. Für Insider ist klar: Der CSU-Chef werde wohl nicht zögern, Scheuer fallen zu lassen, wenn sich die Vorwürfe rund um die Pkw-Maut bewahrheiten.
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Am vergangenen Wochenende protestierten Tausende Biker in München gegen zeitlich beschränkte Fahrverbote an Sonn- und Feiertagen. Nun kommt Unterstützung aus der Staatskanzlei.
Und die Gewissheit darüber rückt näher. Denn der Untersuchungsausschuss zum Mautdebakel strebt an, die Aufklärung nach der Sommerpause zu forcieren. Laut Kreisen des Ausschusses sollen dann in kurzer Zeit acht Sitzungen stattfinden, die frühere EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc und der EU-Generalsekretär Martin Selmayr sollen nach Berlin zur Aussage reisen, und auch Wirtschaftsprüfer sollen vernommen werden.
Schon bei den Terminen am 17. September und am 1. Oktober dürfte es zu einem regelrechten Showdown im Bundestag kommen. Bekannt ist, dass Scheuer sowie die Chefs der Maut-Betreiber CTS Eventim, Klaus-Peter Schulenberg, und des Mautkontrolleurs Kapsch, Georg Kapsch, welche die Maut umsetzen sollten, an diesem Tag vernommen werden sollen.
Unklar war, ob der verärgerte österreichische Unternehmer zur Aussage bereit ist - er müsste der Bitte des deutschen Parlaments nicht folgen. Doch gegenüber der Süddeutschen Zeitung kündigt Kapsch nun seinen Auftritt in Berlin und auch Aufklärung an. Der Vorstandschef habe "die Absicht", einer Zeugenladung des Untersuchungsausschusses zur Infrastrukturabgabe, "im Sinne der Transparenz, freiwillig Folge zu leisten", erklärte das Unternehmen. Ob Schulenberg kommt, ist offen.
In schneller Folge plant der Maut-Untersuchungsausschuss acht Treffen mit wichtigen Zeugen
Die Parlamentarier interessieren sich vor allem für den Inhalt von Geheimtreffen zwischen Minister und Managern im Jahr 2018 vor der Unterzeichnung der Verträge. Wurden relevante Inhalte für den Abschluss der Verträge besprochen, hätte Scheuer gelogen und wäre wohl kaum noch zu halten. Sollte sich auch noch bewahrheiten, dass die Betreiber Scheuer angeboten haben, mit der Unterzeichnung der Maut-Verträge bis nach einem EuGH-Urteil zu warten, hätte Scheuer ein weiteres Problem.
Der Europäische Gerichtshof hatte Scheuers Prestigeprojekt im Juni 2019 gekippt. Scheuer geriet in die Kritik, weil er die milliardenschweren Betreiberverträge Ende 2018 abschloss, bevor Rechtssicherheit bestand. Möglicherweise, um die Maut vor der nächsten Bundestagswahl umzusetzen. Die Betreiber klagen deshalb auf 560 Millionen Euro an Schadenersatz.
Kommunizierte Scheuer über private E-Mails zur Maut?
Einen schwierigen Auftritt wird am 17. September auch Telekom-Chef Timotheus Höttges haben. Die Parlamentarier stießen auf brisante vertrauliche Schreiben zwischen Konzern und Ministerium. "Wir müssen uns vorbehalten, Schadenersatz zu verlangen", heißt es am Ende eines Brandbriefs vom Februar 2019 an Scheuers Haus.
Das Verkehrsministerium hatte dem letzten verbliebenen Bieter erlaubt, die Lkw-Maut-Terminals mitzubenutzen - eine entscheidende Kostenersparnis, die man der Telekom nicht gewährt hatte, und wohl auch ein Verstoß gegen Vergaberecht. Scheuer hat stets bestritten, mit der Vergabe gegen geltendes Recht verstoßen zu haben. Die Abgeordneten wollen nun herausfinden, warum die Telekom von der Klage bisher absah. "Ob die Beteiligung des Bundes bei der Telekom oder die Vergabe der Mobilfunkfrequenzen eine Rolle gespielt hat, ist unklar", sagt FDP-Verkehrspolitiker Oliver Luksic.
Die Opposition im Bundestag bezweifelt derweil, dass Scheuer alle gewünschten Dokumente zur Aufklärung zur Verfügung gestellt hat. Es gebe Hinweise, dass Scheuer über private E-Mails zur Maut kommuniziert habe. Die fehlten jedoch in den Unterlagen, obwohl Scheuer volle Transparenz versprochen habe, klagt der FDP-Obmann im Untersuchungsausschuss, Christian Jung.