Süddeutsche Zeitung

Verkehrspolitik:Scheuer ist der Minister des Stillstands

Kein Konzept für eine klimafreundliche Mobilität, keine Transparenz beim Maut-Debakel: Der Verkehrsminister flüchtet sich in einen juristischen Streit mit Österreich.

Kommentar von Markus Balser, Berlin

Dass Bewegung nicht immer Fortschritt bedeutet, machte das Ende des Autogipfels am Montag in Berlin klar. Die Kolonne schwarzer Dienstlimousinen von Ministern und Autobossen rollte gegen Mitternacht vom Hof des Kanzleramts, ohne vor den Kameras stehen zu bleiben. Auch Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) fuhr durch. Es gab schließlich keine nennenswerten Ergebnisse zu kommentieren. Die hochkarätige Runde hatte fast alle wichtigen Beschlüsse für die Zukunft der deutschen Schlüsselbranche und damit eines der derzeit wichtigsten Politikfelder vertagt. Das Ende des siebten Gipfels dieser Art dokumentiert den gefährlichen Stillstand beim Aufbruch in die Mobilität der Zukunft.

Um die Klimaziele zu erreichen, müssten bis 2030 sieben bis zehn Millionen Elektroautos auf deutschen Straßen rollen. Bislang sind es nur wenige Hunderttausend. Zwar beschloss die Runde, das Ladenetz auszubauen. Konkrete finanzielle Zusagen für die Förderung beim Aufbau dieser Größenordnung bleibt die Bundesregierung jedoch weiter schuldig.

Wie schon bei der Energiewende fehlt dem beginnenden Umbau der Mobilität noch immer der große politische Plan. Mit der Förderung von Elektroautos ist es so wenig getan wie mit der Förderung von grünen Kraftstoffen. Nötig ist ein neues Gesamtkonzept für die Mobilität im Land. Der Verkehr in den Städten kommt nur dann nicht zum Erliegen, wenn der Individualverkehr künftig besser mit dem öffentlichen Nah- und Fernverkehr verzahnt wird. Das Klima wird nur geschützt, wenn neue Mobilitätskonzepte Realität werden, es deutlich mehr Radwege gibt, die Bahn endlich besser wird.

Doch nicht einmal das Debakel um die gescheiterte Pkw-Maut scheint den Blick auf das Wesentliche zu erleichtern. Das Platzen des von Scheuer verfolgten CSU-Prestigeprojekts, das ohnehin nur minimale Einnahmen versprach, führt nun zu einer Fehde Scheuers mit Österreich. Wohl auch weil das Nachbarland das Ende der Maut mit einer Klage vor dem EuGH besiegelte, droht Scheuer mit juristischer Vergeltung im Transitstreit über die Alpen und will seinerseits klagen. Volle Transparenz über das Ausmaß der Maut-Pleite lehnt Scheuer in Deutschland ab. Die Betreiberverträge will sein Ministerium lieber nicht veröffentlichen.

Der Verkehrsminister droht sich im Klein-Klein zu verlieren. Dabei muss es endlich um die großen Fragen gehen - und die großen Antworten. Welches Straßennetz brauchen wir in Zukunft? Wie kann der Nahverkehr attraktiver werden? Und wie lassen sich die sozialen Folgen abfedern, wenn bestimmte Arten der Mobilität teurer werden? In der Nacht vertagte man sich auf unbestimmte Zeit. Am konkretesten wurde noch Bernhard Mattes, der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie. Man werde weiter arbeiten. Und ein neues Treffen planen. Wann? Es werde dann wohl noch warm sein, sagte Mattes.

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