Karl-Theodor zu Guttenberg ist wieder da. Gut acht Monate nach seinem Rücktritt als Bundesverteidigungsminister trat er erstmals auf einer Veranstaltung auf und las seinen früheren Politikerkollegen in Europa gehörig die Leviten.
Sie hätten die derzeitige Krise nicht im Griff und versäumten es, auf die Menschen zuzugehen, sagte er am Samstag auf einer Sicherheitskonferenz im kanadischen Halifax. "Es ist nicht nur eine Eurokrise oder eine Schuldenkrise", sagte Guttenberg. "Es ist vor allem eine Krise des Verständnisses und eine Krise der politischen Führung."
Die meisten Deutschen würden mit den Schultern zucken bei den drängenden Themen. "Die Deutschen haben keine Vorstellung davon, wie die Europäische Union funktioniert, wie es zu dieser Krise gekommen ist und was sie bedeutet." Die Schuld sieht er bei den Politikern. "Die Politiker erreichen die Öffentlichkeit nicht, sie erreichen die Menschen nicht."
Guttenberg nahm als Vertreter der US-Denkfabrik CSIS an einer Diskussionsrunde auf dem "Halifax International Security Forum" teil. Dabei war nicht nur sein Job neu. Guttenberg hatte auch sein Äußeres geändert und war auf den ersten Blick nur schwer zu erkennen: Die Haare sind nicht mehr nach hinten gegelt, die Brille fehlt.
Zu der Plagiatsaffäre um seine Dissertation, die ihn seinen Doktortitel und den Ministerposten kostete, äußerte sich Guttenberg nicht. Journalisten mied er regelrecht. Die Staatsanwaltschaft befasst sich noch mit dem Fall.
Auch zu einem möglichen Comeback, über das immer wieder spekuliert wird, schwieg er. In der CSU dürfte Guttenberg nach Äußerungen von Parteifreunden mit offenen Armen empfangen werden. Seine derzeitige Rolle scheint ihm aber zu gefallen: "Es ist großartig, im Moment aus den USA heraus auf Europa zu gucken, es ist sehr interessant."
Mit dem Blick des Außenstehenden kritisierte er vor allem, dass es keine langfristigen Konzepte gegen die Krise gebe. "Wir stolpern von einer Ad-hoc-Lösung in die nächste." Eigentlich habe er gedacht, es könne nicht schlimmer werden, sagte Guttenberg. "Aber vielleicht kann es doch."
Guttenberg sprach davon, dass Entscheidungen "panisch" getroffen würden. Es gebe keine Idee davon, wie die Europäische Union in vielen Jahren aussehen könne. Er sieht die Gemeinschaft aber nicht grundsätzlich in Gefahr. "Sie wird es überleben, aber es fehlt der Enthusiasmus."
Guttenbergs Diskussionsrunde dauerte eineinviertel Stunden. Mit ihm auf dem Podium saß unter anderem James Hoge, Vorsitzender von Human Rights Watch. Das Publikum - mehr als 300 Leute - bestand aus Vertretern von Politik, Militär und Wissenschaft. Zu den prominentesten Rednern gehörten US-Verteidigungsminister Leon Panetta und sein israelischer Kollege Ehud Barak. In der Rednerliste wurde Guttenberg - korrekt ohne Doktortitel - als "angesehener Staatsmann" ("Distinguished Statesman") aufgeführt.
Er habe über die Plagiatsaffäre gelesen, sagte Forumsleiter Peter Van Praagh auf Nachfrage. Das sei für ihn aber kein Thema. "Es geht um seine Erfahrung, deshalb wollen ihn die Leute hören", sagte Van Praagh. Für Guttenberg gestaltete sich die Visite in Halifax quasi als Heimspiel. Er war mitsamt seiner Familie im Sommer in die USA umgezogen und lebt nun im Bundesstaat Connecticut vor den Toren der Millionenmetropole New York.
Sein neuer Arbeitgeber sitzt in Washington: das Zentrum für Strategische und Internationale Studien CSIS, wo er die transatlantische Zusammenarbeit voranbringen soll. In der Denkfabrik hatte Guttenberg kurz nach seinem Amtsantritt 2009 eine Rede gehalten, und war schon damals weiter zur Sicherheitskonferenz nach Halifax gereist.
Guttenberg hatte an der Universität Bayreuth promoviert. Die Hochschule kam vor einigen Monaten zu dem Schluss, dass seine juristische Dissertation zahlreiche fremde Texte ohne ausreichende Kennzeichnung enthielt. Guttenberg wurde der Doktortitel aberkannt. Im Zuge der Affäre waren auch zahlreiche Anzeigen wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Urheberrecht eingegangen. Die Staatsanwaltschaft Hof will in Kürze entscheiden, ob sie Anklage erhebt.