Scharping vor Euro-Hawk-Untersuchungsausschuss:Tag für Nostalgiker

Ex-Verteidigungsminister Scharping sagt vor dem Untersuchungsausschuss zur Drohnen-Affäre aus. Das Ziel der SPD: Dem amtierenden Minister de Maizière am Zeug flicken. Die Union will dagegen Rot-Grün eine Mitverantwortung zuschieben.

Von Nico Fried, Berlin

So", sagt Rudolf Scharping, "fangen wir an?" Es ist schon eine gute Weile her, dass er solche Fragen entscheiden dufte. Als wolle Susanne Kastner, die resolute Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, ihm das noch einmal klarmachen, begrüßt sie den "Herrn Verteidigungsminister a. D." mit einer deutlichen Betonung auf den beiden Abkürzungen.

Es ist ein Tag für Nostalgiker: Rudolf Scharping wieder auf der politischen Bühne. Er war Ministerpräsident, SPD-Chef, Kanzlerkandidat, Fraktionschef und Verteidigungsminister, nicht nur als Radfahrer gelegentlich vom Pech verfolgt, bisweilen aber auch selbst politisch unsensibel, zum Beispiel beim Baden auf Mallorca während des Mazedonieneinsatzes der Bundeswehr, was ihn das Amt kostete. Heute lebt Scharping als Berater in Frankfurt. Dem Ausschuss präsentiert er sich sommerlich mit offenem Hemd und ohne Krawatte. Das verbliebene Haar fällt dünn, aber sonst ist Scharping ganz der alte, sonore Stimme und stets betont langsam in Sprache und Gestik. In der Zeit, in der er einen Schluck Wasser nippt, trinken andere locker ein ganzes Glas leer.

Scharping ist nur für eine Stippvisite in Berlin, aber doch zu einem bemerkenswerten Anlass. Der Verteidigungs- hat sich zu einem Untersuchungsausschuss heraufgestuft und befasst sich mit den Umständen des Rüstungsprojekts Euro Hawk, jener unbemannten Aufklärungsdrohne, deren Entwicklung vom Verteidigungsministerium im Mai 2013 gestoppt wurde. Es geht um die Klärung des finanziellen Schadens, vor allem aber geht es der Opposition darum, dem amtierenden Minister Thomas de Maizière (CDU) kurz vor der Wahl am Zeug zu flicken. De Maizière selbst hat durch - gelinde gesagt - unglückliches Defensivverhalten SPD, Grünen und Linken die Hoffnung auf Erfolg bewahrt.

Defizit bei der Nachrichtenbeschaffung

In Scharpings Zeit von 1998 bis zu seiner Entlassung durch Gerhard Schröder 2002 fielen die ersten Planungen für ein neues Aufklärungssystem. Die Bundeswehr, so erinnert er sich, habe damals vor neuen Aufgaben gestanden, sei aber in vielfacher Hinsicht darauf nicht eingerichtet gewesen. Der Kosovo-Krieg 1999 habe auch ein Defizit bei der Nachrichtenbeschaffung deutlich gemacht. Um Einsätze besser verantwortbar zu machen, sei es unabdingbar gewesen, ein neues Aufklärungssystem bereitzustellen. Dafür habe man erste Konzeptstudien anfertigen lassen. Mehrmals weist Scharping darauf hin, dass in seinem Ministerium der damalige Hauptabteilungsleiter Rüstung "öffentlich wahrnehmbar" auf technische, rechtliche und insbesondere verkehrsrechtliche Probleme hingewiesen habe - die fehlende Zulassung war 2013 einer der Hauptgründe für das Scheitern des Projekts.

In der Befragung durch die Abgeordneten sind die jeweiligen Intentionen nicht allzu schwer zu dechiffrieren. Die Fragen aus der Union zielen vor allem darauf ab, dass Rot-Grün geschlossen hinter der Entwicklung eines neuen Systems gestanden, also eine Mitverantwortung habe. Scharping antwortet, er habe noch nie erlebt, dass Parteien bei schwierigen politischen Entscheidungen "auftreten wie das Wachbataillon". Natürlich habe es Debatten gegeben, aber ihn hätte nur aufhalten können, wenn Kanzler oder Außenminister gesagt hätten, "Scharping, du spinnst." Der Zeuge führt diesen Punkt nicht weiter aus, aber es ist offenkundig, dass in diesem Fall beide nicht zu einem solchen Urteil kamen.

Die SPD-Seite hebt mit ihren Fragen darauf ab, Scharping als Kümmerer darzustellen. Dem widerspricht er natürlich nicht. Es sei eine strategisch wichtige Entscheidung gewesen, so etwas überlasse man nicht einfach nur dem bürokratischen Apparat, da habe ein Minister "eine Holschuld". Zudem sei zur Klärung offener Fragen nicht immer eine Vorlage notwendig, vielmehr böten sich auch auf Dienstreisen oder "beim abendlichen Glas Rotwein" Gelegenheiten zum Gespräch. Die SPD wird diese Einlassungen als Beweis dafür zu deuten wissen, dass ein Minister de Maizière mit Scharpings Führungsstil schon viel früher von den Problemen beim Euro Hawk hätte wissen können.

Das Fluggerät sollte bis zu 30.000 Meter in die Höhe steigen können

Vor Scharping war an diesem Tag als erster Zeuge Wolfgang Schneiderhan vernommen worden, der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr. Schneiderhan beschrieb die Fähigkeitslücke, die sich aufgetan hatte, weil die früheren Aufklärungsflugzeuge zu alt waren und nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden konnten. Zugleich sei Aufklärung und Nachrichtenbeschaffung jedoch zu einer Schlüsseltechnologie geworden. Dabei sei allen Beteiligten klar gewesen, dass "flugtechnisch gesehen Neuland betreten werden musste".

In mehreren Schritten wurden konkrete Pläne entwickelt, ein luftgestütztes Aufklärungssystem zu schaffen, für dessen Trägersystem man sich die bereits vorhandene Drohnentechnologie der USA zunutze machen wollte. Das Fluggerät sollte bis zu 30.000 Meter in die Höhe steigen können, um eine möglichst weite und störungsfreie Signalüberwachung leisten zu können. Dabei sei eines immer klar gewesen: "Das muss irgendwie da hochkommen, wo es hingehört, und dann wieder runterkommen auf den Boden - und dazwischen ist normaler Flugverkehr."

Schon 2006, also noch vor dem Vertragsabschluss mit den Herstellern 2007, musste Schneiderhan einmal feststellen, dass zeitliche Verzögerungen auch wegen der Zulassungsproblematik zu einer Kostensteigerung führen könnten. Daran, das Projekt deshalb abzubrechen, habe seinerzeit aber niemand gedacht. Seine größere Sorge sei damals gewesen, dass es für deutsche Soldaten im Einsatz zeitweilig gar keine Luftaufklärung mehr geben könnte.

Am späten Nachmittag wurde auch noch Ex-Minister Franz Josef Jung (CDU) vernommen. Er sagt, er habe wenig gehört von den Problemen beim Drohnenprojekt.

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