Wuppertal:Sven Lau soll gegen"Scharia-Polizei" aussagen

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Islamist Sven Lau, hier bei einem Gerichtstermin in Düsseldorf im April 2017. (Foto: REUTERS)
  • Vor beinahe fünf Jahren zogen sieben Männer als "Scharia-Polizei" durch die Wuppertaler Innenstadt und lösten einen Skandal aus.
  • Die Männer stehen jetzt wieder wegen Verstoßes gegen das Uniformverbot bei Demonstrationen vor Gericht, nachdem sie vor zweieinhalb Jahren zunächst freigesprochen wurden.
  • Nach einer Rüge des BGH muss sich das Landgericht Wuppertal erneut mit dem Fall befassen.

Von Christian Wernicke, Wuppertal

Die Angeklagten kennen sich aus im Landgericht Wuppertal: Vor dieser hohen Rückwand, auf der in Saal 147 ein Mosaik den weisen König Salomon als Richter zeigt, saßen sie vor zweieinhalb Jahren schon einmal. Gelangweilt hören die sieben Männer zu, wie der Staatsanwalt erneut die Anklage verliest: Die meist bärtigen Männer, inzwischen 30 bis 37 Jahre alt, sollen vor beinahe fünf Jahren gegen das Versammlungsrecht verstoßen haben: In einer Septembernacht 2014 zogen sie als "Scharia-Polizei" durch Wuppertals Innenstadt - und weil mindestens fünf von ihnen dabei Leuchtwesten mit dem Aufdruck "Shariah Police" trugen, droht ihnen eine Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Uniformverbot bei Demonstrationen.

Die Aktion der Muslime, die von den Behörden der salafistischen Szene zugerechnet wurden, hatte 2014 für bundesweites Aufsehen gesorgt. Sogar Kanzlerin Angela Merkel empörte sich. Und es ist unwahrscheinlich, dass die Beschuldigten diesmal wieder (wie in 2016) mit einem Freispruch davonkommen. Den Weg hat der Bundesgerichtshof (BGH) recht kategorisch verbaut, der 2018 das erste Urteil aus Wuppertal aufhob.

Leicht wird der Prozess nicht

Zwar mochte auch der BGH in den Warnwesten keine Uniformen erkennen. Aber, so die Rüge, die Wuppertaler Richter hätten nicht genügend geprüft, ob der Auftritt der "Scharia-Polizei" bedrohlich oder einschüchternd gewirkt habe. Dafür, so die Karlsruher Richter, sei es egal, dass ein Zeuge die Sittenwächter als Junggesellen-Abschiedsparty belächelt hatte. Entscheidend sei die Wirkung der Salafisten auf deren Zielgruppe, also auf junge Muslime: Denen wollte die "Scharia-Polizei" ausreden, Alkohol zu trinken oder Spielhallen, Wettbüros oder Bordelle zu besuchen und so den Weg zu Allah weisen.

Leicht wird diese Wirkungsanalyse nicht. Der Vorsitzende Richter Holger Jung hofft dazu offenbar auf gutachterlichen Rat eines Islam-Experten. Die sieben Angeklagten verweigerten am Montag jede Aussage. Die meisten fanden nach Haupt- oder Realschulabschluss nicht recht ins Berufsleben, wechselten die Jobs, fünf sind arbeitslos, drei vorbestraft. Zudem wird die Beweiserhebung mit den Jahren nicht leichter. Die Berichte der Polizeibeamten, welche die "Scharia-Wächter" stellten, widersprechen sich. Eine Beamtin gab sich am Montag sicher, dass der Angeklagte Kevin S. eine orangene Warnweste getragen hat. Dazu habe sie sich auf ihre Eindrücke aus der Nacht, aber auch auf Fotos der Beschuldigten gestützt, die diese von hinten zeigten. Im Abschlussbericht der Polizei, der sich auf ein zwanzigminütiges Video der mutmaßlichen Salafisten stützte, wurde S. aber als Mittäter ohne Weste eingestuft. Mindestens ein Angeklagter trug eine Weste ohne Aufdruck, ein anderer gar keine. Die Kleidung könnte einen Unterschied beim Strafmaß nach sich ziehen.

Licht ins unscharfe Bild soll am Freitag der damalige Organisator der "Scharia-Polizei", Sven Lau, bringen. Laus Verfahren wurde 2016 abgetrennt, weil er wegen schwererer Straftaten - der Unterstützung einer syrischen Terrormiliz, die sich später dem "Islamischen Staat" anschloss - verurteilt wurde. Lau kommt dieser Tage nach Verbüßung von zwei Dritteln seiner Strafe als angeblich geläuterter Ex-Islamist auf freien Fuß. Der frühere Prediger steht weiterhin unter Beobachtung der Sicherheitsbehörden - und einer seiner ersten Wege in Freiheit wird ihn nun in den Prozess führen.

© SZ vom 21.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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