Neben dem griechischen Premier Alexis Tsipras hat in dieser Woche kein europäischer Politiker die öffentliche Debatte mehr geprägt als Wolfgnag Schäuble. Kein anderer Name fiel am Mittwoch so oft auf den Gängen und in den Sälen des griechischen Parlaments wie der des Bundesfinanzministers.
Und auch am Freitag bei der Abstimmung zum Griechenland-Paket im Bundestag stand der 73-Jährige im Zentrum. "Herr Schäuble, es tut mir leid, aber Sie sind dabei, die europäische Idee zu zerstören", rief da der Linke Gregor Gysi. Nach Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem forderte auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann im Bundestag ein Ende der Debatte über den Grexit.
In einem Interview mit dem Wochenmagazin Der Spiegel gibt sich der so kritisierte Schäuble (den viele für die Rückkehr des Bildes vom "hässlichen Deutschen" in Europa verantwortlich machen) jedoch unbeirrt. Man könne "schon Zweifel bekommen", ob der griechische Premier Tsipras das Reformpaket durchsetzen werde, an dessen Richtigkeit der Grieche nach eigener Aussage zweifle, sagt Schäuble. Allerdings sei er bereit, "den Beteuerungen von Herrn Tsipras" zu glauben: "Das gebietet die Fairness."
Die mitunter sehr harschen Vorwürfe ( "Die größte Bedrohung Europas ist Schäuble") hätten ihn nicht verletzt: "Mein E-Mail-Account war ja ebenfalls zugestopft, und zwar zu 90 Prozent mit Meinungsäußerungen, die mich unterstützt haben." Eine solche Flut an Zustimmung habe er noch nie erlebt, sagt der Politiker, der seit 43 Jahren für die CDU im Bundestag sitzt. Laut einer aktuellen Umfrage sind 70 Prozent der Deutschen mit Schäubles Arbeit zufrieden.
"Ich will kein Exempel an Griechenland statuieren"
Über den Wirtschaftswissenschaftler und New York Times-Kolumnisten Paul Krugman, der Schäuble "reine Rachsucht" unterstellt, sagt der 72-Jährige: "Krugman ist ein bedeutender Ökonom, der für seine Handelstheorie den Nobelpreis bekommen hat. Aber er hat keine Ahnung von Aufbau und Grundlagen der Europäischen Währungsunion."
Den Vorwurf des griechischen Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis, Schäuble wolle an Griechenland ein Exempel statuieren, wies der Finanzminister wenig überraschend zurück. Es gehe ihm eben nicht darum, "irgendwie durch die Verhandlungsnacht zu kommen" oder einfach nur "die nächsten sechs Wochen" zu überbrücken. Falsche Großzügigkeit könne oft das Gegenteil dessen bewirken, was gemeint sei: "Meine Großmutter, die von der Schwäbischen Alb kommt, pflegte zu sagen: Großzügigkeit kommt kurz vor Liederlichkeit."
Schäuble räumte im Spiegel-Gespräch ein, dass er und Bundeskanzlerin Angela Merkel, die selbst die schwäbische Hausfrau als Grund für die nötige Sparsamkeit anführt, in den vergangenen Wochen in der Griechenland-Frage nicht immer einer Meinung waren. "Es gehört zur Demokratie, dass man auch einmal unterschiedliche Meinungen hat", sagte er.
Es gebe jedoch eine Konstante zwischen ihm und Merkel: "Wir wissen, dass wir uns aufeinander verlassen können." Bereits 1999 hätten sich beide - damals als Parteichef und Generalsekretärin - im Europawahlkampf auf einem Plakat präsentiert, auf dem stand: "Nicht immer einer Meinung, aber immer auf demselben Weg."
Schäuble erneuert Kritik an SPD-Chef Gabriel
Er wisse genau, dass Merkel die Kanzlerin und er nur der Bundesfinanzminister sei. "Politiker haben ihre Verantwortung aus ihren Ämtern", sagt er. Trotzdem könne niemand ihn zwingen, gegen seine Überzeugung zu handeln. "Wenn das jemand versuchen würde, könnte ich zum Bundespräsidenten gehen und um meine Entlassung bitten", so Schäuble. Dass der CDU-Politiker keineswegs an einen Rücktritt denke, macht er jedoch in der Antwort auf eine entsprechende Frage des Nachrichtenmagazins klar: "Nein, wie kommen Sie darauf?"
Im Interview mit dem Spiegel kritisierte Schäuble den SPD-Vorsitzenden und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel heftig. Dieser hatte bestritten, Schäubles Plänen für eine fünfjährige Euroauszeit Griechenlands zugestimmt zu haben. "Jede Partei hat ihre Probleme", sagte Schäuble, in einer Koalition nehme man aber Rücksicht aufeinander. Bissig ergänzte Schäuble: "Man sollte eigene Probleme nicht durch unzutreffende Behauptungen über andere lösen wollen."
Der Riss, der sich zwei Merkels beiden wohl wichtigsten Ministern aufgetan hat ( mehr in dieser SZ-Analyse von Nico Fried und Robert Rossmann), wird durch diese Aussage sicher nicht so schnell gekittet werden.