Schäuble:"Steinmeiers Rede war versuchter Betrug"

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Im Streit um Wege aus der Finanzkrise fliegen in der großen Koalition die Fetzen: Innenminister Schäuble attackiert Außenminister Steinmeier, die SPD greift die Kanzlerin an.

Die führenden Vertreter der Koalition gehen im Streit um Auswege aus der Finanzkrise immer ruppiger miteinander um. Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) warf Außenminister Frank-Walter Steinmeier versuchten Betrug vor, weil er bei Opel-Mitarbeitern unverantwortliche Illusionen erzeugt habe.

Dicke Luft: Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) (Foto: Foto: Reuters)

SPD-Chef Franz Müntefering und Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier erhoben heftige Vorwürfe gegen Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Steinmeier und Müntefering hatten ihre Angriffe gegen Merkel auf den Donnerstag gelegt, um damit die Regierungserklärung der Kanzlerin im Bundestag vor dem EU-Gipfel zu übertönen. Beide SPD-Politiker hielten Merkel vor, die Dimension der Krise zu unterschätzen.

"Die Krise verlangt mutige Führung"

Wer glaube, die Wirtschaftskrise sei nur ein Betriebsunfall, irre gewaltig. Sie sei "ein historischer Einschnitt", sagte Steinmeier. Die Regierung müsse dafür sorgen, dass so etwas nicht mehr passieren könne. "Das verlangt mutige Führung. Ohne Rückzieher bei Managergehältern, bei der Neuordnung der Finanzmärkte oder dem Austrocknen von Steueroasen", sagte er der Berliner Zeitung.

Merkel hatte vor einer Woche gesagt, dass zur Bewältigung der Krise Maßnahmen nötig seien, mit denen bisherige Grenzen überschritten würden. Danach könne man wieder die alten Grenzen der sozialen Marktwirtschaft ziehen.

Dazu sagte Müntefering der Financial Times Deutschland: "Eine Rückkehr zur vermeintlich guten alten Zeit, zu den alten Strukturen, die die Krise erst ermöglicht haben, wäre eine absolute Katastrophe."

Auch er warnte Merkel vor weiteren Verzögerungen beim Gesetz gegen Steuerflucht und kritisierte ihr Verhalten bei der Neuregelung der Jobcenter. Merkel hatte in der Unions-Fraktion gegen einen Vorschlag von Arbeitsminister Olaf Scholz gestimmt, der auch mit den unionsregierten Ländern abgestimmt war.

Innenminister Schäuble kritisierte Steinmeier für seinen Auftritt vor der Opel-Belegschaft in Rüsselsheim. Man dürfe mit Blick auf staatliche Rettungsmaßnahmen "keine unverantwortlichen Illusionen erzeugen", sagte Schäuble der Süddeutschen Zeitung.

Als der damalige Kanzler Gerhard Schröder den Arbeitern des Baukonzerns Holzmann die Rettung versprochen habe, sei dies Betrug gewesen, weil die Firma später doch pleite gegangen sei. "Insofern war die Rede von Außenminister Steinmeier vor den Opel-Arbeitern zumindest versuchter Betrug. Er wird sich an seinen Versprechen messen lassen müssen", sagte Schäuble.

Einigkeit unter den Europäern

Merkel ignorierte die Vorwürfe der SPD und forderte im Bundestag vor dem EU-Gipfel ein international abgestimmtes Handeln gegen die Krise. Unter den Europäern zeichnet sich bereits ein gemeinsames Auftreten auf dem Gipfel der zwanzig führenden Wirtschaftsnationen der Welt (G20) Anfang April in London ab.

Die von Deutschland, Frankreich und Großbritannien vorgeschlagenen Maßnahmen zur Kontrolle der Finanzmärkte trafen auf Zustimmung bei anderen EU-Ländern. Einig ist man sich, keine neuen nationalen Konjunkturprogramme aufzulegen, da sich diese bereits auf 400 Milliarden Euro summieren.

Am Donnerstagabend verständigten sich die Staats- und Regierungschefs laut EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso auf ein Fünf-Milliarden-Euro-Programm aus Gemeinschaftsmitteln. Daraus sollen in den Jahren 2009 und 2010 Projekte zur Ankurbelung der Konjunktur finanziert werden. Der Großteil der Summe fließe in den Ausbau neuer Energieleitungsnetze, sagte Barroso. Ferner plane die Gemeinschaft, den Notfallfonds für EU-Länder in Finanznöten auf 50 Milliarden Euro zu verdoppeln.

© SZ vom 20.03.2009/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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