Kabinettsbeschluss:Hass im Netz wird härter bestraft

Grüne und Regierung wollen Hass im Netz stärker bekämpfen

Eine Aktivistin protestiert gegen Hassbotschaften im Internet.

(Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)
  • Die Bundesregierung hat ein Paket mit Maßnahmen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und von Hate Speech im Internet beschlossen.
  • Sie sollen unter anderem verhindern, dass Rechtsextreme und andere Extremisten an Waffen kommen können.
  • Für Internet-Taten soll es höhere Strafen geben. Denn "Hetzer im Netz attackieren nicht nur den einzelnen Menschen, sondern vergiften das gesellschaftliche Klima", sagt Justizministerin Lambrecht.

Von Ronen Steinke, Berlin

Mehr als ein Jahr lang haben das Innen- und das Justizministerium in Berlin über Sicherheitsgesetze gestritten. Doch jetzt geht es auf einmal schnell angesichts der rechtsextremen Gewalt der vergangenen Wochen, besonders des Mordes an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und des Anschlags auf die Synagoge in Halle. Die Ministerien haben sich auf ein Paket mit Maßnahmen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und von Hate Speech im Internet geeinigt. Am Mittwoch ist es im Kabinett beschlossen worden. Manche kontroverse Punkte bleiben indes ausgeklammert, etwa die Vorratsdatenspeicherung und neue Hacker-Befugnisse für den Verfassungsschutz.

Kontrolle der Waffenbesitzer

Wer in Deutschland eine Waffenerlaubnis beantragt, soll künftig stets durch den Verfassungsschutz überprüft werden. Das ist eine große Änderung, diese sogenannte Regelanfrage beim Verfassungsschutz ist schon seit Jahren in der Diskussion unter dem Schlagwort "Keine Waffen in die Hände von Extremisten".

Es bedeutet einen bemerkenswerten Schritt, dass das Bundesinnenministerium von Horst Seehofer (CSU) dem nun zugestimmt hat, denn bei allen kleineren Reformen des Waffenrechts in den vergangenen Jahren hatten sich insbesondere Bundesländer mit einer großen Jäger- und Schützentradition - darunter das CSU-regierte Bayern - sowie einige Unionsabgeordnete im Bundestag dagegen gestellt und vor einem "Generalverdacht" gewarnt.

Wo man Extremisten entdeckt, sollen die Waffenbehörden sie auch deutlich strenger behandeln als bisher. Bislang konnten die Waffenbehörden eine Waffenerlaubnis nur dann verweigern, wenn ein Mensch sich in den vergangenen fünf Jahren aktiv verfassungsfeindlich betätigt hat, beispielsweise als rechtsextremer Agitator oder Schläger. Künftig soll schon die bloße Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung wie zum Beispiel die Identitäre Bewegung zur waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit führen - also dazu, dass ein Mensch keine Waffen mehr besitzen darf.

Einer der mutmaßlichen Komplizen des Mordes an Walter Lübcke, der Rechtsextreme Markus H., war ein Mitglied einer rechtsradikalen Kameradschaft, dennoch konnte er in Hessen legal in einem Schützenverein schießen. Dies wäre nach dem geplanten, neuen Recht unmöglich. Auch zeigen sich viele Menschen in der Szene der sogenannten Reichsbürger als besonders waffenaffin, weshalb im vergangenen Jahr das Bundesamt für Verfassungsschutz Alarm geschlagen hatte. Sie zu entwaffnen, ist aufwendig. Ihnen von vorneherein keine Waffen in die Hand zu geben: Das ist jetzt das Ziel.

Höhere Strafen für Internet-Taten

Die Bundesregierung will im Strafrecht künftig zwischen Online- und Offline-Beleidigungen unterscheiden. Die Details sind noch unklar, aber eine Beleidigung vor der weltweiten Öffentlichkeit des Netzes wäre angesichts der "unbegrenzten Reichweite und der aufgrund vermeintlicher Anonymität oft sehr aggressiven Begehungsweise", wie es im Text des Maßnahmenpakets heißt, dann wohl eine Art besonders schwerer Fall. Die Strafe wäre höher. "Eine Beleidigung auf Twitter oder Facebook, die unzählige Nutzer sehen können, ist etwas anderes als eine Beleidigung in der Kneipe", erläuterte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) der Süddeutschen Zeitung: "Hetzer im Netz attackieren nicht nur den einzelnen Menschen, sondern vergiften das gesellschaftliche Klima."

Der Hintergrund: Eine rein verbale Beleidigung ist nach deutschem Recht bislang eine eher geringfügige Straftat; höchstens ein Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe sind möglich, viel weniger als bei einem gewöhnlichen Diebstahl oder einer Nötigung. Deshalb werden Ermittlungen bislang oft eingestellt. Gleichzeitig ist in der Bundesregierung nun auch verabredet, an anderer Stelle im Strafgesetzbuch Paragrafen zu verschärfen. Unter anderem die Tatbestände "Aufforderung zu Straftaten" und "Billigung von Straftaten" sollen mit Blick auf das Netz "ergänzt" werden, so heißt es im zwischen Union und SPD abgestimmten Text etwas schwammig. Dann könnten Staatsanwälte hier schärfer durchgreifen. Details sind noch offen.

Pflichten für Facebook und Co.

Seit 2017 sind Onlinedienst-Anbieter wie Facebook oder Twitter in Deutschland verpflichtet, strafbare Hetze oder Beleidigungen rasch zu löschen, wenn sie dazu aufgefordert werden. In Zukunft soll das Vorgehen deutlich schärfer werden. Es soll auch stets die Polizei eingeschaltet werden. Geplant ist eine Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG), wonach Facebook und Co. bestimmte strafbare Posts - Morddrohungen und Volksverhetzungen zum Beispiel - nicht nur löschen, sondern direkt an die Strafverfolger weiterleiten müssen. Das Bundeskriminalamt (BKA) soll dafür eine neue Zentralstelle einrichten. Nicht nur die relevanten Hetz-Posts, auch die IP-Adressen der Verfasser sollen routinemäßig dorthin gemeldet werden.

Bis zum Jahresende will das Bundesjustizministerium dafür ein neues NetzDG vorlegen, so war es schon bisher verabredet. Offen ist aber noch, ob die geplante neue Anzeigepflicht für Facebook und andere Netzwerkbetreiber auch schon für geringere Straftaten wie etwa Beleidigung gelten sollen, die zudem nur auf Antrag des Opfers verfolgt werden können. So wünschen es sich das BKA und das Innenministerium, skeptisch ist in diesem Punkt das Justizministerium. Klar ist aber, dass zumindest die Möglichkeit im Einzelfall geschaffen werden soll, dass Staatsanwälte und BKA-Ermittler bei Hate Speech von Facebook und Co. die Herausgabe bestimmter Daten verlangen dürfen. Dafür sollen das BKA-Gesetz und die Strafprozessordnung geändert werden. Dort gibt es solche Auskunftsbefugnisse bislang nur bei schwereren Delikten.

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