Süddeutsche Zeitung

Schäfer-Gümbel und "Titanic":"Menno, wo bleibt das Bier?"

Lesezeit: 4 min

Thorsten Schäfer-Gümbel hat Twitter für sich entdeckt. Titanic reagierte mit einer Satire-Version. Die SPD in Hessen ist offenbar Spottobjekt der Nation.

Bernd Oswald

"Jetzt auch auf Facebook", steht da. Oder: "Jetzt auch auf Wer kennt wen". Und: "Jetzt auch auf meinVZ" sowie: "Jetzt auch auf Twitter". Thorsten Schäfer-Gümbel wirbt auf seiner Homepage prominent damit, die er als Wahlkämpfer überall im Internet unterwegs ist. Die Botschaft: Niemand ist so online-affin wie der Mann, den sie "TSG" nennen.

"Im kürzesten Wahlkampf aller Zeiten ist die Kommunikation mit Euch noch wichtiger als je zuvor und deswegen werde ich ab sofort mit Euch twittern", begründet Schäfer-Gümbel auf YouTube seinen Einstieg ins Microblogging. Schon relativ früh hatte er dort einen eigenen Kanal eingerichtet und einen Videodialog mit seinen Usern begonnen. Richtig ausgegoren wirkte das noch nicht.

Auch beim Anblick seiner Twitter-Seite hat man den Eindruck, dass Schäfer-Gümbel noch experimentiert. Auf http://twitter.com/tsghessen bieten die Schäfer-Gümbel-Einträge allerlei: Befindlichkeiten wie "Geschafft durch den eisregen von schotten nach alsfeld. Wahlkampf im sommer ist besser" oder inhaltliche Hinweise à la "Mit arbeitslosenquote auf platz 14. 10.000 stellen hat koch im landesdienst gestrichen" bis hin zum Twitter-Interview, in dem er auf die Fragen von Blogger Robert Basic antwortet. Während der Fragerunde gibt TSG seine Bestellung bei einem Drive-in-McDonald's auf.

Nun kann man natürlich darüber diskutieren, wie sinnvoll solche Schnipsel für die politische Kommunikation sind. Das haben sich auch die Chefsatiriker der Nation gefragt und die Twitter-Seite Schäfer-Gümbels optisch täuschend echt nachgebaut.

Die Titanic-Redaktion findet das Politiker-Getzwischere jedenfalls "unbeholfen" und "überflüssig", wie Martin Sonneborn sagt. Er war lange Jahre Chefredakteur der Frankfurter Satirezeitschrift und ist ihr noch als freier Mitarbeiter verbunden.

Deswegen hat sich Sonneborn zusammen mit ein paar Kollegen an den Computer gesetzt und selbst à la TSG drauflos getwittert. Sonneborn und Co langen gewohnt kräftig zu: "Lerne von Israel. Berufe Reserve ein (Mutter) und eröffne 3. Phase des Wahlkampfs (Häuserkampf). Klingeln, CDU brüllen und weglaufen".

Besonders lustig wird es, wenn die Komiker die Brücke zu wirklichen Einträgen des Politikers schlagen: Schäfer-Gümbel eröffnete seinen Mittwochs-Twittertag mit einer Mitteilung über sein unstillbares Koffeinbedürfnis: "Der Kaffee war gut, heute morgen hätte ich am liebsten eine ganze Plantage getrunken." Die Titanic-Jungs veranlasste das zur Replik: "Morgen Deutschland! Gerade mit Sekretärin geknobelt, wer aufsteht und Kaffee kocht. Verloren. Kann die SPD denn gar nichts mehr gewinnen?!!"

Und wo TSG seine Wahlchancen einschätzt ("Die Umfragen sagen, dass 27-45 Prozent noch unentschieden sind. Gute Chancen!"), ulkt Titanic: "Neue Umfragen da, 25%. Ich gebe nichts drauf, die fragen immer 'Wenn nächsten Sonntag Wahl wäre...' - Wahl ist ÜBERNÄCHSTEN Sonntag, basta!... "

Wie ein Running Gag zieht sich Schäfer-Gümbels vermeintliche Biervorliebe durch die satirische Twitter-Kopie."Düstere Stimmung. Umfragewerte noch nicht gut genug. Ob mich ein kleines Bier wieder aufmuntert? Wage das Experiment", heißt es gemeinerweise bei ihm. Und: "Experiment geglückt, die Zukunft sieht besser aus".

Ganz fies ist diese Fiktion: "Menno, wo bleibt das Bier? Wenn ich Ministerpräsident bin, fliegt als Erstes dieser Faulsack von Lieferant! So sieht's mal aus!"

Alles in allem ist der fiktive TSG sicher lustiger als der echte TSG.

Lesen Sie auf Seite zwei, wie Schäfer-Gümbel auf die Parodie reagierte und ob die SPD wieder klagen will.

Der wahre Schäfer-Gümbel bekam bald Wind von den ungebetenen Nachahmern und schrieb - sich nicht um Groß- und Kleinschreibung scherend - auf seiner Twitter-Seite: "Liebe @titanic. Nur gutes wird kopiert. Meist schlechter als das orginal." Um Verwechslungen auch optisch auszuschließen, ließ er sein Konterfei mit dem Zusatz "Das Original" versehen - doch auch dieser Schuss ging nach hinten los. Titanic war nicht um einen Konter verlegen: "Der Echte" steht nun im Schäfer-Gümbel-Bild auf der Fake-Seite.

Doch nicht jedem User fällt der Schwindel auch auf. Ein "Marco" schreibt auf basicthinking: "Ich war durch zufall heute morgen mal auf dem twitter-profil von tsg und muss sagen, dass ist schon arg albern. Quantität ist ja was tolles, aber wenn er seiner Sekretärin empfiehlt Gurken und Sahne zu kaufen, weil sie schwanger ist, finde ich das doch ein wenig nutzlos." Titanic wird's freuen.

Auch Spam, die von Sonneborn verantwortete Satire-Rubrik auf Spiegel Online hat seinen Gefallen an Schäfer-Gümbel gefunden: "Wenn Thorsten unter 20 % landet, kommt er ins Dschungelcamp", legte Sonneborn dem SPD-Fraktionschef Peter Struck in den Mund. "Die nehmen keine C-Promis", stand in Münteferings Antwort-Sprechblase.

Die Misere der Hessen-SPD scheint die Komödianten der Republik mehr zu inspirieren als alle andere Parteien. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Seltener hat das mehr gestimmt als im Fall der hessischen Sozialdemokraten. Was aber macht den Landesverband derart attraktiv für solche Späße?

Satiriker Sonneborn findet es "bemitleidenswert", was aus der Hessen-SPD geworden ist. "Sie hat Hessen traditionell regiert, muss es eigentlich regieren", sagt der Spaßvogel vom Dienst zu sueddeutsche.de.

Im Herbst hätte es ja beinahe geklappt mit der Rückkehr an die Macht. Landeschefin Andrea Ypsilanti war drauf und dran, sich mit den Stimmen der Linken zur Ministerpräsidenten wählen zu lassen. Zu dieser Zeit meldete sich Stimmenimitator Jochen Krause bei Ypsilanti und gab sich als SPD-Chef Franz Müntefering. Sieben Minuten lang bemerkte die SPD-Frontfrau die Tarnung nicht.

Als der Schwindel aufflog, soll Ypsilanti zwar gelacht haben, danach bemühte die Hessen-SPD aber die Gerichte. Seitdem stand Ypsilanti als Spaßbremse und Spielverderberin da.

Thorsten Schäfer-Gümbel will genau das offenbar vermeiden und wird nicht rechtlich gegen die Titanic vorgehen. "Wir ertragen das", sagt Gert-Uwe Mende, stellvertretender Pressesprecher der hessischen SPD. Titanic mache Satire und die habe das Recht zu solchen Späßen.

Immerhin: Auch in der Reaktion auf humoristische Attacken gibt es bei den hessischen Sozialdemokraten also einen Neuanfang. Das müssen sich die Genossen vielleicht untereinander nur noch mehr twittern.

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