Schäfer-Gümbel nach der Hessen-Wahl:Besser dran als Ypsilanti

Thorsten Schäfer-Gümbel SPD Hessen

Der SPD-Landesvorsitzende Schäfer-Gümbel bei einer Diskussionsveranstaltung kurz vor der Hessenwahl

(Foto: dpa)

Wie kommt die Hessen-SPD aus der Ypsilanti-Falle? Inhaltlich wäre Rot-Rot-Grün durchaus hinzubekommen, die Bedingungen für ein linkes Bündnis sind dieses Mal deutlich besser als vor fünf Jahren. Dummerweise ist da aber dieser Satz, den Spitzenkandidat Schäfer-Gümbel vor der Wahl gesagt hat.

Von Oliver Klasen, Wiesbaden

Vielleicht hilft es, sich die komplizierte Welt der Hessen-Wahlen diesmal mit Abkürzungen zu erklären. "Die Fantastischen Vier" haben darüber mal ein ganzes Lied gemacht. "MfG - mit freundlichen Grüßen" hieß es. Thorsten Schäfer-Gümbel also, der Chef der Hessen-SPD, wird von seinen Freunden gerne TSG genannt. Jener TSG, der seine Partei "aus dem Keller geführt hat", wie die SPDler sagen, müsste jetzt "BMW" umsetzen - eine Losung, die angeblich die Delegierten auf dem Grünen-Parteitag skandiert haben. Ausgeschrieben lautet sie: "Bouffier muss weg".

Dass Volker Bouffier, der bisherige Ministerpräsident von der CDU, sein Amt aufgeben muss, wäre in der Tat möglich, doch dazu müsste Schäfer-Gümbel sich mit Grünen und Linken auf eine Koalition oder zumindest eine irgendwie geartete Zusammenarbeit einigen.

Dumm nur, dass er vor der Wahl diesen Satz gesagt hat. Er sehe "keine inhaltliche Basis" für eine rot-rot-grüne Zusammenarbeit, sagte Schäfer-Gümbel da. Jetzt, einen Tag nach der Wahl, beginnt die Wortklauberei. Wäre es ein Vertrauensbruch gegenüber dem Wähler, wenn der hessische SPD-Chef jetzt doch mit den Linken redet? Würde er damit "die Ypsilanti machen", sich also genauso verhalten wie die damalige Parteichefin? Die hatte 2008 vor der Wahl erst Rot-Rot-Grün ausgeschlossen, wollte sich danach aber trotzdem von den Linken zur Ministerpräsidentin wählen lassen. Sie scheiterte kläglich, weil ihr vier Abweichler die Stimme verweigerten. Die Hessen-SPD stürzte damit in eine große Krise, von der sie sich erst jetzt ganz langsam erholt hat.

"Das Wahlergebnis hat sich kein Mensch gewünscht"

Auch wenn der Ypsilanti-Schock bis heute nachwirkt, inhaltlich, das ist inzwischen klar, gibt es keine unüberwindbaren Hürden für eine Zusammenarbeit mit den Linken. Zwar sagt SPD-Generalsekretär Michael Roth nach der Wahl: "Wir haben grundsätzliche politische Differenzen benannt, die eine Zusammenarbeit derzeit verunmöglichen." Dabei geht es etwa um die dritte Startbahn des Frankfurter Flughafens, den Umgang mit dem Verfassungsschutz und die Schuldenbremse.

Allerdings gibt es ähnliche Streitpunkte auch mit der CDU, in der Bildungspolitik zum Beispiel. Und niemand käme wohl auf die Idee, den Sozialdemokraten Wortbruch vorzuwerfen, wenn sie, anders als geplant, Koalitionsgespräche mit der Union ankündigen würden.

Schäfer-Gümbel will sich zunächst einmal nicht hetzen lassen. "Das ist ein schwieriges Ergebnis, das hat sich kein Mensch gewünscht. Es wird keine schnellen Lösungen geben", sagt er am Montag im Interview mit einem Radiosender.

Klar ist: Eine Regierung, in der die SPD Juniorpartner der Union ist, gilt an der Basis der hessischen Sozialdemokraten als äußerst unbeliebt. Zudem formuliert die SPD-Spitze in Berlin Erwartungen: "Du hast jetzt das Problem, das erfolgreiche Leute gelegentlich haben: Du muss gucken, wie Du daraus in Hessen eine anständige sozialdemokratische Landesregierung machst", sagt SPD-Chef Sigmar Gabriel an die Adresse Schäfer-Gümbels gerichtet, dessen Ergebnis deutlich über dem der Bundes-SPD liegt. Gabriels Formulierung lässt sich durchaus so interpretieren, dass Berlin sich einer rot-rot-grünen Lösung nicht in den Weg stellen würde.

Mögliches Vorbild NRW

Und es gibt ein weiteres Indiz dafür, dass Rot-Rot-Grün in Hessen zumindest sehr ernsthaft in Erwägung gezogen wird. Zwar betont Schäfer-Gümbel, dass er grundsätzlich gegenüber allen Parteien gesprächsbereit sei. Auf die Frage aber, wie er die CDU von einer großen Koalition überzeugen will, sagt der SPD-Mann am Sonntag: "Ich muss Herrn Bouffier von gar nichts überzeugen." Am Montag legt er nach: "Belehrungen von Herrn Bouffier nehme ich nicht mal zur Kenntnis", sagt Schäfer-Gümbel zu dessen Warnung vor einem Wortbruch und einer rot-rot-grünen Koalition.

Schäfer-Gümbel kommt zupass, dass die Bedingungen für ein linkes Bündnis diesmal günstiger sind als noch vor fünf Jahren. Erstens sind die damaligen Abweichler um die Darmstädter SPD-Frau Dagmar Metzger entweder nur noch in der Kommunalpolitik oder gar nicht mehr in der Partei engagiert. Eine neue Abweichler-Gruppe ist in der Hessen-SPD nicht erkennbar, Schäfer-Gümbel ist als Spitzenmann allseits hoch geschätzt.

Zweitens hat die SPD inzwischen mehr Erfahrungen mit rot-rot-grünen Konstellationen. Hannelore Kraft hat in Nordrhein-Westfalen gezeigt, dass das für die SPD am Ende durchaus gewinnbringend sein kann. Ihre Minderheitsregierung zerbrach zwar an einem Haushaltsstreit, aus den anschließenden Neuwahlen ging sie jedoch deutlich gestärkt hervor.

Drittens könnte Schäfer-Gümbel ein Vorbote sein für die Bundes-SPD, in der es starke Kräfte gibt, die dafür plädieren, das Verhältnis zu den Linken zu überdenken. In der Tat bleibt der SPD bei ihrer derzeitigen Haltung kaum eine andere Machtoption als die eines Merkel-Juniorpartners. Das ist auf Dauer unbefriedigend.

Natürlich, lässt sich Schäfer-Gümbel tatsächlich auf ein Linksbündnis ein, dann wird die CDU zetern, keifen und Schäfer-Gümbel als Lügner beschimpfen. Es würden auch einige kritische Leitartikel über die SPD geschrieben, die sich mit den Postkommunisten einlässt.

Doch Schäfer-Gümbel hat als Chef der Hessen-SPD bewiesen, dass er auch mit schwierigsten Situationen umgehen kann. Vielleicht geht es am Ende wirklich nur darum, dass TSG BMW in die Tat umsetzt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: