Schädlinge:Brandgefährliche Spinner

Raupen setzen Eichen zu - und den Menschen auch.

Von Tina Baier

Das Sprichwort "Was juckt es die stolze Eiche, wenn sich die Sau/der Eber/ ein Borstenvieh an ihr reibt?" gibt es in mehreren Varianten. Der Eichenprozessionsspinner, kurz EPS, kommt in keiner davon vor. Das kann auch daran liegen, dass die gefräßigen EPS-Raupen, die sich später in einen unscheinbaren und ganz harmlosen Nachtfalter verwandeln, dem Lieblingsbaum der Deutschen sehr wohl etwas anhaben können.

In Niedersachsen setzt der Schädling den Eichen gerade besonders schwer zu. Mehrere Gemeinden berichten von einem massenhaften Auftreten der bis zu fünf Zentimeter langen EPS-Raupen, die sich tagsüber in eine Art Gespinst zurückziehen. Nacht für Nacht kriechen die Tiere dann aus ihrem Nest heraus, wandern in meterlangen Prozessionen den Stamm hinauf und fressen so lange, bis der Baum kahl ist. Lediglich die Rippen der Blätter lassen sie übrig.

Mindestens genauso gefährlich wie für Eichen sind die Raupen auch für viele Menschen. Ab dem dritten Larvenstadium - insgesamt durchlaufen die Insekten fünf bis sechs - wachsen den Raupen nämlich feine Brennhaare mit Widerhaken, die zudem ein Nesselgift, das Thaumetopoein, enthalten. Wer damit in Kontakt kommt, muss mit einem juckenden Hautausschlag, tränenden Augen und sogar Fieber und Schwindel rechnen. Wenn die feinen Härchen eingeatmet werden, können sie Atembeschwerden, Bronchitis und Asthma verursachen. Im schlimmsten Fall lösen sie einen lebensbedrohlichen allergischen Schock aus, bei dem der Kreislauf zusammenbricht und mehrere Organe versagen. Ein spezielles Medikament gegen diese allergische Reaktion gibt es nicht. Lediglich die Symptome können mit Antihistaminika und Kortison gelindert werden.

"Wir beobachten schon seit Längerem immer wieder starke Vermehrungen von EPS in verschiedenen Teilen Deutschlands", sagt Gerlinde Nachtigall vom Julius-Kühn-Institut in Braunschweig. "Früher trat der Schädling vor allem in den südlichen Bundesländern auf, seit 2012 ist aber im ganzen Bundesgebiet mit EPS zu rechnen." Ein Grund für die Ausbreitung nach Norden ist wahrscheinlich der Klimawandel und der damit einhergehende Temperaturanstieg. EPS kann sich nämlich am besten vermehren, wenn der Winter mild und das Frühjahr trocken und warm ist. Zum jetzigen Zeitpunkt noch gegen die Raupen vorzugehen, sei extrem schwierig, sagt Nachtigall.

Auch aufgrund der hohen Temperaturen im Mai haben die meisten Tiere das gefährliche dritte Stadium nämlich bereits erreicht. Alle zugelassenen Insektizide wirken aber nur gegen jüngere Raupen im ersten oder zweiten Stadium. "Das Einzige, das man jetzt noch tun kann, ist, die Nester von den Bäumen abzusaugen", sagt Nachtigall. Die Prozedur ist allerdings extrem aufwendig und nicht ungefährlich; um sich vor dem Raupengift zu wappnen, müssen die Arbeiter Schutzanzüge tragen. Manche Gemeinden versuchen, die Gespinste einfach abzufackeln, was aber auch keine gute Lösung ist. Die giftigen Raupenhaare werden dadurch nämlich erst recht in der Umgebung verteilt. Sie sind extrem langlebig und können noch jahrelang eine allergische Reaktion auslösen.

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