Schach-WM:Weshalb Carlsen seinen Gegner diesmal fürchten muss

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Im Finale: Magnus Carlsen (links) und Fabiano Caruana. (Foto: AFP)
  • Bei der Schach-WM treffen ab heute Titelverteidiger Magnus Carlsen und der Amerikaner Fabiano Caruana aufeinander.
  • Das Duell wird mit Spannung erwartet, denn beide Finalisten haben ganz unterschiedliche Stärken.
  • "Dieses Mal ist es das wahre Duell", sagt Carlsen.
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Von Johannes Aumüller

Als zum bisher letzten Mal ein amerikanischer Schachspieler um den WM-Titel kämpfte, war das eine Sache für die große Politik. Das launische Genie Bobby Fischer zierte sich, im Juli 1972 in Reykjavík gegen Boris Spasskij anzutreten, weil ihm die Rahmenbedingungen nicht passten. Also rief ihn Henry Kissinger, damals nationaler Sicherheitsberater, an und sagte: "Amerika wünscht sich, dass Sie hinfahren und den Russen besiegen." Es gibt zwar geteilte Meinungen, ob Kissingers Appell ausschlaggebend war oder doch die kurzfristige Erhöhung des Preisgeldes. Jedenfalls fuhr Fischer hin und gewann, es wurde ein episches Duell und mitten im Kalten Krieg ein aufs Brett verlagerter Wettstreit der Systeme.

46 Jahre später bestreitet nun in Fabiano Caruana, 26, wieder ein amerikanischer Schachspieler einen WM-Kampf: Von diesem Freitag an fordert er im Holborn College im Herzen Londons den norwegischen Titelträger Magnus Carlsen, 27, heraus. Aber ihn hat niemand aus dem Umfeld des US-Präsidenten zum Auftritt animieren müssen, und das Preisgeld ist mit einer Million Dollar auch halbwegs okay. Der Schachsport ist zwar bis heute extrem politisiert, wie erst kürzlich die Wahl des langjährigen russischen Spitzenpolitikers Arkadij Dworkowitsch zum Präsidenten des Welt-Schachverbandes (Fide) zeigte. Doch das WM-Duell selbst elektrisiert nicht wegen irgendwelcher politischen Implikationen, sondern aus einer rein sportfachlichen Perspektive.

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Denn auch wenn das bei einem WM-Kampf seltsam klingen mag, so liegt der Reiz dieses Aufeinandertreffens nicht zuletzt darin, dass erstmals seit langer Zeit die beiden unbestritten besten Spieler gegeneinander um den Titel der Denker antreten. "Dieses Mal ist es das wahre Duell", so sagt das Carlsen selbst vor seinem vierten WM-Titelkampf seit 2013.

Die schachlichen Stärken der Finalisten sind verschieden

Es dürfte auch deswegen so interessant werden, weil sich die Kombattanten in mancherlei Hinsicht unterscheiden. Carlsen ist längst ein bestens vermarkteter Sportpopstar, der sich gerne selbstbewusst präsentiert, aber auch mal launisch verhält. Caruana hingegen, der zu Beginn seiner Karriere für Italien antrat, gibt sich eher zurückhaltend. Auch die schachlichen Stärken sind verschieden: Carlsen lebt insbesondere von seiner Intuition und davon, dass er Stellungen im fortgeschrittenen Stadium einer Partie besser als andere einschätzen kann. Caruana beschreibt sich selbst als jemanden, der nicht so sehr nach Gefühl agiere, sondern eher wissenschaftlich herangehe.

Einen klaren Favoriten gibt es nicht. Bei Carlsen mutmaßt mancher, ihm sei die fünfjährige Dominanz etwas zu Kopf gestiegen. Caruana präsentierte sich in den vergangenen Monaten in starker Form und rückte in der Weltrangliste bis auf drei Wertungspunkte an Carlsen heran. Aber in den direkten Duellen datiert sein letzter von insgesamt fünf Siegen gegen den Norweger aus dem Jahr 2015.

Zwölf Partien sind in den nächsten zweieinhalb Wochen angesetzt, sechs, sieben Stunden kann jede dauern. Steht es danach unentschieden, fällt die Entscheidung in Schnellschach-Partien mit extrem verkürzter Bedenkzeit. Das gilt es aus Caruanas Sicht unbedingt zu vermeiden. Denn im Schnellschach gilt Carlsen als klar besser.

© SZ vom 09.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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