Scann-Entscheidung:Lob und Kritik am Karlsruher "Reparaturbetrieb"

Das Verfassungsgericht hat die Kennzeichenüberwachung weitgehend gekippt: Vor allem bei der CDU sorgt das für Verdruss, ansonsten überwiegt die Erleichterung.

Die Karlsruher Entscheidung zur automatischen Erfassung von Autokennzeichen wird nach Auffassung von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries keinerlei Auswirkungen auf die Bundespolitik haben. "Weder hat sie Auswirkungen auf das BKA-Gesetz, noch hat sie Auswirkungen auf die Strafprozessordnung, so dass wir keinen Diskussionsbedarf auf Bundesebene haben", sagte die SPD-Politikerin.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, begrüßte das Urteil. Nun müssten alle Bundesländer den strengen Vorgaben Karlsruhes für eine Kennzeichenerfassung folgen.

Leutheusser-Schnarrenberger bezeichnete das Bundesverfassungsgericht als "Reparaturbetrieb eines grundrechtsblinden Gesetzgebers". Angesichts einer nicht endenden Serie von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts laufe die deutsche Innenpolitik Gefahr, "das Vertrauen in den demokratischen Gesetzgebungsprozess zu zerstören", so die frühere Bundesjustizministerin.

Der baden-württembergische Innenminister Heribert Rech verteidigte die automatische Kennzeichenerfassung. Rech sagte am Dienstag in Stuttgart, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erfordere eine intensive Prüfung und Bewertung der Urteilsbegründung. "Erst danach werden wir entscheiden, ob und wie die entsprechende Regelung in der Novelle unseres Polizeigesetzes anzupassen ist."

Der CDU-Politiker wies darauf hin, dass er den Einsatz automatischer Kennzeichenlesesysteme nach wie vor für ein wichtiges Instrument der polizeilichen Fahndungsarbeit halte. In der Novelle des Polizeigesetzes sei vorgesehen, dass Kennzeichen Unbeteiligter nach Abgleich mit dem Fahndungsbestand automatisch und sofort gelöscht werden. Ein Bewegungsprofil könne also nicht erstellt werden.

ADAC und GdP begrüßen Urteil

Hessens Innenminister Volker Bouffier (CDU) bedauerte das Urteil: "Diese Entscheidung erschwert die Bekämpfung der Kriminalität." Das Gericht habe aber den Einsatz nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

Man müsse genau prüfen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Geräte zur Gefahrenabwehr eingesetzt werden könnten, sagte Bouffier.

Der ADAC begrüßte das Karlsruher Urteil zur automatischen Kennzeichenerfassung. Das Bundesverfassungsgericht habe die massiven Bedenken an der Massenüberwachung geteilt, teilte der Automobilclub am Dienstag mit. "Die Kontrollen werden zum Teil verdeckt, lückenlos und ohne jeden Anlass oder Verdacht durchgeführt", erklärte ADAC-Vizepräsident Ulrich Klaus Becker.

Es seien keine wesentlichen Fahndungserfolge erzielt worden, kritisierte der ADAC. Der Verband forderte die betroffenen Bundesländer auf, die Regelungen in Einklang mit dem Grundgesetz zu bringen.

Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) forderte die Länder auf, zügig für verfassungskonforme Rechtsgrundlagen zu sorgen. GdP-Chef Konrad Freiberg erklärte: "Die Polizei braucht moderne Fahndungsmittel auf einwandfreier Rechtsgrundlage." Er warf Sicherheitspolitikern vor, zunehmend handwerklich schlecht zu arbeiten. "Wieder einmal ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der letzten Jahre ignoriert worden."

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