Sauerland-Prozess:Geständnis aus Langeweile

Dem Terrorverdächtigen Adem Yilmaz dauert der Prozess zu lange, nun will er auspacken - seine drei Mitangeklagten aus der Sauerlandgruppe ziehen offenbar mit.

Johannes Nitschmann, Düsseldorf

Es klingt wie Routine, als der Terroristen-Prozess gegen die Sauerland-Gruppe in der modernen Betontrutzburg am Düsseldorfer Kapellweg seine Wende nimmt. In dem von hohen Zäunen und Stacheldraht umgebenen Hochsicherheitstrakt sitzen vier mutmaßliche islamistische Terroristen hinter wandhohen Panzerglasscheiben auf der Anklagebank.

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Die im 'Sauerland-Prozess' Angeklagten Adem Yilmaz (v.l.), Atilla Selek, Fritz Gelowicz und Daniel Schneider in einem Verhandlungssaal des Oberlandesgerichtes in Duesseldorf (OLG

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Eisern hat das ungleiche Quartett mit den zwei deutschen Islam-Konvertiten an den vorangegangenen 14 Verhandlungstagen zu den Anklagevorwürfen geschwiegen. Als Terrorzelle der Islamischen Dschihad Union (IJU) sollen die vier Männer mit den Vollbärten und weißen Häkelmützchen Autobomben-Anschläge auf US-Einrichtungen mit mehreren hundert Toten geplant haben.

An diesem 15.Verhandlungstag soll eine Beamtin des Bundeskriminalamtes (BKA) aussagen, auf welchen Wegen sich die vier Glaubenskrieger aus dem Ausland Zünder für ihre selbstgebastelten Sprengsätze beschafft haben.

Doch dazu kommt es nicht. Gleich zu Verhandlungsbeginn verliest der Vorsitzende Richter Ottmar Breidling einen Polizei-Vermerk, der die Zeitpläne und Zeugenladungen in diesem auf zwei Jahre anberaumten Prozess Makulatur werden lässt.

Nach dem Besuch seiner Eltern und seiner beiden Geschwister im Wuppertaler Gefängnis vertraute sich der Angeklagte Adem Yilmaz vergangene Woche einem der beiden BKA-Beamten an, der das Gespräch in der Besucherzelle überwacht hatte.

Der Richter fordert: "Butter bei die Fische!"

Es mache keinen Sinn, weiter zu schweigen, um dann später "im Urteil die volle Packung zu bekommen", erklärte der 29-Jährige dem BKA-Mann und beklagte sich über seine beiden Anwälte, die "Heuchler" seien und nur sinnlose Fragen stellten. Er wolle möglichst schnell ein Geständnis ablegen - umfassend und rückhaltslos, aber erst nach Beratung mit den drei Mitangeklagten.

Richter Breidling, ein Vorsitzender mit straffer Verhandlungsführung und strenger Scheitelfrisur, hob die Kontaktsperre unter den Angeklagten auf und unterbrach die Hauptverhandlung. Im Beisein von zwei BKA-Beamten und zunächst ohne ihre Anwälte sollte das Quartett beraten, ob ein Geständnis erfolgt.

Breidling hatte den Angeklagten mit auf den Weg gegeben, dass Voraussetzung für eine mögliche Strafmilderung umfassende geständige Einlassungen seien: "Butter bei die Fische! Alle Karten auf den Tisch - und zwar offen und nicht gezinkt!"

Clown mit Rauschebart und krawalligem Kiezdeutsch

Und Bundesanwalt Volker Brinkmann setzte das Quartett um Yilmaz unter Zeitdruck. Für eine Strafmilderung bei geständiger Einlassung könne "schon bald der Zug abgefahren sein" - womöglich bereits nach der Zeugenaussage zur Zünderbeschaffung.

Sauerland-Prozess: Adem Yilmaz, genannt: der "Clown"

Adem Yilmaz, genannt: der "Clown"

(Foto: Foto: Getty)

Hat Richter Breidling den überraschenden Sinneswandel bei dem Angeklagten Yilmaz ausgelöst? Jener gestrenge Jurist, der sich in früheren Terror-Prozessen des Düsseldorfer Staatsschutzsenats wie etwa gegen den Kölner Kofferbomber einen Namen als "Richter Gnadenlos" gemacht hat?

Breidling, hat Yilmaz dem BKA-Beamten fast schwärmerisch gesagt, sei "ein richtiger Profi". Er habe die Verhandlungsführung souverän im Griff und lese die Abhörprotokolle der Angeklagten mit verschiedenen Stimmlagen sehr verständlich vor.

Ausgerechnet Yilmaz. Der gebürtige Türke, der zu seiner Glatze einen schwarzen Rauschebart trägt, war gleich zum Prozessauftakt mit Breidling aneinandergeraten. Der Angeklagte weigerte sich strikt, sich beim Erscheinen des Gerichts von seinem Platz zu erheben. "Ich stehe nur für Allah auf", raunzte der Angeklagte das Gericht an.

Bei dem sich ständig wiederholenden Procedere verhängte der Senat eine Serie von mehrtägigen Ordnungsstrafen gegen Yilmaz, der bei den journalistischen Prozess-Beobachtern schnell den Spitznamen "Der Clown" weghatte.

Es geht auch um Eitelkeiten

Nach drei Verhandlungstagen verständigte sich Breidling mit den Anwälten von Yilmaz schließlich darauf, dass der Angeklagte erst in den Saal geführt wird, wenn der Senat auf dem Richterpodest Platz genommen hat.

In diesem Terror-Prozess geht es auch um Eitelkeiten. Nach seinem angekündigten Geständnis brüstet sich Yilmaz vor Gericht, er könne auch seine drei "Brüder" überzeugen, ihr Schweigen zu brechen. Respektvoll spricht ihn Breidling daraufhin als "Wortführer auf der Anklagebank" an und sichert ihm für seine Überzeugungsarbeit "ausreichend viel Zeit" zu.

Schließlich erscheint im blankgeputzten Flur des Hochsicherheitstrakts die Yilmaz-Anwältin Ricarda Lang, bekannt aus der Gerichtsshow Richter Alexander Hold bei Sat1, und verkündet, alle vier Angeklagten hätten sich auf eine gemeinsame Linie verständigt und wollten "geständige Einlassungen" abgeben.

Zur Vorbereitung ihrer Geständnisse räumt das Gericht den Angeklagten bis übernächste Woche Zeit ein und sagt bis dahin die Verhandlung ab. Richter Breidling begrüßt den Entschluss der Angeklagten: "Dadurch, dass dies so frühzeitig geschehen ist, ist ein spürbarer Strafnachlass möglich."

Damit könnte das Verfahren bereits im Herbst zu Ende gehen.

Schon am Morgen hatte der Angeklagte Yilmaz im Gerichtssaal auf einen kurzen Prozess gedrängt: "Es ist mir egal, wie viel Sie mir geben, ob 20 oder 30 Jahre", rief er in einem krawalligen Kiezdeutsch, "ich möchte nur, dass das hier vorbeigeht. Mir ist echt langweilig."

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