CDU-Europawahlkampf:Wiedervereinigung im Sauerland

CDU Europawahlkampf in Eslohe

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und Friedrich Merz in Eslohe

(Foto: dpa)

Kramp-Karrenbauer und Merz treten wieder gemeinsam vor Publikum auf. Der Abend zeigt: Mit ihr wird Merz vielleicht noch was - gegen sie bestimmt nicht.

Von Nico Fried, Eslohe

Der Einzug erfolgt streng hierarchisch. Die Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer vorneweg, dahinter der Generalsekretär Paul Ziemiak. Und erst mit etwas Abstand das einfache CDU-Mitglied Friedrich Merz. Das Blasorchester St. Peter und Paul spielt Marschmusik, als der Zug sich seinen Weg durch die proppenvolle Schützenhalle bahnt. Es mögen knapp tausend Besucher sein, die sich an den Tischen drängen und drumherum. Die Prominenz nimmt Platz und bei der Begrüßung läuft die Sache mal ganz kurz andersrum: Kramp-Karrenbauer erhält sehr freundlichen Applaus, Friedrich Merz lauten, ja frenetischen Jubel.

Ist aber auch kein Wunder. Eslohe im Sauerland, 9000 Einwohner. Im Gemeinderat nur drei Parteien: Die CDU hat 20 Sitze, die SPD 7, die FDP fünf. Ganz alte Bundesrepublik, wenn man so will. Selbst bei der Bundestagswahl 2017, als die CDU mit Angela Merkel bundesweit auf 32,9 Prozent abstürzte, kam sie in Eslohe noch auf 52 Prozent der Zweitstimmen. Schwarzes Land. Keine 50 Kilometer sind es von hier nach Brilon, der Heimatstadt von Friedrich Merz. Es ist sein Heimspiel. Genau deshalb muss er aufpassen. Das letzte Mal, als er sich seiner Sache zu sicher war, ist es schiefgegangen.

Merz hat nach seiner schmerzlichen Niederlage ziemlich rumgeeiert

Eslohe geht an diesem Abend in die Geschichte ein. Zumindest in die Parteigeschichte der CDU. Zum ersten Mal treten Kramp-Karrenbauer und Merz hier wieder gemeinsam auf. Vier Monate liegt der CDU-Bundesparteitag zurück, auf dem Kramp-Karrenbauer mit knappem Vorsprung Merz besiegte und zur Nachfolgerin Angela Merkels an der Parteispitze gewählt wurde. Es sei "fantastisch", sagt Generalsekretär Paul Ziemiak, dass beide Bewerber an diesem Abend in Eslohe seien "und gemeinsam für die CDU stehen". Wiedervereinigung, sozusagen.

So wird jetzt plötzlich zu einer mittleren Sensation, was die beiden Bewerber - und auch der dritte, Jens Spahn - vor dem Hamburger Parteitag immer versprochen hatten: Egal, wer gewinnt, die beiden anderen engagieren sich trotzdem weiter für die CDU. Spahn als Gesundheitsminister hat's da leicht. Aber Merz hat nach seiner schmerzlichen Niederlage doch ziemlich rumgeeiert: Wahlkampf nein, oder doch ein bisschen; Ministeramt ja gerne, aber er dränge sich natürlich nicht auf. Und so weiter.

Und nun steht er auf der Bühne am Rednerpult. Eine "Anmoderation" hat er angekündigt, nachdem er kurzfristig sein Kommen zugesagt hatte. Merz ist sozusagen die Ein-Mann-Vorgruppe für Kramp-Karrenbauer. Er freue sich über die gute Stimmung, die wir in der CDU Deutschlands haben, sagt Merz. Bei der "lieben Annegret" wolle er sich bedanken "für die sechs Wochen, die wir zusammen verbracht haben". Merz meint die Regionalkonferenzen vor dem Parteitag. "Da haben wir uns oft gesehen, war auch angenehm." Die Entscheidung auf dem Parteitag hätte er sich natürlich "auch anders vorstellen können". Aber er stehe zu seinem damals geäußerten Wunsch, dass Kramp-Karrenbauer Erfolg haben solle.

Über die Entwicklung der CDU seither, über Kramp-Karrenbauers erste Entscheidungen, sagt er nichts. Stilles Einverständnis. Stattdessen redet er lange über das Sauerland, das gerne als provinziell belächelt werde, obwohl es eine starke Region sei, Wirtschaft und Natur, Heimat und Weltoffenheit, Unternehmer und Belegschaften vorbildlich miteinander verbinde. Merz weiß, was hier ankommt. Er fasst sich kurz, anders als in Hamburg. Seine Rede gefällt, auch das war in Hamburg anders.

Dann kommt die Vorsitzende. Es gehe an diesem Abend um ihn, sagt Kramp-Karrenbauer - aber sie meint den Spitzenkandidaten der nordrhein-westfälischen CDU für die Europawahl, Peter Liese, für den sie freundliche Worte findet. Er habe ihr viel erzählt, sagt AKK - aber nun meint sie ihren Generalsekretär Paul Ziemiak, der auch aus der weiteren Region kommt. Sie witzelt ein bisschen über Parallelen zwischen dem Sauerland und dem Saarland: In beiden Regionen schütze man die Fußmatten mit zusätzlichen Lappen, damit sie nicht so schnell abgenutzt würden. Und sie lobt den ländlichen Raum und erklärt die Bedeutung der Europäischen Union in einer Zeit der globalen Herausforderungen. Was man so sagt, wenn der Wahlkampf anbricht.

Es wird immer wieder sehr lange sehr still im Saal

Die Rede der Vorsitzenden wird jetzt politischer, sie macht sozusagen ernst. Der Beifall wird seltener. Schengen, Grenzkontrollen, Kriminalität, Sicherheit, Haushalt, Bundeswehr, Automobilindustrie, das sind jetzt die Themen - Zustimmung im Publikum ist da so sicher wie die Wahlerfolge der CDU im Sauerland. Dann aber wird es noch anstrengender: Klimawandel, Biodiversität, Denkblockaden, China, beziehungsweise "Schina", wie Kramp-Karrenbauer sagt - huch! Jetzt wird es immer wieder sehr lange sehr still im Saal. Als das Stichwort Brexit fällt und einige im Saal kichern, sagt die strenge Vorsitzende, da gebe es leider nichts zu lachen. Kramp-Karrenbauer kommt jetzt so pädagogisch daher wie Angela Merkel in ihren anstrengendsten Reden. Und sie spricht sehr lange - so wie Merz auf dem Parteitag in Hamburg.

Es ist vor diesem Abend über eine mögliche Kanzlerin Kramp-Karrenbauer, die eines Tages Merz als Minister in ihr Kabinett berufen könne, viel spekuliert worden, sehr viel. Aber dazu fallen wenige Worte in Eslohe, sehr wenige - genau genommen: kein einziges.

Eine Überraschung ist das nicht. Kramp-Karrenbauer und Merz leben beide gut mit dem Ungefähren. Die Möglichkeit einer gemeinsamen Zukunft - hält Merz im Spiel, ohne dass er viel dafür tun muss. Und sie hilft Kramp-Karrenbauer, die Anhänger ihres einstigen Widersachers hinter sich zu versammeln. Mit ihr wird Merz vielleicht noch was. Gegen sie bestimmt nicht. Die Hierarchie vom Einzug, sie gilt auch am Ende dieser Veranstaltung. Und wohl noch ziemlich lange.

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