Sauerland-Gruppe:Tumb, spießig, hasserfüllt

Die Mitglieder der Sauerland-Gruppe sind keine Gotteskrieger, sondern fanatische Amerika-Gegner. Diese Haltung ist zu verurteilen - aber wahr ist auch, dass die Bush-Regierung wenig ausgelassen hat, um den Wirrköpfen einen entsprechenden Vorwand zu liefern.

Hans Leyendecker

Als die Republik erstmals im September 2007 die Schreckensmänner wahrnahm, die verheerendste Bombenanschläge geplant hatten, konnte sie den meisten von ihnen nicht ins Gesicht schauen. Nur einer trug keine Sturmhaube. Aber der Mimikry bedurfte es ja nicht. Man kannte doch diese Typen genau: Handelte es sich doch ganz bestimmt um fanatische Islamisten, die Ungläubigen und der westlichen Kultur den Krieg erklärt hatten und von Hintermännern am Hindukusch in den Krieg gegen die Deutschen geschickt worden waren.

Sauerland-Gruppe, ddp

Die Angeklagten im Sauerland-Prozess: Atila Selek, Adem Yilmaz, Fritz Gelowicz und Daniel Schneider, die in einem Verhandlungssaal des Oberlandesgerichtes in Düsseldorf sitzen

(Foto: Foto: ddp)

Seit ein paar Tagen ist es mit der üblichen Küchenpsychologie vorbei, mit der sich Spezialisten und Exegeten gewöhnlich des Themas annehmen. Weder Ungläubigen noch der westlichen Kultur sei irgendein Krieg erklärt worden, sagte Fritz Gelowicz, der Hauptangeklagte im Sauerland-Prozess. Mit den Hintermännern war es auch ein bisschen anders.

Den Sinn des Lebens und den entsprechenden Halt will der Rädelsführer weder im Islam noch als verhinderter Gotteskrieger gesucht haben. Keine der alten Festschreibungen muss ganz neu geschrieben werden, aber die Wirklichkeit erweist sich einmal mehr komplizierter als die Theorie.

Im Rückblick wird klar, dass das Meiste was passierte, eher Zufall war. Kein roter Faden führt durch das Labyrinth dieser Verschwörung. Die potentiellen Attentäter hätten auch an irgendeiner Front in Tschetschenien oder Afghanistan landen können. Zwar bleibt manche Figur am Hindukusch schattenhaft, und der Gang der Handlung ist verschachtelt, aber die Logik der Ereignisse folgt der Fieberkurve des 11. September 2001.

Irgendein Oberschurke, der nach jungen Gotteskriegern in Europa Ausschau hielt, weil er Kanonenfutter brauchte, taucht in den Erzählungen nicht auf. Die jungen Männer selbst wollten die Bomben in Deutschland bauen, weil sie sich hier auskennen. Offenbar hätte ihnen niemand in Pakistan oder sonst wo dreingeredet, wenn sie in ein anderes europäisches Land gezogen wären.

Unterschiedlichste Gruppierungen erwiesen sich in der langen blutigen Geschichte des Terrorismus als Künstler der Konspiration, aber das kann man über die Sauerland-Gruppe wirklich nicht sagen. Sie war umstellt von Spitzeln und Agenten, bekam die staatliche Verfolgung auch mit und kochte weiter ihr Bombensüppchen. Das war dreist, aber es war vor allem dumm. Ein Umstand, der angesichts der vielen umlaufenden Warnungen Hoffnung macht.

Sie waren also tumb, spießig und hassten Amerikaner und alles, was amerikanisch ist. Diese Haltung ist zu verurteilen, aber wahr ist auch, dass die Bush-Regierung wenig ausgelassen hat, um den Wirrköpfen den entsprechenden Vorwand zu liefern. Dass Gelowicz zur Kalaschnikow greifen wollte, nachdem sein Betnachbar Khaled el Masri von der CIA entführt und nach Afghanistan verschleppt worden war, ist mehr als nur eine Randgeschichte.

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