Süddeutsche Zeitung

Saudi Arabien:Warum Prinz Salman auf Israel zugeht

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Dem saudischen Kronprinzen geht es bei seiner Aussage über Israels Existenzrecht nicht um Frieden, sondern um die Vorherrschaft im Nahen Osten. Er scheint Krieg gegen Iran für unvermeidlich zu halten.

Kommentar von Tomas Avenarius

Wenn dieser Staatsmann eine hervorstechende Charaktereigenschaft hat, dann ist es die, seine Ansichten unverblümt und unstaatsmännisch kundzutun. Da es sich um den Kronprinzen von Saudi-Arabien handelt, haben seine Äußerungen fast immer Gewicht, und das nicht nur im Nahen Osten. Wenn also Mohammed bin Salman in einem Interview mit einem US-Magazin - und damit sehr, sehr öffentlich - gesagt hat, dass "Palästinenser und Israelis das Recht haben, in einem eigenen Land zu leben", könnte sich im seit Jahren hoffnungslos festgefahrenen Friedensprozess im Nahen Osten endlich wieder Bewegung abzeichnen.

Das kommt gut. Immerhin hat der Ölprinz, zumindest indirekt und eher wohlmeinend interpretiert, eine Anerkennung des Existenzrechts Israels in Aussicht gestellt, das fällt arabischen Staatsführern ja noch immer schwer. Im Nachsatz hat Salman noch gesagt, dass er sich im Falle eines umfassenden Friedensabkommens vorstellen könne, das Verhältnis zwischen der arabischen Welt und Israel zu normalisieren. Noch besser.

Was epochemachend klingen mag, ist es aber nicht. Fast wortgleich hatte sich 2002 ein anderer Saudi geäußert, der spätere König Abdullah. Dessen Initiative wurde sogar von der Arabischen Liga aufgegriffen und zu einem Friedensplan aller arabischen Staaten umetikettiert - nur, um ein paar Jahre später folgenlos im Treibsand des jahrzehntealten Nahostkonflikts zu versinken. Die Frage ist, warum Prinz Salman, der neue starke Mann Saudi-Arabiens, die alte Friedensinitiative wieder ins Gespräch bringt.

Militärisch ist Saudi-Arabien im Vergleich zu Iran ein Gnom

Der Grund liegt auf der Hand und er hat wenig mit Friedenswillen zu tun, im Gegenteil. Prinz Salman, der derzeit auf einer Art PR-Tour für sein Land und sich als künftigen König durch die USA reist, sucht Bundesgenossen gegen die regionale Großmacht Iran. Der immer aggressiver ausgetragene Streit zwischen dem schiitischen Theokraten-Regime und den arabischen Sunniten-Staaten hat den Händel zwischen Israelis und Palästinensern als nahöstlichen Kernkonflikt abgelöst. Für Prinz Salman geht es nur um eines: Wer gewinnt die Vorherrschaft im Nahen Osten - die Sunniten-Nationen unter saudischer Führung oder die Iraner mit ihrer Allianz aus den Syrern und der libanesischen Hisbollah-Miliz?

Militärisch ist Saudi-Arabien im Vergleich zu Iran ein Gnom, die schlagkräftigen Gegner Teherans sitzen in Israel und den USA. Da ist Premier Benjamin Netanjahu, der mit einem Präventivschlag gegen die iranischen Atomanlagen liebäugelt. Und da twittert US-Präsident Donald Trump, der das internationale Nuklearabkommen mit Teheran schnellstens kündigen möchte und in seinen Tagträumen wohl auch aufs Bombardieren setzt. Das sind die Bundesgenossen, die der Kronprinz braucht. Er scheint einen Krieg gegen den schiitischen Nachbarn für unvermeidlich zu halten, beschimpft den iranischen Revolutionsführer Chamenei als "Hitler des Nahen Ostens".

Salman braucht Trump und Netanjahu - für den diplomatischen Druck und notfalls für den Krieg. Dafür würde der Saudi den Israelis beim Friedensabkommen mit den Palästinensern weit entgegenkommen, auf Kosten der arabischen Brüder im Gazastreifen und im Westjordanland. Dafür muss Saudi-Arabien die Führung in Sachen Nahost-Frieden übernehmen - was Salman gerade versucht.

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SZ vom 04.04.2018
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