Süddeutsche Zeitung

Saudi-Arabien:Die schwierige saudische Gunst

Lesezeit: 3 min

Das abgekühlte Verhältnis zwischen den USA und Saudi-Arabien rächt sich im russischen Krieg gegen die Ukraine. Um die Ölpreise zu senken, muss Washington wohl Zugeständnisse an Riad machen.

Von Dunja Ramadan

Es gibt eine arabische Redewendung: Er schlägt ein Bein übers andere. Bedeutet so viel wie: Man ist seinem Gegenüber ebenbürtig und macht jetzt mal die Ansage. Genau das scheint der saudische De-facto-Herrscher Mohammed bin Salman, kurz MbS genannt, derzeit mit US-Präsident Joe Biden vorzuhaben. Kurz nach dessen Amtsantritt vor einem Jahr ließ Biden einen Geheimdienstbericht veröffentlichen, der den Kronprinzen für die Ermordung des regimekritischen Washington-Post-Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul verantwortlich machte. Der russische Krieg in der Ukraine versetzt den umstrittenen Kronprinzen nun in die komfortable Lage, die Erdölkarte zu spielen.

Während der ehemalige US-Präsident Donald Trump MbS mit seiner ersten Auslandsreise umgarnte, mied der jetzige Präsident Joe Biden bislang jeglichen Kontakt zum saudischen De-facto-Herrscher. Persönlich begegnet sind sich die beiden als Amtsträger noch nie. Bereits im Wahlkampf hatte Biden angekündigt, Saudi-Arabien "zu dem Paria zu machen, der sie tatsächlich sind". Er versprach, das Land für Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft zu ziehen. Mit dem russischen Krieg hat sich die Weltlage verändert, Biden braucht nun den weltweit größten Erdölexporteur, um weitere Preissteigerungen zu verhindern. Doch Mohammed bin Salman hat offenbar nicht vor, Bidens kritische Haltung so schnell zu vergessen, und hält deshalb an der mit Russland und anderen Staaten des Ölexportkartells Opec vereinbarten Erdölproduktion fest.

Hochrangige Berater empfehlen Biden eine Frühjahrsreise nach Saudi-Arabien

Laut einigen US-Medien versucht sich der US-Präsident seit Wochen vergeblich an einer Annäherung an Riad und Abu Dhabi. Das Wallstreet Journal berichtet etwa, dass beide Nationen Anrufe des US-Präsidenten ignorieren und sich weigern, die Ölexporte anzukurbeln, um die steigenden Preise im Zuge des Krieges auszugleichen. Nun häufen sich Berichte, dass hochrangige Berater Biden eine Frühjahrsreise nach Saudi-Arabien empfehlen, um die abgekühlten Beziehungen wieder aufzuwärmen. Die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, wollte diese Pläne in der vergangenen Woche nicht bestätigen. Auch die abgewiesenen Telefonate bestritt Psaki und bezeichnete sie als "ungenau".

Sie verwies stattdessen auf das Telefonat zwischen Joe Biden und dem saudischen König Salman Anfang Februar, in dem es unter anderem um die Energiesicherheit gegangen sei. In einer Mitteilung des Weißen Hauses vom Februar heißt es, dass beide Regierungschefs ihr Engagement bekräftigten, die "Stabilität der globalen Energieversorgung sicherzustellen". Immerhin räumt Psaki ein, dass hochrangige US-Regierungsbeamte letzten Monat nach Saudi-Arabien gereist seien, um "eine Reihe von Themen zu erörtern, einschließlich des Krieges in Jemen, einschließlich der Sicherheit in der Region und sicherlich einschließlich Energiesicherheit".

Die USA und auch Europa sind nun mehr denn je auf saudisches und emiratisches Öl angewiesen

Umso frappierender ist die Verkündung Saudi-Arabiens vor wenigen Tagen, eine "Expansionsstrategie in Asien" anzustreben: So wird die Aramco-Tochter SAAC mit dem chinesischen Staatsölkonzern Sinopec Raffinerien und Petrochemiefabriken in China und Saudi-Arabien ausbauen. Aramco ist der weltgrößte Ölkonzern. Für die USA ist das ein Affront zur Unzeit, Washington stoppte am selben Tag die Einfuhr von russischem Öl und bat die Opec um eine signifikante Ausweitung der Ölförderung. Aber Riad rückte einfach weiter nach Osten, obwohl die USA und Europa mehr denn je auf saudisches und emiratisches Öl angewiesen sind.

Das wissen die Herrscher am Golf und erinnern deshalb an die Forderungen, die schon eher einem Katalog gleichen. Angesichts der kürzlichen Attacken der jemenitischen Huthi-Rebellen auf Ziele in den Emiraten und Saudi-Arabien fühlen sich die Golfstaaten alleingelassen. Riad pocht auf mehr Unterstützung im festgefahrenen Jemenkrieg sowie Sicherheitsgarantien gegenüber Teheran, dem engsten Verbündeten der Huthis. Außerdem fordern die Saudis Hilfe bei ihrem eigenen zivilen Atomprogramm sowie eine gesetzliche Immunität für Mohammed bin Salman in den USA. Mehrere Gerichtsverfahren laufen dort gegen MbS, auch wegen der Khashoggi-Affäre. Auch in Deutschland wurde Anzeige gegen den Kronprinzen eingereicht. Reporter ohne Grenzen werfen MbS Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor.

Kürzlich sagte MbS in einem Interview mit dem Atlantic: Riads Ziel bestehe darin, seine "lange, historische" Beziehung zu den USA aufrechtzuerhalten und zu stärken. Es scheint diesmal nur so, als müsste Washington sich die saudische Gunst einiges kosten lassen. Erst dann könnte Riad einlenken.

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