Saudi-Arabien und der Aufstand in Syrien:Unter Rivalen

Es waren drastische Worte, die der saudische König wählte: Syriens Präsident Baschar al-Assad müsse die "Todesmaschine" anhalten, Reformen durchführen, sonst werde sein Land in "Chaos" versinken. Doch Riad dürfte es nicht um Demokratie gehen, auch Sympathie für die Aufständischen dürfte ausgeschlossen sein. Das Haus Saud macht aus einem anderen Grund Front gegen Syrien.

Sonja Zekri

Der saudische König hat lange geschwiegen, dann aber war sein Auftritt dramatisch. Was in Syrien geschehe, sei für Riad nicht länger hinnehmbar, sagte Abdullah. Syriens Präsident Baschar al-Assad müsse die "Todesmaschine" anhalten, Reformen durchführen, sonst werde sein Land in "Chaos" versinken. Riad zieht seinen Botschafter ab. Kuwait folgt und auch Bahrain. So weit gehen bislang weder Deutschland noch Amerika.

Assad in Region isoliert

Der saudische König Abdullah (rechts im Bild) im Gespräch mit dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad im Oktober 2010: Mit ungewöhnlich starken Worten tadelte Abdullah Assads blutige Unterdrückung des Aufstands in Syrien.

(Foto: dpa)

Der Brandrede war ein Crescendo des Tadels aus der Region vorausgegangen. Nicht nur der Golf-Kooperationsrat, ein Club schwerreicher Öl-Monarchien, hatte Worte des Abscheus für den Beschuss von Hama, Homs und Dair as-Sour gefunden. Auch der neue Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil Al-Arabi, verurteilte die Gewalt. Noch vor einem Monat hatte der Ägypter bei einem Besuch in Syrien Hinweise auf "Reformen" gesehen. Auch Jordanien blickt besorgt auf Syrien. Der türkische Premier Tayyip Erdogan, enttäuscht über die bis an die Grenze zur Paranoia beratungsresistente syrische Führung, entsendet seinen Außenminister mit einer letzten Warnung nach Damaskus. Und dann, in der Nacht, sprach der saudische König.

Natürlich geht es Riad nicht um Demokratie. Auch Sympathie mit den Aufständischen darf ausgeschlossen werden. Das Haus Saud hat seit Ausbruch der Revolten Milliarden aufgebracht, um im eigenen Land und in Königreichen wie Jordanien und Marokko den autokratischen Status quo zu erhalten. Dem bedrängten Monarchen im benachbarten Golfkönigreich Bahrain schickte König Abdullah sogar Truppen, um den Aufruhr zu ersticken. Bislang haben die arabischen Aufstände Riad wenig gebracht außer Ärger und Einflussverlust.

In Syrien aber wittert Saudi-Arabien eine Chance. Mehr als fast überall sonst stoßen hier die großen Gegensätze der Region aufeinander, Araber und Perser, trifft sunnitischer auf schiitischen Machtbereich. Das demonstrativ säkulare, mehrheitlich sunnitische Syrien ist bis heute ein ungewöhnlicher, aber treuer Partner des schiitischen Gottesstaates Iran. Gern teilt Iran nun seine Erfahrungen aus der Niederschlagung der eigenen "grünen Revolution" im Jahr 2009 mit Damaskus, schickt Revolutionsgarden, Geheimagenten, Internetüberwachung, wohl auch Inszenierungshilfen für Assad-begeisterte Jubelmärsche.

Für die Aufständischen in Syrien ist Teheran längst so diskreditiert wie die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah, Damaskus' zweiter verbliebener Verbündeter. Deren Ruf als Widerstandsbewegung ist dahin, seit Hisbollah-Kämpfer als Komplizen der Assad-Schergen und Teherans das syrische Volk niederschießen. Auf den Straßen Syriens brennen iranische Flaggen, die Hisbollah ist nicht mehr Vorbild, sondern verhasst.

Bei allen entsetzlichen Prognosen für ein Syrien nach Assad - Zerfall, Bürgerkrieg, jahrelange Agonie, vielleicht ein Flächenbrand - sieht Saudi-Arabien dennoch einen günstigen Moment: Ein Syrien nach Assad, nach der Herrschaft der alawitisch-schiitischen Minderheit, wäre höchstwahrscheinlich sunnitisch geprägt - und damit Riad näher als Teheran. Wie weit aber werden die großen Rivalen gehen? Falls Saudi-Arabien in Syrien die historische Chance sieht, den iranischen Einfluss zurückzudrängen, dem schiitischen Halbmond die Spitze zu nehmen, wie engagiert wird es den Sturz Assads betreiben? Und würde Teheran seinen Vorposten in der arabischen Welt kampflos aufgeben, nachdem mit dem Abzug der Amerikaner aus dem schiitisch dominierten Irak gerade ein weiterer Wunsch Teherans in Erfüllung geht?

Die Herrschaft des Hauses Assad ruhte lange auf einem raffinierten Beziehungsgeflecht, das das überschaubare militärische und wirtschaftliche Gewicht Syriens geopolitisch ins Riesenhafte erweitert hat. Dieser Trick, das lassen die Worte Abdullahs ahnen, könnte sich nun gegen Damaskus wenden.

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