In normalen Zeiten wäre die Ankündigung von Donald Trump, in Saudi-Arabien über einen Friedensplan für die Ukraine zu verhandeln, eine frohe Botschaft für das Herrscherhaus gewesen. Vor allem für den Kronprinzen und De-facto-Herrscher Mohammed bin Salman, der sich seit Jahren bemüht, auf der internationalen Bühne eine große Rolle zu spielen. Die Rolle als offizieller Vermittler wäre die Krönung seiner Bemühungen, die Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi 2018 endgültig vergessen zu machen und dem Königshaus international endlich den Platz zu geben, der ihm gebührt. Auch China und Indien hatten sich immer wieder als Vermittler zwischen Russland und der Ukraine angeboten.
Nach Trumps Ankündigung vom Mittwochabend gibt es bisher aber keinerlei offizielle Reaktion aus der saudischen Hauptstadt Riad. Auch in den lokalen Medien spielt das Thema so gut wie keine Rolle. Womöglich kommt die ihm von Trump zugedachte Vermittlerrolle einfach zu einem schwierigen Zeitpunkt für Mohammed bin Salman. In Gaza gibt es noch keinen Plan, wie das Waffenstillstandsabkommen in die zweite Phase gehen könnte. In Libanon sollten sich die israelischen Truppen bis zum 18. Februar aus dem Süden des Landes zurückziehen, was derzeit fraglich ist. Vor allem aber hat Trump gerade vorgeschlagen, die Palästinenser aus Gaza zu vertreiben, und dort eine Art „Riviera des Nahen Ostens“ zu bauen. Was die ganze arabische Welt in Aufruhr versetzt. Kein guter Zeitpunkt für den Besuch eines US-Präsidenten.
Saudi-Arabien hat zu beiden Kriegsparteien ein gutes Verhältnis
Saudi-Arabien und der Kronprinz sind zwar grundsätzlich an einer Vermittlung im Ukrainekrieg interessiert: Sie haben zu beiden Seiten ein sehr gutes Verhältnis, das Königreich hat bereits einen Ukraine-Gipfel veranstaltet. Präsident Wolodimir Selenskij war seit dem russischen Angriffskrieg mehrfach in Riad und lobte die saudischen Bemühungen, ukrainische Gefangene aus russischer Gefangenschaft freizubekommen. Auch zu Russland ist das Verhältnis der Saudis gut. Dass Putin mit einem Haftbefehl vom Internationalen Strafgerichtshof gesucht wird, ist am Golf kein Problem, das gegen eine Einladung sprechen würde.
Dass sich die Begeisterung in Riad womöglich in Grenzen hält, liegt an der Lage in Gaza – an Trumps Plan, den Küstenstreifen zu räumen, was einer ethnischen Säuberung gleichkommt. Die Idee des US-Präsidenten stellt alle Verbündeten der Vereinigten Staaten in der arabischen Welt vor die große Herausforderung, der eigenen Bevölkerung zu erklären, warum die USA überhaupt noch ein Partner sein sollten.
König Abdullah von Jordanien hat gerade einen demütigenden Besuch in Washington hinter sich gebracht, ohne Trump in dessen Gegenwart öffentlich zu widersprechen. Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi sagte seinen Besuch in Washington lieber gleich ganz ab, solange der Gaza-Plan von Trump nicht vom Tisch ist. Sollte Bin Salman nun auch Trump selbst in Riad empfangen, würde dies bei der saudischen Öffentlichkeit kaum auf Zustimmung stoßen.
Der Konflikt in Gaza ist für die Saudis wichtiger als der Krieg in der Ukraine
Für die meisten Saudis spielt die Palästinafrage die größte Rolle in der Außenpolitik des Königreichs, der Ukrainekrieg ist Nebensache. Umfragen zufolge ist eine große Mehrheit gegen eine Normalisierung der Beziehungen zu Israel, das Lieblingsprojekt von Bin Salman und Trump. Saudi-Arabien bekommt ein Sicherheitsabkommen mit den USA, das es vor allem vor Angriffen Irans schützen soll. Im Gegenzug erkennt es Israel an.
Der Plan ist durch den Terror der Hamas und die fast totale Zerstörung des Gazastreifens sowie der Zehntausenden toten Palästinenser in weite Ferne gerückt. Die saudische Presse hat in den vergangenen Tagen massive Kritik an Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu geübt, der in einem TV-Interview flapsig davon gesprochen hatte, man könne den Palästinenser-Staat doch in Saudi-Arabien errichten, diese hätten ja „eine Menge Land“.
Der staatliche saudische Nachrichtensender Al-Ekhbariya bezeichnete Netanjahu daraufhin als „Zionist und Sohn eines Zionisten …, der den Extremismus in seinen Genen geerbt hat“. Letztlich wissen die Saudis aber auch, dass es Trump war, der den Plan zur Vertreibung der Palästinenser ins Spiel gebracht hatte. Darüber und über die Zukunft von Gaza würden die Saudis auch gerne verhandeln.