Süddeutsche Zeitung

Saudi-Arabien:SPD-Abgeordnete für schärferen Kurs bei Waffenlieferungen

  • Seit Amtsantritt der schwarz-roten Bundesregierung sind Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien im Wert von 254,6 Millionen Euro genehmigt worden.
  • SPD-Politiker kritisieren die Lieferungen. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Mützenich bezweifelt, dass sie vom Koalitionsvertrag gedeckt sind.
  • Die Kritik aus der eigenen Partei richtet sich auch an Außenminister Maas.

Von Daniel Brössler, Berlin

Noch lässt Seine Exzellenz auf sich warten, doch vermutlich nicht mehr lang. Schon bald, so vermuten deutsche Diplomaten, wird Prinz Khalid bin Bandar bin Sultan an seine orientalisch anmutende Arbeitsstätte in der Berliner Tiergartenstraße zurückkehren. Das Büro des saudischen Botschafters ist verweist, seit Kronprinz Mohammed bin Salman al-Saud seinen Vertreter in Deutschland vor fast einem Jahr wegen kritischer Worte des damaligen Außenministers Sigmar Gabriel (SPD) empört nach Riad zurückbeordert hatte. Vergangene Woche war es Gabriels Nachfolger Heiko Maas gelungen, den Ärger mit den Saudis auszuräumen. Dafür hat er sich nun neuen eingehandelt - mit der eigenen SPD-Fraktion.

"Ich verstehe das Bemühen der Bundesregierung, wieder einen besseren Kontakt zu einem wichtigen Land im Nahen Osten aufzubauen. Es gibt aber ein Dilemma", sagte der für Außenpolitik zuständige Vize-Fraktionschef Rolf Mützenich am Freitag der Süddeutschen Zeitung. Das Dilemma ergebe sich aus dem möglichen Preis, den Maas bezahlt hat, um die Saudis zu besänftigen. Man bedaure "zutiefst" Missverständnisse, die es gegeben habe, hatte Maas gesagt. Die ursprünglich geforderte Entschuldigung sei das nicht, hieß es.

Es geht um die sozialdemokratische Handschrift im Koalitionsvertrag

Als solche aber kamen die Worte in Riad offenbar an. "Wir nehmen schon wahr, dass die Saudis das jetzt als Entschuldigung interpretieren. Wenn der Eindruck entsteht, dass damit die berechtigte Kritik von Sigmar Gabriel zurückgenommen werden soll, ist das ein Problem", konstatiert Mützenich. Maas muss daher mit Gegenwind aus der SPD rechnen, womöglich schon bei der Fraktionssitzung am Dienstag.

Brisant ist der Konflikt weniger wegen semantischer Finessen, sondern weil er sich letztlich um die sozialdemokratische Handschrift im Koalitionsvertrag mit der Union dreht. "Wir werden ab sofort keine Ausfuhren an Länder genehmigen, solange diese unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind", steht da.

Der Verdacht: Wieder mehr Waffen für Riad?

Es war eine hart umkämpfte Formulierung, entsprechend misstrauisch werden in der SPD-Fraktion mögliche Anzeichen für eine Aufweichung registriert. Saudi-Arabien spiele eine "wichtige Rolle für Frieden und Stabilität in der Region und in der Welt", lobte Maas vergangene Woche bei einem gemeinsamen Auftritt mit dem saudischen Außenminister Adel al-Dschubeir am Rande der UN-Generalversammlung in New York. Im Auswärtigen Amt will man das nicht als Hinweis auf eine womöglich künftig wohlwollendere Prüfung von Waffenkäufen Saudi-Arabiens verstanden wissen - das Land führt im mörderischen Jemen-Krieg die Koalition gegen die Huthi-Rebellen an. Aber genau dieser Eindruck ist in der SPD-Fraktion entstanden.

Er hoffe nicht, "dass die Erklärung im Auswärtigen Amt so interpretiert wird, dass nun wieder mehr Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien möglich werden", sagt Mützenich. "Es gilt der Koalitionsvertrag. Dies wird quer durch die Fraktion so gesehen und es wäre gut, wenn man das im Auswärtigen Amt ernst nimmt", warnt er.

Nicht gut angekommen sind in der SPD-Fraktion die jüngsten Zahlen zum Rüstungsexport nach Saudi-Arabien. Seit Amtsantritt der schwarz-roten Bundesregierung sind zehn Einzelgenehmigungen für Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien im Wert von 254,6 Millionen Euro erteilt worden, wie aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums an den grünen Bundestagsabgeordneten Omid Nouripour hervorgeht. Laut Koalitionsvertrag erhalten Firmen "Vertrauensschutz, sofern sie nachweisen, dass bereits genehmigte Lieferungen ausschließlich im Empfängerland verbleiben". Gefordert wird in der SPD-Fraktion nun ein härterer Kurs.

Saudi-Arabien: Auch von Kanada verstimmt

Neben den angesichts der Leiden der jemenitschen Zivilbevölkerung sensiblen Rüstungsfragen geht es aber auch um den grundsätzlichen Umgang mit Saudi-Arabien. Das Land ist ein mächtiger Gegenspieler Irans in der Region, weshalb die deutsche Diplomatie ohne funktionierende Drähte nach Riad praktisch außen vor bliebe. Maas verweist gerne darauf, dass Deutschland in den Friedensbemühungen für Syrien wieder eine stärkere Rolle spielt - was gegen saudischen Widerstand unmöglich gewesen wäre.

Andererseits steht die Bundesregierung nun im Verdacht, einem Herrscher nachzugeben, der allergisch auf Kritik reagiert. Nachdem die kanadische Außenministerin Chrystia Freeland die Freilassung saudischer Menschenrechtsaktivistinnen gefordert hatte, rief Riad nicht nur seinen Botschafter zurück, sondern kappte auch Geschäftsbeziehungen und den Flugverkehr.

Mit Solidaritätsbekundungen zu Kanada, zumindest öffentlichen, hielt sich Maas zurück, wiewohl er in dem Land einen bevorzugten Partner in seiner "Allianz der Multilateralisten" sieht. SPD-Fraktionsvize Mützenich hält es für "misslich, dass die Unterstützung für Freeland so vage ausfiel". Offensichtlich habe man "den Annäherungsprozess an Riad nicht gefährden" wollen.

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SZ vom 06.10.2018/swi
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