Saudi-Arabien:Warum das Ölkartell den Hahn zudreht

Saudi-Arabien: Das Öl aus Texas ist nicht genug, die USA sind auf Importe angewiesen.

Das Öl aus Texas ist nicht genug, die USA sind auf Importe angewiesen.

(Foto: Angus Mordant/Reuters)

Der Öl-Verbund Opec plus kündigt unter der Führung Saudi-Arabiens eine überraschende Drosselung der Erdölförderung an.

Von Dunja Ramadan

Und schon wieder kommt aus Saudi-Arabien eine überraschende Nachricht: Die Öl-Allianz "Opec plus" will ihre Produktion drosseln. Das Königreich und andere große Ölproduzenten kündigten am Sonntag Kürzungen von insgesamt bis zu einer Million Barrel pro Tag von Ende Mai bis Ende des Jahres an. Ein Schritt, der die Preise weltweit erhöhen wird. Überraschend kam die Neuigkeit, da der saudische Energieminister Abdulaziz bin Salman noch vor wenigen Wochen zugesichert hatte, das Produktionsziel der Opec plus bis Ende des Jahres konstant zu halten. Nun erklärte das saudische Energieministerium, es handele sich um eine "freiwillige Kürzung". Andere Mitglieder wie die Vereinigten Arabischen Emirate und Algerien folgten dem Beispiel.

Die Ankündigung Saudi-Arabiens ist auch als Affront gegen Washington zu verstehen, denn die Regierung von Joe Biden wertet Ölkürzungen als direkte Unterstützung Russlands im Ukrainekrieg. Die dadurch steigenden Preise bringen Russland mehr Geld ein. Russland ist nicht Mitglied der von Saudi-Arabien dominierten Opec, führt aber die Gruppe von Staaten an, die ihre Fördermenge mit dem Kartell im Rahmen der Opec plus absprechen. Russland teilte mit, die von März bis Juni geplante Produktionskürzung werde bis Ende 2023 ausgedehnt. Ab Juli muss die Welt also mit deutlich weniger Erdöl aus den Kartell-Staaten auskommen.

Das Weiße Haus nannte die Drosselung am Sonntagabend nicht ratsam. Neben der indirekten Unterstützung für Russland hat eine verringerte Förderung auch Auswirkungen auf die USA selbst. Die hohen Erdölpreise führen zu hohen Benzinpreisen, die mitverantwortlich sind für die hohe Inflation im Land. Allein die Produktionskürzungen könnten die US-Benzinpreise um 26 Cent pro Gallone in die Höhe treiben.

Die Ankündigung von Opec plus kommt kurz nach so einigen überraschenden Nachrichten aus dem Königreich: Erst die von China initiierte Annäherung zwischen den beiden rivalisierenden Regionalmächten Saudi-Arabien und Iran Mitte März - und dann noch der Beitritt Riads in die Shanghai Cooperation Organization (SCO) als Dialogpartner vor wenigen Tagen. Jener Verbund, der als Gegengewicht zur Nato wahrgenommen wird und unter anderem aus Russland, China, Iran, Indien, Pakistan sowie vier zentralasiatischen Staaten besteht. Riad könnte in Zukunft auch die Vollmitgliedschaft gewährt werden.

Saudi-Arabien rückt damit außenpolitisch weiter nach Osten. Für China ist das - wenn auch vage formulierte - Versöhnungsabkommen zwischen Iran und Saudi-Arabien ein außenpolitischer Erfolg im Nahen Osten, einer Region, in der die USA zunehmend an Einfluss verliert. Und auch der SCO-Beitritt ist ein klares Signal an Washington: Saudi-Arabien konzentriert sich auf seine eigenen Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen und scheut sich nicht, Washington zu brüskieren.

Peking ist mittlerweile Riads größter Handelspartner mit einem bilateralen Handel im Wert von 87,3 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021. Erst vor wenigen Tagen stärkte Saudi-Arabien mit einem 3,6-Milliarden-Dollar-Deal seine Energiebeziehungen zu China, Riad kaufte zehn Prozent des chinesischen Unternehmens Rongsheng Petrochemical und wird dieses künftig mit 480 000 Barrel Rohöl pro Tag beliefern. Auch ist der gemeinsame Bau eines großen integrierten Raffinerie- und petrochemischen Komplexes im Nordosten Chinas geplant.

All dies macht deutlich: Das Königreich will seine globalen Partnerschaften diversifizieren, anstatt sich auf eine Seite zu schlagen, in einer Welt, in der die Rivalität der USA mit China und Russland zunimmt. "Die traditionelle monogame Beziehung zu den USA ist jetzt vorbei", twittert der saudische Analyst Ali Shihabi, "und wir sind zu einer offeneren Beziehung übergegangen; stark mit den USA, aber ebenso stark mit China, Indien, (dem) Vereinigten Königreich, Frankreich und anderen."

Während das vergangene Jahr für die USA und Europa wegen des Ukrainekriegs voller wirtschaftlicher und politischer Herausforderungen war, ließen die hohen Rohstoffpreise Saudi-Arabiens Jahr zu einem sehr profitablen werden. Für 2022 hat der Ölkonzern Aramco, das mittlerweile wertvollste Unternehmen der Welt, einen Rekordgewinn erzielt. Der Überschuss beträgt rund 161 Milliarden US-Dollar, im Vergleich zum Vorjahr ein Zuwachs von etwa 46 Prozent. Und auch politisch nutzte Saudi-Arabien als größter Erdölexporteur der Welt die Gunst der Stunde für sich. Kaum ein westlicher Regierungschef machte Mohammed bin Salman, dem saudischen Kronprinzen und Premier, nicht seine Aufwartung, in der Hoffnung auf höhere Ölforderungen. Diese Hoffnung ist gerade mal wieder enttäuscht worden.

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