Süddeutsche Zeitung

Saudi-Arabien:Nicht reagieren geht nicht

Wie konnte das passieren? Saudi-Arabien steht im Ruf, eine hoch technisierte Armee zu haben. Der Angriff auf die Ölanlagen des Landes bringt dieses Bild ins Wanken.

Von Dunja Ramadan

Die Angriffe auf zwei saudische Ölanlagen treffen das Königreich mitten ins Herz. In Abqaiq brennt seit Samstag die größte Ölfabrik der Welt, in Khurais das zweitgrößte Ölfeld des Landes. Es ist noch unklar, wer hinter dem Angriff auf Saudi-Arabien steckt. Doch eines ist gewiss: Riad kann es sich nicht leisten, nicht zu reagieren.

Die Attacke trifft das Selbstverständnis der reichen Ölnation schwer. Bilder wie die vom Wochenende haben die Saudis noch nie gesehen. Doch auch im Ausland fragt man sich: Wie kann es sein, dass mehrere Drohnen (zehn sollen es gewesen sein) die größte Ölfabrik Aramcos, des größten Ölkonzerns der Welt, in Brand stecken können? Saudi-Arabien ist in der Region für seine hoch technisierte Armee bekannt. Durch die Angriffe verliert die Armee ihre abschreckende Wirkung. Das ist ein Problem vor allem für Kronprinz Mohammed bin Salman, der zugleich Verteidigungsminister ist.

Die schwarzen Wolken über Abqaiq standen noch am Horizont, als US-Außenminister Mike Pompeo schon verkündete, Iran stecke hinter den Drohnenangriffen, nicht die schiitischen Huthi-Rebellen in Jemen, die die Tat am Samstag gleich für sich reklamiert hatten. Der saudische Kronprinz legte sich zwar nicht fest, wen er verantwortlich macht. Aber dass man die Attacken nicht unbeantwortet lassen kann, machte er schnell deutlich. Im Telefonat mit US-Präsident Donald Trump sagte der Kronprinz, Riad sei "bereit und willig", auf die Anschläge zu reagieren. Die angespannte Lage am Golf könnte diesmal eskalieren.

Bin Salman hat viel zu verlieren. Der geplante Börsengang des staatlichen Ölkonzerns Aramco war bin Salmans Idee. Doch seit Jahren wird er verschoben. Dabei inszeniert sich bin Salman gerne als Mann der Zukunft, als einer, der voranschreitet. Er will Gesellschaft und Wirtschaft öffnen - in einem Tempo, bei dem nicht nur internationalen Beobachtern schwindlig wird.

Der Kronzprinz muss jetzt beweisen, dass er das eigene Land schützen kann

Nach den Anschlägen rückt Aramcos Börsengang erneut in weite Ferne. Die Hälfte der saudischen Ölproduktion musste eingestellt werden; das entspricht rund fünf Millionen Barrel täglich. Der Angriff ist somit auch ein Angriff auf den Kronprinzen selbst. Es ist längst nicht der einzige Rückschlag für ihn. Erst kürzlich musste bin Salman den Rückzug der emiratischen Truppen aus Jemen verkraften. Dort führt Riad einen Stellvertreterkrieg gegen Iran. Saudi-Arabien begründet den Einsatz gegen die Huthi-Rebellen damit, die eigene Sicherheit schützen zu müssen: Dass schiitische Milizen sich an der Grenze zu Saudi-Arabien etablierten und Iran seinen Einfluss in der Region weiter ausbaue, sei nicht hinnehmbar. Bislang blieb es bei verbalen Gefechten zwischen Riad und Teheran.

Doch die Anschläge auf die Ölanlagen bringen den Kronprinzen nun ernsthaft in Bedrängnis. Er muss beweisen, dass er nicht nur Frauen ans Lenkrad lassen, sondern auch, dass er sein Land vor existenzbedrohenden Angriffen schützen kann. Immerhin hatte er das den Saudis versprochen. Schon 2017 hatte bin Salman verkündet, Saudi-Arabien werde im Konflikt mit Iran nicht warten, bis es angegriffen werde, sondern - wenn nötig - vorher selbst zuschlagen.

Die Bilder vom Wochenende lassen befürchten, dass ein solcher Krieg näher rückt.

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SZ vom 16.09.2019
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