Süddeutsche Zeitung

Saudi-Arabien:Ein "abscheuliches Verbrechen"

  • Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman hat in einem Interview die Verantwortung für die Ermordung des regierungskritischen Journalisten Khashoggi übernommen.
  • Allerdings wiederholte er auch die Position des Königshauses, dass dieses mit der Tat selbst oder deren Beauftragung nichts zu tun habe.
  • Die CIA war zu einem anderen Schluss gekommen.
  • Hintergrund der Geschehnisse ist der Konflikt zwischen Saudi-Arabien und Iran.

Von Paul-Anton Krüger

Mohammed bin Salman hat die Welt zu "starkem und entschiedenem Handeln" gegen Iran aufgerufen, um die Islamische Republik vor einer weiteren Eskalation abzuschrecken. Saudi-Arabiens Kronprinz und Thronfolger äußerte sich in einem in der Nacht zum Montag ausgestrahlten Interview mit dem US-Fernsehsender CBS erstmals öffentlich zu den Angriffen auf die saudischen Ölanlagen Mitte September, für die sowohl Riad als auch die USA und wichtige europäische Staaten Iran verantwortlich machen. Der Kronprinz warnte vor "unvorstellbar hohen Ölpreisen, wie wir sie zu unseren Lebzeiten noch nicht gesehen haben", sollte es zu einem Krieg zwischen dem Königreich und Iran kommen. Dies würde "einen Kollaps der globalen Wirtschaft" nach sich ziehen.

Zugleich sagte Mohammed bin Salman, eine "politische und friedliche Lösung ist viel besser als eine militärische". Er befürworte Gespräche zwischen US-Präsident Donald Trump und dem iranischen Präsidenten Hassan Rohani. Vor dem Angriff auf die Ölstabilisierungsanlage Abqaiq und das Ölfeld Khurais hatte es Signale gegeben, dass Saudi-Arabien und die USA daran interessiert sind, die Spannungen mit Iran zu verringern. Während Trump öffentlich das Gespräch mit Rohani suchte, hatten nach Informationen der Süddeutschen Zeitung Emissäre Riads Iran signalisiert, dass man die Wiedereröffnung der Botschaft in Teheran in Erwägung ziehe. Irans Regierungssprecher Ali Rabiei sagte am Montag, Führer anderer Staaten hätten "Botschaften von den Saudis" an den iranischen Präsidenten überbracht.

Im Jemen-Konflikt erklärte sich Mohammed bin Salman offen für "alle Initiativen für eine politische Lösung", nachdem die USA mit den von Iran unterstützten Huthi-Milizen bereits Geheimgespräche geführt hatten. Eine politische Beilegung werde wesentlich einfacher, wenn Iran aufhöre, die Huthis zu unterstützen, sagte Mohammed bin Salman, der unter seinem Vater, König Salman, weitgehend das Tagesgeschäft der saudischen Politik bestimmt.

Die Huthis hatten nach den Angriffen auf die saudischen Ölanlagen vergangene Woche eine Waffenruhe für Jemen verkündet. Saudi-Arabien hatte am Freitag angekündigt, in vier Provinzen ebenfalls die Kampfhandlungen einzustellen. Allerdings meldeten die Huthis dann am Wochenende, sie hätten bei einer grenzüberschreitenden Offensive in der Region Najran Hunderte saudische Soldaten getötet und mehr als 2000 Mann gefangen genommen. Zudem hätten sie eine große Zahl an militärischen Fahrzeugen und Waffen erbeutet. Sollten sich diese Meldungen als zutreffend erweisen, dürfte dies Verhandlungen massiv erschweren.

Die Huthis haben in dem Gebiet immer wieder Angriffe über die Grenze hinweg unternommen und dabei auch saudische Soldaten entführt. In der von ihnen behaupteten Dimension wäre eine solche Attacke aber beispiellos und eine schwere militärische Niederlage für Riad. Die Huthis verbreiteten Videos, die Angriffe auf gepanzerte Fahrzeuge zeigen sowie offenbar gefangen genommene Männer. Während an einigen der Fahrzeugen die Embleme der saudischen Nationalgarde zu erkennen sind, tragen viele der Gefangenen keine Uniformen. Möglicherweise handelte es sich bei ihnen um jemenitische Söldner, die für Saudi-Arabien gekämpft hatten. Weder ließ sich die Authentizität der Videos und Fotos unabhängig verifizieren, noch gab es dazu eine Stellungnahme der saudischen Regierung oder eine Bestätigung von dritter Seite, etwa den USA.

Der Kronprinz bestreitet, persönlich involviert gewesen zu sein

Kurz vor dem Jahrestag der grausamen Ermordung des Kolumnisten und Regierungskritikers Jamal Khashoggi im Generalkonsulat Saudi-Arabiens in Istanbul erklärte Mohammed bin Salman, er übernehme die "volle Verantwortung" dafür, weil die Tat von Mitarbeitern der saudischen Regierung begangen worden sei. Er bestritt aber, persönlich involviert gewesen zu sein. "Wenn es irgendeine Information gibt, die mich belastet, hoffe ich, dass sie öffentlich vorgebracht wird", sagte er. Den Mord bezeichnete er als "abscheuliches Verbrechen". Auf die Frage, ob er angeordnet habe, Khashoggi zu töten, der ihn in seinen Kolumnen kritisiert hatte, antwortete der Kronprinz: "Absolut nicht." Die Tötung Khashoggis sei "ein Fehler" gewesen.

Die Aussagen des Kronprinzen stehen im Widerspruch zur Einschätzung der CIA und auch der UN-Sonderermittlerin Agnès Callamard. Die CIA war in einer Analyse, die den Spitzen des US-Kongresses vorgelegt wurde, mit "mittlerer bis hoher Wahrscheinlichkeit" zu dem Schluss gelangt, dass der Kronprinz "wahrscheinlich seinen Tod angeordnet hat". Es gebe allerdings keinen direkten Beleg für einen Tötungsbefehl. Callamard hatte von "glaubwürdigen Hinweisen" gesprochen, die Ermittlungen gegen hochrangige saudische Regierungsmitarbeiter rechtfertigen würden, den Kronprinzen eingeschlossen.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan kündigte am Montag an, man werde der Wahrheit auf den Grund gehen. In der Washington Post, in der auch Khashoggi publizierte, schrieb Erdoğan, die Killer seien mit Diplomatenpässen gereist und hätten ein diplomatisches Gebäude zum Tatort eines Verbrechens gemacht. "Vielleicht noch gefährlicher ist die Straflosigkeit, die einige der Mörder zu Hause im Königreich zu genießen scheinen", fügte er hinzu.

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SZ vom 01.10.2019/mpu/cat
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