Saudi-Arabien, Iran und Israel:Beziehungsprobleme durch Ex-Feinde

Saudi-Arabien, Iran und Israel: Chinas Außenminister Qin Gang (Mi.), beim Treffen mit Hussein Amirabdollahian (li.), dem Außenminister Irans, und Faisal bin Farhan, Außenminister von Saudi-Arabien.

Chinas Außenminister Qin Gang (Mi.), beim Treffen mit Hussein Amirabdollahian (li.), dem Außenminister Irans, und Faisal bin Farhan, Außenminister von Saudi-Arabien.

(Foto: Ding Lin/dpa)

Die Wiederannäherung der Erzfeinde Iran und Saudi-Arabien verschiebt das Freund-Feind-Schema in der Region. Nun spricht Riad wieder mit der syrischen Regierung und Hamas-Funktionären. Was bedeutet das für den Nahostkonflikt?

Von Peter Münch und Dunja Ramadan, Tel Aviv

Wenn sich zwei Erzfeinde nach Jahrzehnten wieder annähern, dann wird das vertraute Freund-Feind-Schema durchgerüttelt: Auf einmal werden sogar die Freunde des einstigen Gegners als mögliche Partner gehandelt.

Man möchte den vielleicht noch misstrauischen ehemaligen Feind ja nicht vor den Kopf stoßen. Vielmehr ist es Zeit für die ersten Vertrauensbeweise. Also werden gegenseitige Einladungen ausgesprochen. Und so lud Saudi-Arabien Irans Präsidenten Ebrahim Raisi im März ins Königreich ein. Nun revanchiere sich Teheran mit einer Einladung an König Salman, so ein Sprecher des iranischen Außenministeriums. Saudi-Arabien und Iran gehen also überraschend wieder aufeinander zu, nach Vermittlungen durch China.

Erst die Annäherung an Iran, dann ein Besuch in und aus Damaskus

Nun finden plötzlich Treffen statt, die gerade noch undenkbar waren. An diesem Dienstag landete der saudische Außenminister Prinz Faisal bin Farhan in Damaskus - es war der erste Besuch eines saudischen Spitzendiplomaten seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs 2011. Kurz zuvor durfte der syrische Außenminister Faisal Mekdad in der saudischen Hafenstadt Dschidda vorbeischauen - ebenfalls der erste Besuch eines syrischen Ministers seit 2011. Eigentlich unterstützte Saudi-Arabien die syrische Opposition, doch die ist durch das Eingreifen der russischen und iranischen Kräfte stark geschwächt. Nun nähert sich Riad der Regierung von Syriens Präsident Baschar al-Assad an - und kommt damit Teheran entgegen.

Darüber hinaus zeigt sich Riad auch dazu bereit, eine hochrangige palästinensische Hamas-Delegation zu begrüßen. Diese wird eine Umrah, eine kleine Pilgerfahrt in Mekka, verrichten, anschließend seien Gespräche mit saudischen Offiziellen geplant, so arabische Medienberichte. Hamas-Chef Ismail Hanija, dessen Stellvertreter Salih al-Aruri und der Auslandschef der Gruppe, Chalid Maschal, sollen Teil der Delegation sein.

Ein derartiger Besuch wäre der erste seit 2007. Damals übernahm die Hamas mit Gewalt die Macht über den Gazastreifen. Seitdem macht Riad die Hamas dafür verantwortlich, dass alle Versuche gescheitert sind, eine Friedensregelung mit der palästinensischen Fatah im Westjordanland zu erreichen. Außerdem sehen die Saudis die Verbindungen der Hamas mit der Muslimbruderschaft kritisch.

Zu einem Höhepunkt der Zerwürfnisse kam es 2019, als Riad Dutzende Palästinenser und Jordanier wegen "Bedrohung der Stabilität des Königreichs" verhaftete - ihnen wurden Verbindungen zu einer namentlich nicht genannten "terroristischen Organisation" vorgeworfen. Menschenrechtsorganisationen warfen Riad unfaire Massenverfahren und vage Anschuldigungen vor. Beobachter bewerteten die Verfahren als Zugeständnis an Israel und als Zeichen einer schrittweisen Annäherung. Als Hüter der heiligen Stätten im Islam kommt Saudi-Arabien im Konflikt mit Israel eine Schlüsselrolle zu. Doch die Annäherung scheint - auch aufgrund der rechtsnationalen Regierung in Israel - in weite Ferne gerückt zu sein.

Wenn es nach den Hamas-Funktionären geht, sollte stattdessen nun die Frage der palästinensischen Häftlinge in Saudi-Arabien ganz oben auf der Tagesordnung der Gespräche stehen. Grund zur Hoffnung haben sie wohl: Das Königreich hat im vergangenen Februar bereits zwei Palästinenser freigelassen. Damals äußerte der Hamas-Funktionär Issat al-Rischk die Hoffnung, dass dies ein "Auftakt dafür sei, eine neue Seite mit den Brüdern in Saudi-Arabien aufzuschlagen".

Die Neuausrichtung der saudischen Außenpolitik ist ein Affront den USA gegenüber

Die Gespräche sind nicht der erste Versuch, die Beziehungen zwischen Hamas und Riad wiederherzustellen. Bereits im Juli 2015 hatte eine weniger hochrangig besetzte Hamas-Delegation dieses Ziel verfolgt. Vergeblich. Im Lichte der historischen Annäherung von Saudi-Arabien mit Iran wird es nun viel wahrscheinlicher.

Für die USA ist die jüngste Neuausrichtung der saudischen Außenpolitik ein weiterer Affront: erst die Vermittlung des Abkommens durch Peking, jetzt auch noch die Annäherung an Syrien und die Hamas und damit auch eine Abkehr von der gerade noch erhofften Annäherung an Israel.

Und der nächste Affront kündigt sich bereits an: Chinas Regierung bemüht sich ausgerechnet um die Vermittlung im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern. Sein Land sei sehr besorgt über die jüngste Eskalation, erklärte Außenminister Qin Gang Anfang der Woche, deshalb sei man bereit, eine konstruktive Rolle bei der Förderung des Friedens in der Region zu spielen.

Angesichts all dieser dynamischen Entwicklungen zieht es Israels Regierung fürs Erste vor, sich mit Kommentaren zurückzuhalten. Klar ist aber, dass man in Jerusalem von der saudisch-iranischen Annäherung kalt erwischt wurde. Auch die daraus folgenden Entwicklungen bis hin zum Besuch der Hamas-Delegation in Riad geben reichlich Anlass zur Sorge. Vor allem muss Premierminister Benjamin Netanjahu um sein diplomatisches Lieblingsprojekt fürchten: eine Einbeziehung Saudi-Arabiens in die Abraham-Abkommen.

Diese Verträge waren 2020 vom damaligen US-Präsidenten Donald Trump vermittelt worden, in einem ersten Schritt hatten sie zu einer Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und den drei arabischen Staaten Vereinigte Arabische Emirate, Bahrain und Marokko geführt. Ziel war auch, eine gemeinsame Front gegen Iran aufzubauen - und von Anfang an war klar, dass Saudi-Arabien unbedingt dazugehören sollte. Als Netanjahu Ende Dezember wieder ins Premiersamt zurückkehrte, erklärt er dies explizit zu einer Priorität seiner Politik.

Israels Regierung hofft darauf, dass sich Saudis und Iraner bald wieder entfremden

Er hatte Anlass, sich dabei auf einem guten Weg zu wähnen: Zwar hat die Führung in Riad eine Annäherung an Israel offiziell stets an die Bedingung geknüpft, dass erst ein Ausgleich mit den Palästinensern gefunden werden muss. Es gab jedoch eine Reihe positiver Signale. Ende 2020 etwa berichteten die israelischen Medien von einem Geheimtreffen Netanjahus mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Nachdem US-Präsident Joe Biden im vorigen Sommer beide Staaten besuchte, öffneten die Saudis ihren Luftraum auch für israelische Flugzeuge.

Riads Schwenk in Richtung Teheran aber stößt Israel nun vor den Kopf. Netanjahu muss ihn gleich als mehrfachen Schlag verbuchen: Die Blütenträume mit Saudi-Arabien welken, der Erzfeind Iran ist gestärkt, die Hamas gewinnt an Akzeptanz - und obendrein hat auch noch Israels Opposition einen weiteren Angriffspunkt. Oppositionsführer Jair Lapid jedenfalls nennt die saudisch-iranische Annäherungen "einen gefährlichen Fehlschlag der israelischen Außenpolitik".

Nun setzt Israels Regierung darauf, dass sich Saudis und Iraner bald wieder entfremden. Schließlich bleibt die Rivalität zwischen den beiden Staaten in religiösen und strategischen Fragen grundsätzlich bestehen - und die Hinwendung Riads zu Iran und China wird eher als Wink in Richtung Washington verstanden. Als Netanjahu in dieser Woche Besuch bekam vom US-Senator Lindsey Graham, verkündete er unverdrossen: "Wir wollen eine Normalisierung und Frieden mit Saudi-Arabien." Dass in Riad zur selben Zeit die Hamas eintraf, erwähnte er nicht.

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