Saudi-Arabien:Der blutigste Tag

Lesezeit: 2 Min.

Seine Botschaft: Ihr verliert, wenn ihr uns meidet: Kronprinz Mohammed bin Salman. (Foto: SAUDI PRESS AGENCY/Reuters)

In Saudi-Arabien wurden am Samstag 81 Menschen hingerichtet. Das Vorgehen zeigt auch, wie wenig sich Kronprinz Mohammed bin Salman aus internationaler Kritik und alten Bündnissen macht.

Von Dunja Ramadan

Noch am Freitagabend machte eine erfreuliche Botschaft aus Saudi-Arabien die Runde: Der saudi-arabische Menschenrechtsaktivist Raif Badawi kam nach zehn Jahren Haft frei. Ausreisen zu seiner Familie nach Kanada darf der 38-Jährige allerdings nicht. Bereits einen Tag später macht die Golfmonarchie nun wieder Schlagzeilen, diesmal mit einem schrecklichen Rekord: 81 Menschen wurden am Samstag hingerichtet. Damit sind im Jahr 2022 bereits mehr Menschen hingerichtet worden als in den beiden Vorjahren. Die Mehrheit der Verurteilten waren saudische Staatsbürger, allerdings gehörten 41 von ihnen der diskriminierten schiitischen Minderheit im Land an. Auch sieben Jemeniten und ein Syrer wurden am Samstag hingerichtet. Die Gruppierung NAAS, Partei der Nationalversammlung, die aus einer Gruppe von saudischen Aktivisten und Aktivistinnen im Exil gegründet wurde, bezeichneten das Ausmaß der Hinrichtungen als "in der Geschichte der arabischen Halbinsel noch nie dagewesen".

Die Beschuldigten seien wegen unterschiedlicher Verbrechen verurteilt worden, teilte das saudische Innenministerium mit. Dazu zählten Mord an "unschuldigen Männern, Frauen und Kindern", "abweichende Überzeugungen" sowie die Mitgliedschaft bei Terrororganisationen wie dem sogenannten Islamischen Staat, al-Qaida oder den Huthis. Auch wurden einige Hingerichtete beschuldigt, Angehörige der Sicherheitskräfte getötet oder angegriffen zu haben sowie Vergewaltigungen begangen zu haben. Sie wurden auf der Grundlage des umstrittenen Antiterrorgesetzes vor Gericht gestellt.

"Wo liegt heute das Potenzial in der Welt?", fragt Mohammed bin Salman

Im saudischen Staatsfernsehen begründet der Leiter der saudischen Religionspolizei die Notwendigkeit der Hinrichtungen. Während er spricht, werden parallel Bilder von konfiszierten Waffen und Munitionen eingeblendet, von verwüsteten Autos und blutüberströmten Leichen - die Botschaft, die der Sender Al Ekhbariya an diesem Tag ausstrahlen will: Die Hingerichteten hätten Waffen ins Land geschmuggelt und Anschläge auf wichtige wirtschaftliche Ziele in Saudi-Arabien geplant und damit die Sicherheit des gesamten saudischen Volks gefährdet.

Es sei die religiöse Pflicht des "wali al-amr", also des Oberhaupts einer Gemeinschaft, für die Sicherheit der Menschen in der Öffentlichkeit und in den Moscheen zu sorgen, so der Scheich im Fernsehen. Gerade in Saudi-Arabien, dem "Hüter der beiden heiligen Moscheen" in Mekka und Medina, müsse diese Sicherheit gewährleistet sein, sonst herrsche Chaos und Zerstörung, so heißt es von offizieller Seite.

Die Massenhinrichtungen zeigen auch, wie wenig sich der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman mittlerweile aus internationaler Kritik und alten Bündnissen macht. Erst kürzlich wurde seine Vorstellung von zukünftiger internationaler Zusammenarbeit in einem Interview mit dem US-Magazin The Atlantic deutlich. Nur selten äußert sich der Kronprinz öffentlich. Die Botschaft: Ihr verliert, wenn ihr uns meidet. "Wo liegt heute das Potenzial in der Welt?", fragte der 36-Jährige rhetorisch. "Es liegt in Saudi-Arabien. Und wenn Sie es verpassen wollen, glaube ich, dass andere Menschen im Osten sehr glücklich sein werden." Zu China pflegt Saudi-Arabien gute Beziehungen, Riad weiß, dass Washington diese Annäherungen genaustens beobachtet.

Das abgekühlte Verhältnis zu den USA sei dem Kronprinzen "egal"

In dem Interview wurde der umstrittene Kronprinz auch auf das abgekühlte Verhältnis zu den USA unter dem jetzigen Präsidenten Joe Biden angesprochen. Seit der Ermordung des saudischen Publizisten und US-Bürgers Jamal Khashoggi im Konsulat in Istanbul, für den die CIA den Kronprinzen als Auftraggeber verantwortlich macht, ist das Verhältnis zwischen den beiden Staaten schwer erschüttert. Auf die Frage, ob der US-Präsident ihn vielleicht missverstehe, antwortete der De-Facto-Herrscher: "Das ist mir einfach egal." Gleichzeitig warnte er davor, sich in die inneren Angelegenheiten seines Landes einzumischen. "Wir haben nicht das Recht, euch in Amerika zu belehren. Das gilt auch umgekehrt."

Gerade mit Blick auf den russischen Krieg in der Ukraine könnte Saudi-Arabien auch in Zukunft eine größere Rolle spielen - und innenpolitisch damit walten wie bisher. In der kommenden Woche plant etwa der britische Premier Boris Johnson zu Gesprächen nach Saudi-Arabien zu reisen, um Großbritannien aus der Abhängigkeit von Energielieferungen aus Russland zu befreien.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: