Saudi-Arabien gegen den Umsturz:Strippenzieher der Konterrevolution

Die arabische Freiheitsbewegung ist ins Stocken geraten, stattdessen formiert sich die Gegenbewegung - als Drahtzieher gelten die Saudis. Wie das sunnitische Königshaus versucht, die Entwicklung in der Region mit Militär und Milliarden zu beeinflussen.

Janek Schmidt

Die Wunden sind schwerwiegend, nicht nur nach Ansicht von Ärzten, sondern auch von Diplomaten. Es verstärken sich die Hinweise, dass Jemens Präsident Ali Abdullah Salih wegen eines Lungenkollapses in einem saudischen Krankenhaus behandelt wird, zudem soll er bei einem Raketenangriff am vergangenen Freitag auch Verbrennungen an 40 Prozent seines Körpers erlitten haben.

Thousands of Shi'ite protesters shout anti-government slogans at Pearl Square in Manama

Anti-Regierungsproteste in Bahrain: Um den Entwicklungen in den Nachbarländern zu begegnen, vertraut Saudi-Arabien auf seine wichtigste Waffe - Geld.

(Foto: REUTERS)

Damit geraten neben den Dermatologen auch die Regierungsvertreter in Riad in eine entscheidende Position: Sie können dem verwundeten Präsidenten eine Verlängerung seines Krankenhausaufenthalts nahelegen und auf diese Weise beeinflussen, wie sich Jemens Machtkampf in Abwesenheit des Präsidenten entwickelt. Damit vergrößert das saudische Königshaus in einem weiteren Land seinen Einfluss, der inzwischen so groß ist, dass viele Beobachter den Saudis eine neue Rolle zusprechen: als Drahtzieher der Gegenrevolution zum arabischen Frühling.

Den Auftakt zu dieser Konterrevolution machte Riad Mitte März, als es mit den Vereinigten Arabischen Emiraten Soldaten gegen Demonstranten im benachbarten Bahrain einsetzte. Damit verfolgte das sunnitische Königshaus zwei Absichten: So sollten die vornehmlich schiitischen Revolutionäre unterdrückt werden; Saudi-Arabien sieht sie als Vorhut für das schiitische Regime in Iran. Zugleich will Riad ein Übergreifen der Proteste aus Bahrain in das eigene Land verhindern. Bislang hat das Königshaus diese beiden Ziele erreicht, und nun fühlt es sich ermutigt, seine Bemühungen auf weitere Staaten auszuweiten.

Ein zentrales Land ist dabei Ägypten, denn auch dort hat Riad zwei Sorgen. Seit der Machtübernahme des ägyptischen Militärrats am 11. Februar hat sich Kairo an Iran angenähert. Nun versucht Teheran, die seit der iranischen Revolution 1979 eingestellten diplomatischen Beziehungen zu Ägypten auf Botschafterebene wieder aufzunehmen und so sein regionales Gewicht zu erhöhen. Zugleich befürchtet Riad, dass reformorientierte Muslimbrüder bei Ägyptens Parlamentswahl im September an Einfluss gewinnen und somit Islamisten einen neuen Weg weisen könnten: weg von der traditionellen, extremistischen Interpretation des Islam, wie ihn die Wahhabiten-Monarchie in Saudi-Arabien predigt.

Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, vertraut Saudi-Arabien auf seine wichtigste Waffe: Geld. So verkündete Riad Ende Mai, dass es Ägypten vier Milliarden Dollar Finanzhilfe zahle. Zugleich befürchten manche Ägypter, dass Saudi-Arabien auch auf extremistische Kräfte baut. So klagt etwa Ashraf El-Sherif, Professor an der American University in Kairo, dass Riad Salafisten Geld gebe, damit diese die Muslimbrüder in die gewünschte islamistische Richtung drängten. Manche mutmaßen gar, dass Riad die neuerlichen Spannungen zwischen Christen und Muslimen mit Hilfe der Salafisten befeuern würde, um die Revolution zu diskreditieren.

Am stärksten bringt Saudi-Arabien seinen Einfluss jedoch dort ein, wo es für das Land am bedeutendsten ist: vor der eigenen Haustür auf der arabischen Halbinsel. Zwei Monate nachdem saudische Truppen brutal gegen Demonstranten in Bahrain vorgegangen waren, zeigte sich Riad von seiner gutmütigeren Seite. Es erklärte Mitte Mai, dass es einen Hilfsfonds für Bahrain und Oman gründen werde. Mit insgesamt 20 Milliarden Dollar sollen neue Arbeitsplätze, Häuser und Straßen in den beiden Nachbarstaaten finanziert werden.

Vertrauen auf ausländische Truppen

"Diese Unterstützung hilft nicht nur beim Stabilisieren von zwei Ländern, sondern zeigt auch anderen Regierungen, was es für sie zu holen gäbe", sagt David Roberts von der Forschungseinrichtung Royal United Services Institute in Katar. Denn wenige Wochen vor der Verkündung des Hilfsfonds hatte Saudi-Arabien eine überraschende Offensive gestartet: Der Golf-Kooperationsrat (GCC), dem bislang nur sechs Staaten auf der Golf-Halbinsel angehören, sollte erweitert werden um Jordanien und Marokko."Der Deal, den Riad damit anbietet, ist klar", sagt Golf-Experte Roberts. Saudi-Arabien wolle alle sunnitischen Monarchien in einem reaktionären Club vereinen. "Marokko und Jordanien erhalten für ihre Mitgliedschaft viel Geld, aber dafür zieht Riad eine rote Linie: Der demokratische Reformprozess wird zurückgefahren."

Damit könnte der GCC an seinen Ursprung zurückkehren. Denn schon die Gründung des Clubs 1981 war eine Reaktion verunsicherter Golf-Monarchien auf Irans Revolution zwei Jahre zuvor. Nun vermuten Beobachter, dass Saudi-Arabien auch auf die Hilfe professioneller Armeen aus Marokko und Jordanien spekuliert. "Die Herrscher am Golf wissen um die Schwäche ihres Militärs", sagt Roberts.

Seit langer Zeit verlassen sie sich zur Stabilisierung auf ausländische Truppen - erst auf die Ottomanen, später auf die Briten und dann auf die Amerikaner. Doch nachdem Washington den ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak fallenließ, litt auch das Vertrauen der Saudis in die Amerikaner. "Jetzt versucht Riad, die Vorbereitung für jordanische und marokkanische Hilfe zu treffen", sagt Roberts, "falls die beiden Länder dem GCC beitreten, könnten Golfstaaten viel leichter in Rabat oder Amman um Truppenunterstützung beim Unterdrücken von Protesten bitten."

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