Süddeutsche Zeitung

Saudi-Arabien:Enkel an die Macht

  • Der saudische König Salman hat drei Monate nach seiner Ernennung den Machtwechsel in Saudi-Arabien vorangetrieben.
  • Besonders große Auswirkungen hat die Neordnung der Thronfolge. Mit Prinz bin Nayef ist erstmals ein Enkel von Staatsgründer König Abdul Asis bin Saud zum Kronprinz ernannt worden. Ihm folgt nun direkt Salmans Sohn, Prinz Mohammed bin Salman.
  • Die Position des Außenministers wird erstmals nicht mit einem Mitglied der Königsfamilie besetzt, sondern mit einem Diplomaten.
  • Außenpolitisch setzt König Salman damit weiterhin auf eine deutlich aktivere Rolle, wie sich die Wechsel innenpolitisch auswirken, ist noch nicht klar.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Die königliche Order, verlesen in den frühen Morgenstunden im Staatsfernsehen, klingt blumig - doch sie ist ein historischer Einschnitt für Saudi-Arabien. "Wir haben entschieden, auf das Ansinnen Seiner Königlichen Hoheit zu antworten, und Seinem Wunsch entsprochen, Ihn von der Position des Kronprinzen zu entbinden", gab die offizielle Presseagentur das Dekret des Hüters der heiligen Stätten von Mekka und Medina zur Ablösung von Prinz Muqrin wieder.

König Salman hat damit drei Monate nach der Thronbesteigung den Generationswechsel im Hause Saud eingeleitet und seine Nachfolge auf Jahrzehnte vorbestimmt. Zugleich bildete er das Kabinett auf wichtigen Posten um. Über einen solchen Schritt war schon länger spekuliert worden. Dass Salman ihn jetzt vollzog, war dennoch eine Überraschung.

Als großer Gewinner der Umbesetzung gilt Kennern des Königreichs nicht Prinz Mohammed bin Nayef, 55, der zum Kronprinzen und Vizepremier aufrückte und auch das wichtige Amt des Innenministers behält, sondern Königssohn Prinz Mohammed bin Salman. Sein Alter wird mit 30 oder 35 Jahren angegeben; er kann sich als Stellvertreter des Thronfolgers also auf eine jahrzehntelange Regentschaft einstellen - perspektivisch erneut ein großer Machtgewinn für den Verteidigungsminister, auch wenn er nominell das Amt als Chef des Hofes seines Vaters einbüßte. Ihn gleich zum Thronfolger zu machen, wäre wohl zu viel Wagnis gewesen, auch wenn sich der Prinz gerade dank ständiger Fernsehpräsenz großer Beliebtheit erfreut.

Schwelender Machtkampf entschieden

Er ist ebenso wie sein Cousin bin Nayef ein Abkömmling der Sudairi-Sieben. König Salman, 79, ist der letzte dieser Brüder, der noch lebt und nicht von der Thronfolge ausgeschlossen worden ist. Sie stammen alle von Hassa bint Ahmed al-Sudairi ab, die als Lieblingsfrau des Staatsgründers König Abdul Asis bin Saud galt. Salman entschied damit einen länger schwelenden Machtkampf im Hause Saud und stellte den traditionell großen Einfluss seiner Stammlinie wieder her, den sie unter König Abdullah zum Teil eingebüßt hatte. Dieser war im Januar im Alter von 90 Jahren gestorben, nachdem er die Geschicke des Königreichs de facto zwei Jahrzehnte lang bestimmt hatte.

Zugleich entmachtete der König in Muqrin, 69, und dem gesundheitlich schwer angeschlagenen Außenminister Prinz Saud al-Faisal, 75, die wichtigsten verbliebenen Verbündeten seines Vorgängers und annullierte auch dessen Entscheidung über die Thronfolge, ebenfalls ein Novum. Prinz Saud hatte das Amt seit Oktober 1975 inne, Jahre bevor Prinz Mohammed bin Salman zur Welt kam. Er war damit der Außenminister mit der längsten Amtszeit der Welt.

Rolle der beiden Thronfolger gestärkt

Westlichen Diplomaten galt Saud al-Faisal als weltläufiger Intellektueller, der aber eher für eine passive und abwartende Außenpolitik stand. Er wird ersetzt durch den bisherigen Botschafter des Königreichs in den Vereinigten Staaten, Adel al-Jubair, 53, der mit Beginn der von Saudi-Arabien geführten Militäroperation im Nachbarland Jemen als Sprecher seines Landes an die Öffentlichkeit getreten war und in Washington den Beginn der Luftangriffe verkündet hatte. Es ist das erste Mal in der Geschichte der saudischen Monarchie, dass dieses zentrale Amt nicht mit einem Mitglied der Königsfamilie besetzt wird. Eine Machtbasis fehlt Jubair also, was die Rolle der beiden Thronfolger nochmals stärkt.

Sie gelten als treibende Kräfte hinter der deutlich aktiveren und aggressiveren Außenpolitik Riads, die sich in den Angriffen auf die Huthi-Miliz in Jemen manifestiert. Prinz Mohammed bin Salman sieht ebenso wie sein Cousin bin Nayef den Aufstieg des schiitischen Iran als größte Gefahr für das Königreich, das aus seiner Hüterschaft über Mekka und Medina den Anspruch als Führungsmacht des sunnitischen Islam ableitet.

Der neue Innenminister hat beste Kontakte zu den Amerikanern

Ihre Haltung steht in der Tradition der saudischen Regionalpolitik. Sie haben mit der Intervention in Jemen aber nicht nur versucht, den Sturz einer ihnen wohlgesonnen Regierung zu verhindern, sondern zugleich ein unmissverständliches Signal an Teheran gesendet: Sie sind nicht länger bereit, das als zunehmend selbstbewusst und provokativ empfundene Auftreten Irans in der Region hinzunehmen.

Ein Grund ist dafür wohl auch die Lage im eigenen Land: In der östlichen Provinz, in der die wichtigsten Ölvorkommen liegen, leben viele Schiiten, die insgesamt etwa 15 Prozent der saudischen Staatsbürger ausmachen. Sie klagen über Diskriminierung in einem Land, in dem die ultrakonservative wahhabitische Auslegung des sunnitischen Islam Staatsreligion ist, während Riad ihnen zu große Nähe zur Islamischen Republik jenseits des Golfs unterstellt. Auch Proteste der Schiiten in Bahrain lasten sie Iran an. Dazu kommen massive Differenzen über den Irak, Syrien und Libanon. Prinz bin Nayef gilt zudem als wichtiges Bindeglied zu den Amerikanern, nachdem zuletzt Entfremdung die Beziehung zum wichtigsten Verbündeten prägte. Kaum ein Mitglied der Königsfamilie hat bessere Kontakte in den USA.

Auswirkung auf die Innenpolitik noch nicht absehbar

Zeichnet sich außenpolitisch eine Konsolidierung der bisherigen Linie ab, ist wesentlich unklarer, was die Erschütterungen im Palast in Saudi-Arabien selbst bedeuten. Mohammed bin Nayef gilt innenpolitisch als Hardliner, der entschlossen gegen militante Islamisten vorgeht. In gesellschaftspolitischen Fragen wird er den Konservativen zugerechnet. Dass ausgerechnet die bisher höchstrangige Frau in der Regierung, Vize-Erziehungsministerin Nora al-Fayaz, ihr Amt verlor, kann kaum als Zeichen für eine liberalere Linie gelten.

Prinz Mohammed bin Salman wird als praktizierender und tiefgläubiger Muslim beschrieben, was nicht auf alle Abertausende Mitglieder der königlichen Familie zutrifft, die ebenfalls wertkonservativ eingestellt ist. Zugleich hat er sich als Geschäftsmann unter westlichen Gesprächspartnern den Ruf erworben, weltoffen zu sein, das Land wirtschaftlich öffnen zu wollen und eine Vision für die Modernisierung der auf die Ölindustrie fixierten Ökonomie zu besitzen.

Er wird als kluger, aber auch äußerst machtbewusster Stratege beschrieben, der mit der Leitung des wichtigen Komitees für Wirtschaft und Entwicklung von seinem Vater die Mittel in die Hand bekommen hat, seine Vorstellungen umsetzen zu können. Ihm dürften die Probleme der schnell wachsenden jungen Generation des Landes näher liegen als den bisherigen greisen Herrschern.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2458929
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 30.04.2015/sks
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.