Wenn es einen Spruch gibt, auf den hiesige Islamkritiker gerne mal zurückgreifen, dann ist es wohl der: Wenn in Saudi-Arabien Kirchen gebaut werden, dann habe man auch nichts mehr gegen Moscheen in Deutschland. Davon abgesehen, dass sich Autokratien nicht gerade als geeigneter Maßstab für Demokratien eignen, verträgt dieser Satz mittlerweile ein Update. Nun gibt es zwar in Saudi-Arabien noch keine Kirchen, aber immerhin: Im Auftrag des Oberhaupts der koptischen Kirche, Papst Tawadros II., reiste Bischof Markos nach Saudi-Arabien und hielt dort zum ersten Mal christliche Messen ab. Und zwar auch noch zum Weihnachtsfest der orthodoxen Kirchen, also am 6. und 7. Januar.
Diese historische Nachricht schaffte es allerdings erst jetzt in die Schlagzeilen arabischer Medien, Riad kommentiert die Reise bis heute nicht. Vielleicht befürchtete man, dass diese Neuigkeit nicht alle in Saudi-Arabien fröhlich stimmen dürfte? Immerhin waren dort jahrzehntelang religiöse Zeremonien für Nichtmuslime im öffentlichen Raum verboten. Doch in den vergangenen Jahren erlebte Saudi-Arabien eine Modernisierung, zumindest an der Oberfläche: Auf einmal durften Pärchen in dunkle Kinosäle verschwinden, man tanzte zu den Songs leicht bekleideter Megastars und fuhr als Frau auch noch mit dem eigenen Auto vor. Doch wehe dem, der politische Teilnahme fordert oder gar Kritik übt.
Ägypten hat die größte christliche Gemeinschaft der arabischen Welt mit rund zehn Millionen Kopten
Lieber hat es das Königshaus, wenn man Dankbarkeit für all die guten Taten zeigt, die einem im neuen Saudi-Arabien gewährt werden. Das scheint auch die koptische Kirche zu wissen, denn eingeladen wurde sie vom umstrittenen Kronprinzen und Premierminister Mohammed bin Salman höchstpersönlich, bei dem sich die koptische Kirche in diesen Tagen nun überschwänglich bedankt. In der neuesten Ausgabe ihrer Zeitschrift Al-Karaza sind sie voll des Lobes für Saudi-Arabien, das "Schwesterland, das einen Boom in Entwicklung, Fortschritt, Wohlstand und Offenheit" erlebe.
Auch erfuhr man, nach all der Zeit, endlich ein paar Details: Die Messen wurden in der Hauptstadt Riad, in der Hafenstadt Dschidda und im Osten des Landes gehalten - Kopten und Eritreer sollen zahlreich erschienen sein. Ägypten hat die größte christliche Gemeinschaft der arabischen Welt mit rund zehn Millionen Kopten, auch von ihnen sind viele zum Arbeiten in die wohlhabenden Golfstaaten ausgewandert.
Dass die Weihnachtsmesse nun erstmals in Saudi-Arabien stattfinden konnte, geht auf historische Annäherungen im Jahr 2018 zurück. Damals besuchte der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman bei seiner Ägyptenreise die Kathedrale in Kairo. Die Bilder gingen um die arabische Welt. Ein paar Monate später besuchte Papst Tawadros II. dann auch Saudi-Arabien. In einem Interview mit Arab News bezeichnete der koptisch-orthodoxe Geistliche die Auswanderung von Christen aus großen Regionen des Nahen Ostens damals als "unnatürlich", da dort seit jeher Juden, Christen und Muslime zusammengelebt hätten. Damals ließen sich die saudischen Behörden nur auf eine kleine Zeremonie im Privathaus eines koptischen Einwohners ein.