Saudi-Arabien:Bundesregierung empört sich über BND

HRW accuses Saudi-led airstrikes illegally of killing civilians i

Folgen eines Luftschlags: Im Jemen fliegt eine Koalition unter saudischer Führung Luftangriffe.

(Foto: Yahya Arhab/dpa)
  • Ein vom BND veröffentlichtes Papier kritisiert überraschend offen die Regierung Saudi-Arabiens.
  • Die Bundesregierung empörte sich über den Bericht.
  • Bei der Lösung von Konflikten im Nahen Osten könnte der Golfstaat eine zentrale Rolle spielen.

Von Stefan Braun, Berlin und Paul-Anton Krüger, Kairo

Das Kanzleramt weist den BND in die Schranken

War es ein Versehen? Oder Dummheit? Oder Absicht? Eine endgültige Antwort auf diese Fragen gab es am Donnerstag nicht. Klar ist nur, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) am Dienstag wie ein zweiter Arm deutscher Außenpolitik auftrat und zwei Tage später von dem ihm übergeordneten Kanzleramt in seine Schranken gewiesen wurde. Am Dienstag hatte der Dienst unter seinem Präsidenten Gerhard Schindler ein Papier veröffentlicht, in dem er eine ziemlich freimütige, klare Einschätzung der neuen Führung Saudi-Arabiens präsentierte. Das ist für sich schon außergewöhnlich. Die Tonlage aber macht die Sache noch interessanter.

In dem Papier wird eine aggressivere Außenpolitik des Königreichs beklagt und dem Sohn des Königs ein übergroßer, auch gefährlicher Ehrgeiz attestiert. Die "bisherige vorsichtige diplomatische Haltung der älteren Führungsmitglieder der Königsfamilie wird durch eine impulsive Interventionspolitik ersetzt", heißt es darin. Der neue König Salman und sein Sohn Mohammed, der zugleich Verteidigungsminister, stellvertretender Kronprinz und Chef des wichtigsten Planungsgremiums ist, wollten sich damit als Anführer der arabischen Welt profilieren. Die Machtkonzentration bei Salmans Sohn, der erst 30 Jahre alt sein soll, berge die Gefahr, dass er sich "den Unmut anderer Mitglieder des Königshauses und der Bevölkerung auf sich ziehe".

Es ist selten, dass Berlin den BND öffentlich rüffelt

Der Schönheitsfehler an all dem: Die Erkenntnisse sind weder neu noch originell, und schon gar nicht braucht es geheimer nachrichtendienstlicher Methoden, um zu diesen Einschätzungen zu gelangen. Selbst Gerüchte über eine angebliche Palastrevolte, zu der die Brüder des Königs von einflussreichen Prinzen der Enkelgeneration aufgestachelt werden sollten, waren in Zeitungen zu lesen, ohne belastbare Belege freilich. Die Analyse des Bundesnachrichtendienstes kommt allerdings in einer aus Sicht der Bundesregierung hochsensiblen Zeit, in der Riad bei den Anstrengungen um ein Ende des Syrien-Krieges ebenso dringen gebraucht wird wie beim Bemühen, dem Krieg in Jemen ein Ende zu machen.

Die harsche Reaktion der Bundesregierung zeigt, für wie fragil sie die Lage hält

Aus diesem Grund reagierte das Kanzleramt dann auch. Nach heftigen Protesten der Regierung in Riad und des saudischen Botschafters in Berlin sagte ein Regierungssprecher der Süddeutschen Zeitung, die Bewertungen des BND seinen zwar ein wichtiges Element, das in die Einschätzungen der Regierung einfließe. Aber: "Die in diesem Fall öffentlich gemachte Bewertung spiegelt nicht die Haltung der Bundesregierung wider." Vielmehr betrachte man das Königreich als wichtigen Partner in einer von Krisen geschüttelten Region. "Insbesondere auf dem Weg zu einem Frieden in Syrien kommt Saudi-Arabien große Bedeutung zu." Wer bei der Lösung der Probleme der Region vorankommen wolle, "braucht konstruktive Beziehungen" mit Riad.

Nicht weniger zornig hieß es aus dem Auswärtigen Amt, der BND spreche "sicher nicht für die deutsche Außenpolitik, schon gar nicht über Dritte". Derartige Rüffel für den BND sind äußerst selten. Umso mehr zeigt die harsche Maßregelung des Dienstes, wie fragil Berlin die Lage einschätzt. Denn: In den kommenden zehn Tagen stehen wichtige Termine auf den Kalendern internationaler Diplomaten, bei denen Saudi-Arabien eine Schlüsselrolle zukommt.

Saudi Arabien spielt eine wichtige Rolle in einigen internationalen Konflikten

Zum einen versammelt das Königreich Gruppen der bewaffneten Opposition aus Syrien zu einer Konferenz. Sie soll in eine Liste jener Milizen münden, die am angestrebten politischen Übergang in Syrien und künftigen Gesprächen teilnehmen sollen - Voraussetzung, um lokale Waffenstillstände zu erreichen und einen Friedensprozess in Gang zu bringen. Nur so wird sich eine umfassende Koalition gegen die Terrormiliz Islamischer Staat auf die Beine stellen lassen, wie US-Außenminister John Kerry gerade in Belgrad betont hat.

Zum anderen sollen sich in der Schweiz die Kriegsparteien aus Jemen zu Friedensgesprächen zusammensetzen. Ob der international anerkannte Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi sich dabei zu Kompromissen bereit findet, die dem Krieg ein Ende machen, hängt maßgeblich von Riad ab: Die Saudis führen die Militärallianz, die seit März 2015 Tausende Luftangriffe in dem bitterarmen Nachbarland geflogen hat, um Hadis Autorität wiederherzustellen.

Am Krieg in Jemen hängt der BND seine Analyse auf - tatsächlich klagten auch mit dem Thema befasste Diplomaten lange, dass die Saudis sich ungestüm und beratungsresistent zeigten, auch als immer offenkundiger wurde, dass das Bombardement in Jemen zwar große Teile der zivilen Infrastruktur zerstört hat, nicht aber die Huthis in die Knie zwang. Da verlor auch schon mal ein amerikanischer Emissär die Fassung, obwohl Washington den Saudis zunächst freie Bahn gelassen hatte.

Saudi-Arabiens Vertrauen in die Amerikaner ist nachhaltig beschädigt

Die schiitische Miliz aus dem Norden Jemens gilt den Saudis, Vormacht der sunnitischen Araber, als fünfte Kolonne Teherans, der konkurrierenden schiitischen Regionalmacht. Den langen Arm Teherans sehen die Saudis - nicht völlig unberechtigt - auch in Syrien, in Libanon, Bahrain und Irak am Werk, gestärkt noch durch den Atom-Deal mit den Amerikanern. Das Vertrauen zur einstigen Schutzmacht ist ob dieses Abkommens beschädigt - weshalb Riad die Dinge nun selbst in die Hand nimmt und die anderen sunnitischen Staaten am Golf, aber auch die Türkei um sich zu scharen sucht. Allerdings sehen Diplomaten inzwischen auch bei entscheidenden Figuren in Riad die Einsicht wachsen, dass der Krieg in Jemen nicht zu gewinnen sei, Präsident Hadi gilt ihnen mittlerweile als Belastung.

Warum der BND sich nun in dieser Form äußerte, bleibt offiziell offen. Klar ist nur, dass das nicht zum ersten Mal passiert ist. Vor wenigen Monaten veröffentlichte er kurz vor Gesprächen mit der indischen Regierung ein Dossier, in dem er den indischen Premier Narendra Modi scharf kritisierte. Versucht der Dienst, der so oft vor allem scharf kritisiert wird und von der Regierung eine Transparenzoffensive verordnet bekommen hat, sein Image nun über außenpolitische Positionierungen auf zu bessern? Eine Frage, die das Kanzleramt noch beschäftigen wird.

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