Saudi-Arabien:Aktivistin droht die Todesstrafe

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Der ehrgeizige Kronprinz Mohammed bin Salman inszeniert sich gerne als Reformer. (Foto: Fayez Nureldine/AFP)

Die saudische Justiz bezichtigt die schiitische Menschenrechtlerin Israa al-Ghomgham der Aufwiegelung.

Von Dunja Ramadan, München

Der schiitischen Aktivistin Israa al-Ghomgham droht in Saudi-Arabien als erster Aktivistin die Todesstrafe im Zusammenhang mit ihrer Menschenrechtsarbeit. Die Kapitalstrafe forderte laut Menschenrechtsorganisationen die Staatsanwaltschaft, die in Saudi-Arabien direkt dem König unterstellt ist. Im Dezember 2015 wurde al-Ghomgham gemeinsam mit ihrem Ehemann Moussa al-Haschem in ihrem Haus festgenommen. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt die 29-Jährige, an Protesten in al-Qatif in der ölreichen Ostprovinz teilgenommen und zu Demonstrationen aufgestachelt zu haben. Außerdem habe sie Parolen gegen das Regime skandiert und Videos der Proteste in sozialen Medien veröffentlicht. Sarah Leah Whitson, Direktorin bei der Organisation Human Rights Watch, bezeichnete das Vorgehen gegen die Schiitin als "monströs". Al-Ghomgham habe lediglich an friedlichen Protesten und Aktionen teilgenommen.

Die drohende Hinrichtung der jungen Frau birgt politischen Sprengstoff für die Region. Ihr Fall könnte ähnliche Auswirkungen haben wie die Hinrichtung des schiitschen Geistlichen und Oppositionellen Nimr Baqir al-Nimr Anfang 2016. Der Saudi-Araber führte die Proteste der schiitischen Minderheit im sogenannten Arabischen Frühling 2011 an. Die Demonstranten forderten ein Ende der Diskriminierung von Schiiten in dem mehrheitlich sunnitischem Land und die Freilassung politischer Gefangener. Iran, Riads Rivale um die Vormacht in der Region, versteht sich als Schutzmacht der Schiiten - Saudi-Arabien als die der Sunniten. Nach der Hinrichtung von al-Nimr griffen Demonstranten in Teheran die saudische Botschaft an. Irans Oberster Führer schwor dem saudischen Königshaus die "Rache Gottes", Riad brach die Beziehungen zu Teheran ab.

Neben Israa al-Ghomgham sind vier weitere Aktivisten von der Todesstrafe bedroht. Die Staatsanwaltschaft bezieht sich in der Anklage auf das islamische Rechtsprinzip Tazir, das für Delikte gilt, die weder im Koran noch in den mündlichen Überlieferungen des Propheten ("Hadithe") behandelt werden. Dazu zählen etwa Unterschlagung, Sachbeschädigung oder Drogenhandel - oder eben die Teilnahme an Demonstrationen gegen die Regierung, die der Richter nach eigenem Ermessen bestrafen kann. "Aufruf zu Protesten" oder "Aufwiegelung der öffentlichen Meinung" lauten etwa die Vorwürfe, für die auch die Todesstrafe verhängt werden kann. Der nächste Gerichtstermin ist am 28. Oktober. Das Urteil könnte bereits am ersten Verhandlungstag fallen, König Salman müsste es unterzeichnen.

Wegen ähnlicher Fälle steht Riad bereits in der Kritik - etwa dem des Bloggers Raif Badawi

Im farsisprachigen Netz kursieren bereits Aufnahmen einer Hinrichtung, Hunderte Twitternutzer aus Iran teilten ein Video, in dem ein Mann einer vermummten Frau in Saudi-Arabien den Kopf mit einem Dolch abschlägt. Sie behaupten, das Video zeige Israa al-Ghomgham. Doch es handelt sich um eine Falschmeldung, die Aufnahme ist einige Jahre alt. Gleichzeitig zeigt sie deutlich, wie aufgeheizt die Stimmung im Netz ist. Beide Länder gehören zu denen mit den meisten Exekutionen weltweit. Allein im Jahr 2017 sollen in Iran laut Amnesty International mindestens 507 Menschen hingerichtet worden sein, in Saudi-Arabien waren es mehr als 100 Menschen.

Wegen ähnlicher Fälle steht Riad bereits in der Kritik. So kam es in den vergangenen Wochen wegen eines Tweets der kanadischen Außenministerin Chrystia Freeland zur diplomatischen Krise zwischen Kanada und Saudi-Arabien. Freeland drängte die Behörden in Riad dazu, die festgenommene Aktivistin Samar Badawi freizulassen, die Schwester des seit 2012 ebenfalls inhaftierten Bloggers Raif Badawi; dessen Frau und Kinder wurden vor Kurzem kanadische Staatsbürger. Aus Ärger über Freelands Tweet fror Riad die Handelsbeziehungen ein und wies den kanadischen Botschafter aus. Am Montag war die kanadische Außenministerin in Berlin. Freeland verlangte von Deutschland Unterstützung in Menschenrechtsfragen. Die Bundesregierung stellte sich daraufhin allgemein hinter die Menschenrechte und betonte, man spreche diese Themen regelmäßig gegenüber Riad an. Dennoch wolle man das Verhältnis "zweier Drittstaaten" nicht kommentieren, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts.

© SZ vom 28.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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