Sarkozys überteuerter Wahlkampf 2012:Beim Sofa des Präsidenten

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Nicolas Sarkozy während des Wahlkampfs 2012 in Paris

(Foto: AFP)

Eine Präsidentenloge samt weißem Ledersofa und eigens installierter Toilette: Sarkozys Wahlkampfhelfer agierten 2012 nach dem Motto "je teurer, desto besser" - niemand habe sich getraut, Sarkozy zu widersprechen. Doch der will von all dem nichts gewusst haben.

Von Christian Wernicke, Paris

Nur vom Feinsten durfte es sein. So wie am 3. März 2012: 3400 Euro kostete die Präsidentenloge samt weißem Ledersofa und eigens installierter Toilette. Nicolas Sarkozy, der Kandidat für die Wiederwahl zum Präsidenten, sollte ein paar ruhige Minuten genießen können, vor oder nach seinem Auftritt in der Messehalle von Bordeaux. 3400 Euro, das war damals Kleingeld. Zumal im Vergleich zu dem Event sieben Wochen später in Nizza: Da fielen allein 124 444,60 Euro an, um Sarkozy mit gemieteter Videoanlage und Großbildschirmen ins rechte Bild zu rücken. Sarkozys Auftritt vier Tage später vor tausend Anhängern im Theatersaal von Longjumeau verschlang exakt 251 054,21 Euro. Macht 250 Euro pro Zuhörer.

Pomp und Maßlosigkeit von Sarkozys Kampagne waren im Frühjahr 2012 nicht unbemerkt geblieben. "Wir haben uns neidisch gefragt: Wie zum Teufel bezahlen die das alles?", erinnert sich ein Mitarbeiter der sozialistischen Konkurrenz, der für den letztlich siegreichen François Hollande ackerte. Frankreichs Republik nämlich setzt der Materialschlacht seiner politischen Gladiatoren klare Grenzen: Maximal 22,5 Millionen Euro durften 2012 laut Gesetz die Kampagnen jener zwei Männer ausgeben, die am 6. Mai 2012 in die Stichwahl um die Staatsmacht zogen. Inzwischen ist das Geheimnis gelüftet. Sarkozys Kampagne und seine bürgerliche Partei UMP haben 2012 gelogen und betrogen - und die bürgerliche Opposition an den Rand des finanziellen wie politischen Ruins getrieben.

Keiner trat auf die Kostenbremse

"Betrug" und "Fälschung" lauten denn auch die Vorwürfe, denen seit Wochen zwei Untersuchungsrichter in Paris nachgehen. Denn statt erlaubter 22,5 Millionen Euro gaben die Konservativen 33 Millionen, vielleicht sogar 39 Millionen Euro aus. Mithin 18 Millionen mehr, als offiziell in den Finanzbüchern der Kampagne stand. Der bisherige Parteichef Jean-François Copé trat ab, bis zu einem Krisenparteitag im November führt ein Triumvirat der drei früheren Premierminister Alain Juppé, François Fillon und Jean-Pierre Raffarin die hochverschuldete UMP.

Jede Woche enthüllen Frankreichs Journalisten, allen voran die linke Libération und das Internetportal Mediapart, neue Zahlen und Details über das Finanzgebaren der Sarkozy-Kampagne. Und es reden, meist anonym, Zeugen. Unterm Strich weisen die meisten dem Mann ganz oben die Verantwortung für den Skandal zu: Nicolas Sarkozy, der Präsident und Kandidat, habe immer mehr, immer protzigere Großveranstaltungen angeordnet. Und niemand, weder im Stab noch in der Buchhaltung, habe sich getraut, ihm zu widersprechen und auf die Kostenbremse zu treten.

Genau diesen Vorwurf macht sich heute Jérôme Lavrilleux. "Ich hatte nicht den Mut, irgendwann zu sagen: 'Halt, wir fahren gegen die Wand'." Der nun geschasste Parteifunktionär war der Erste, der Anfang Juni die innere Mechanik jenes Systems offenlegte, die Frankreich als "Affäre Bygmalion" kennt.

USB-Stick beweist doppelte Buchführung

"Bygmalion" heißt jene PR-Firma, die 2012 die 44 Großveranstaltungen für Sarkozy inszenierte. Geführt wurde das Unternehmen von zwei Vertrauten Copés, und es verdiente blendend. Dank einer Provision von 25 Prozent gehorchte das Geschäft dem Motto: je teurer, desto besser. Sarkozys Helfershelfer konnten nicht genug kriegen: "Die haben sich benommen, als würde der Élysée-Palast die Rechnung begleichen", sagt einer der angeheuerten PR-Strategen.

Im Mai 2012 jedoch brach der Katzenjammer aus. Die UMP hatte die Wahl verloren, und Sarkozys Buchhalter bilanzierten ihre Kostenexplosion. Sie standen vor dem Offenbarungseid. Doch die wahren Zahlen mussten geheim bleiben, weil die Konservativen sonst ihre Wahlkampf-Kostenerstattung von elf Millionen gefährdet hätten (die ihnen später wegen anderer Mängel dennoch versagt blieb). Lavrilleux, der Kronzeuge, sowie drei hohe UMP-Funktionäre ersannen mit Bygmalion einen Ausweg: Die PR-Firma wurde genötigt, nur einen kleinen Teil der Kosten der Kampagne in Rechnung zu stellen. Für den großen Rest forderte die UMP gefälschte Rechnungen für teils imaginäre Veranstaltungen - und zahlte aus der regulären Parteikasse.

Auf einem USB-Stick fanden die Staatsanwälte eine doppelte Buchführung - für jedes Sarkozy-Event: Der Auftritt in Bordeaux samt Sofa und Klo etwa kostete offiziell nur 100 000 Euro, in Wahrheit mehr als 600 000. Einmal zahlte die Partei gleich alles: 1,87 Millionen Euro für eine Großkundgebung in Paris. Dass die UMP es schafft, die Schuldenlast von Sarkozys Kampagne jemals abzutragen, mag bei der UMP niemand beschwören. Freunde Sarkozys mutmaßen, Ex-Parteichef Copé habe von seinen Bygmalion-Freunden Rückflüsse kassiert und in die eigene Tasche gesteckt. Doch es gibt keine Beweise. Sarkozy jedenfalls will von all den krummen Geschäften nichts gewusst haben. Er sieht die Schuld woanders. "Falls die Firma Bygmalion ein System gefälschter Rechnungen geschaffen hat", so sagte er am Abend im Fernsehen, dann solle die UMP "dagegen Klage erheben". Nicht seine Sache.

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