Süddeutsche Zeitung

Frankreich:Die nächste Haftstrafe für Sarkozy

Der frühere Präsident erhält ein Jahr wegen illegaler Wahlkampffinanzierung. Schon im März war er wegen einer anderen Affäre verurteilt worden. Er bleibt trotz allem einflussreich in seiner konservativen Partei.

Von Nadia Pantel, Paris

Für seine Wiederwahlkampagne 2012 hatte Nicolas Sarkozy sich für einen knappen Slogan entschieden: "la France forte". Das starke Frankreich. Der Spruch brachte ihm nicht den gewünschten Erfolg, nach nur einer Amtszeit wurde der damalige französische Präsident abgewählt. Wie weit Sarkozy damals ging, um im Élysée bleiben zu können, machte noch einmal der Bygmalion-Prozess deutlich, der am Donnerstag in Paris zu Ende ging. Sarkozys Kampagnenteam gab 42,8 Millionen Euro aus. Unter anderem für "Politshows nach amerikanischem Vorbild", wie die Staatsanwaltschaft erklärte. Sarkozys Ruf als Bling-Bling-Präsident kommt nicht von ungefähr. Seine Wahlkampfkosten waren doppelt so hoch wie das gesetzlich festgelegte Maximalbudget von 22,5 Millionen Euro. Der Betrag ist gedeckelt, damit niemand sich einfach kraft großen Geldes den Weg ins Amt walzen kann.

Nun wurde Sarkozy wegen illegaler Wahlkampffinanzierung zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt. In Zusammenarbeit mit der Event-Firma Bygmalion sollen Sarkozys Mitarbeiter ein System falscher Rechnungen eingeführt haben, um die horrenden Wahlkampfkosten zu verschleiern. Sarkozy soll mehrmals über das illegale Vorgehen informiert worden sein. Die Richter gehen davon aus, dass Sarkozy "bewusst" und "mit Absicht" den zugelassenen Rahmen der Ausgaben sprengte. Bleibt seine Berufung erfolglos, wird er die Strafe zu Hause mit Fußfessel absitzen dürfen.

Für Sarkozy ist das Urteil schon der zweite Schuldspruch in diesem Jahr. Bereits im März war er wegen einer Abhöraffäre zu drei Jahren Haft verurteilt worden, davon zwei auf Bewährung. Die Richter kamen zu dem Schluss, dass Sarkozy 2014 versucht hatte, einen Richter zu bestechen, um an Informationen über ein laufendes Verfahren heranzukommen. Anders als in der Abhöraffäre wurde Sarkozy nun aber im Rahmen einer Affäre verurteilt, die in seiner Amtszeit lag. Das nächste Verfahren, in dem Sarkozy sich verantworten muss, wird bereits vorbereitet. Dabei geht es um die Frage, ob Sarkozy sich seinen ersten Wahlkampf 2007 von dem damaligen libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi mitfinanzieren ließ.

In Sarkozys Weltsicht sind all diese Affären ein Zeichen dafür, dass die französische Justiz es auf ihn abgesehen habe und dass aus politischen Motiven gegen ihn intrigiert werde. Auf dieselbe Art ging auch Sarkozys Parteifreund François Fillon in den Angriffsmodus, als wegen der Scheinbeschäftigung seiner Ehefrau Pénélope gegen ihn ermittelt wurde. Die Justiz sei parteiisch, wetterte der Ex-Premierminister Fillon, als seine Präsidentschaftskampagne wegen der "Affäre Pénélope" gegen die Wand fuhr. Im Juni 2020 wurde Fillon zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt.

Das Ende der Unangreifbarkeit

Für Frankreich markieren diese Urteile das Ende einer Ära, in der Spitzenpolitiker sich weitestgehend unangreifbar fühlten. Wie anders die Zustände früher waren, zeigt das Beispiel des Wahlkampfs 1995. Damals traten Jacques Chirac und Edouard Balladur gegeneinander an. Wie 2010 von Le Monde enthüllt wurde, war damals dem Conseil constitutionnel, dem Verfassungsrat, bewusst, dass die Finanzierungen beider Wahlkampfkampagnen Unregelmäßigkeiten zeigten. Der Verfassungsrat ging dieser Affäre jedoch nicht weiter nach.

Auch wenn am Donnerstag die Empörung unter Konservativen groß war und von einer übertrieben harten Strafe für Sarkozy gesprochen wurde, scheint die ganz große Sarkozy-Solidarität nachzulassen. Seit dem ersten Schuldspruch vom März dieses Jahres ist es um Sarkozy spürbar ruhiger geworden. Bis zu seiner Verurteilung in der Abhöraffäre hatten sich viele seiner Parteifreunde bei den Républicains gewünscht, "Sarko" möge in die aktive Politik zurückkehren und für sie vielleicht sogar 2022 die Präsidentschaftswahl gewinnen. Von diesen Hoffnungen war vor dem zweiten Prozess, der jetzt zu Ende ging, nichts mehr zu hören.

Einflussreich bleibt der nun doppelt verurteilte Ex-Präsident dennoch. Das politische Personal der Ära Sarkozy dominiert bis heute das konservative Lager. Aktuell kämpfen sowohl Valérie Pécresse als auch Xavier Bertrand darum, von den Républicains als Präsidentschaftskandidaten aufgestellt zu werden. Pécresse war unter Sarkozy Hochschulministerin, Bertrand war Minister für Arbeit und Soziales. Auch in Macrons Regierung findet sich ein enger Sarkozy-Vertrauter: Innenminister Gérald Darmanin gilt als sein Zögling. Ähnlich wie damals Sarkozy setzt Darmanin auf eine Politik, die Aufregung und Schlagzeilen generiert. Beide gefallen sich in der Rolle des hart durchgreifenden Sheriffs.

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