Sarkozy im Wahlkampf:Buhlen um rechtsextreme Wähler

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Die Trendwende in den Umfragen hat Nicolas Sarkozy geschafft, jetzt bezirzt Frankreichs Präsident die Anhänger des rechtsextremen Front National und der Zentrums-Partei. Seine Versprechen: Mehr Abschiebungen und weniger Halal-Fleisch in Schulkantinen.

Stefan Ulrich, Paris

Von wegen Osterfrieden: In Frankreich hat am Montag offiziell der Wahlkampf begonnen. Das mag überraschen. Denn gefühlt widmet sich das Land seit mindestens einem Jahr der Präsidentschaftskampagne. Nun wird noch mal zugelegt. Die zehn Kandidaten dürfen jetzt Städte und Dörfer mit Plakaten fluten sowie Spots im Fernsehen und Radio ausstrahlen. Zugleich tritt das Prinzip strikter Gleichbehandlung in Kraft.

Wahlkampf in Radlerhose: Nicolas Sarkozy will unbedingt französischer Präsident bleiben. (Foto: AFP)

Die Sender müssen allen Bewerbern nicht nur - wie schon seit Wochen - genauso viel Zeit einräumen, sondern auch einen gleichwertigen Sendeplatz, zum Beispiel in den Hauptnachrichten. Die Zeiten, da Präsident Nicolas Sarkozy und sein Herausforderer François Hollande die Primetime beherrschten, sind vorbei.

Sarkozy und Hollande versuchen daher, mit Großveranstaltungen ihre Lufthoheit zu verteidigen. Diese Taktik soll am kommenden Wochenende bei einem Duell der Massen in Paris triumphieren. Der Konservative Sarkozy lädt auf die Place de la Concorde, auf der einst Ludwig XVI. und Marie-Antoinette guillotiniert wurden. Der Sozialist Hollande bittet auf die Esplanade des Schlosses von Vincennes, in dem früher die Könige residierten. Wer an diesen historischen Orten mehr Franzosen auf die Beine bringt, wird einen Punkt im Wahlkampf machen.

Trotz aller Anstrengungen der Kandidaten hält sich die Begeisterung der Franzosen jedoch knapp zwei Wochen vor dem ersten Wahlgang in Grenzen. Viele Bürger finden die Bilanz des Präsidenten enttäuschend. Sie glauben aber nicht, dass es Hollande besser machen würde. Vor allem junge, arme und schlecht ausgebildete Franzosen tendieren daher dazu, sich dieser Wahl mitten in den Frühjahrsferien zu verweigern. Die Abstinenz könnte einen Rekordwert erreichen. Davon dürften radikale Kandidaten wie die Rechtsextreme Marine Le Pen profitieren.

Sarkozy hat es in den vergangenen Wochen immerhin geschafft, den Trend gegen sich zu drehen. Galt er noch Anfang März als hoffnungslos hinter Hollande abgeschlagen, so prognostizieren die Meinungsforscher nun einen Erfolg des Präsidenten im ersten Wahlgang. Sarkozy hofft, so gestärkt auch im zweiten Wahlgang zu siegen. Dazu müsste er aber noch die meisten Wähler Le Pens sowie des Zentrums-Kandidaten François Bayrou gewinnen. Die Operation Verführung ist bereits in beiden Richtungen im Gang.

Seit den Attentaten des muslimischen Franzosen Mohamed Merah im Raum Toulouse hat der Präsident die Themen Sicherheit, Einwanderung und Islamismus ins Zentrum seiner Kampagne gerückt. Er verspricht, die Zahl der legal ins Land kommenden Migranten von derzeit 190.000 auf künftig 100.000 pro Jahr zu senken. Er will Abschiebungen erleichtern und garantieren, dass es keine für Männer und Frauen getrennten Badezeiten in Schwimmbädern und kein Halal-Fleisch in Schulkantinen gibt.

Das gefällt den rechtsnationalen Wählern und insbesondere den Anhängern des Front National. Diese hat Sarkozy auch vor Augen, wenn er ein Einfrieren der französischen Beiträge zum EU-Haushalt ankündigt, das Schengen-Abkommen in Frage stellt und sagt: "Ein Land ohne Grenzen ist ein Land ohne Identität."

An den Ostertagen appellierte Sarkozy mehrfach an die Anhänger Marine Le Pens, doch besser für ihn zu stimmen. "Ich verstehe Eure Leiden", sagte er im normannischen Caen. Jede Stimme für den Front National nutze jedoch in Wahrheit der Linken, weil sie ihm, Sarkozy, fehle. Dem Journal du Dimanche sagte er: "Wer für Marine Le Pen votiert, der verstärkt nur seine Leiden." Doch auch die Anhänger des europafreundlichen, eine solide Budgetpolitik fordernden Bayrou werden bezirzt. Vertraute des Präsidenten stellen Bayrou in Aussicht, er könne Regierungschef werden, falls Sarkozy die Wahl gewinne. Sarkozy bekräftigt das indirekt, wenn er versichert, Präsident und Premier müssten nicht derselben Partei angehören.

Außerdem präsentiert sich Sarkozy den Zentrums-Wählern als ein Mann, der sich - anders als Hollande - aufs Sparen verstehe. In einem Brief "an das französische Volk", den er vor Ostern zustellte, bekräftigt er sein Versprechen, eine Schuldenbremse in die Verfassung zu schreiben und 2016 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Um dieses Ziel zu erreichen, fehlen ihm für die kommenden vier Jahre noch 124,5 Milliarden Euro. Sarkozy will diese ausgleichen, indem er - anders als Hollande - in erster Linie spart und nur in zweiter Linie die Steuern erhöht.

So sollen die Ausgaben der Kassen für Krankenhäuser und Medikamente deutlich sinken. Zudem möchte Sarkozy Regionen, Departements und Städte zwingen, nur jeden zweiten Beamten, der in Pension geht, zu ersetzen. Die Haushaltssanierung habe für ihn "absolute Priorität", damit Frankreich wieder Herr seines Schicksals werde. Die Sozialisten wollten dagegen "Festspiele neuer Staatsausgaben" veranstalten.

Es ist die Angst vor einer angeblichen roten Gefahr, die Sarkozy da schürt. Er mahnt die moderaten Wähler, ein Präsident Hollande würde unter den Einfluss der radikalen Linken geraten. "Wollt Ihr die Linke?", fragte der Präsident in Caen. "Dann werdet Ihr Griechenland, dann werdet Ihr Spanien bekommen." Die Wähler sollten sich doch bitte ansehen, was aus Spanien nach sieben Jahren einer sozialistischen Regierung geworden sei. Die böse Bilanz der vorgeblich rechtsliberalen Regierung Berlusconi in Italien erwähnte er dagegen lieber nicht.

Der Angriff an allen Fronten beginnt sich auszuzahlen. Zwar liegt Hollande in den Umfragen für den zweiten Wahlgang nach wie vor in Front, aber sein Vorsprung schrumpft. Gewiss, die Franzosen sind ihres Präsidenten überdrüssig. Zugleich lassen sie sich von der Energie beeindrucken, die Sarkozy ausstrahlt. Dieser verspricht seinen Anhängern, nun zwei Wochen lang Gas zu geben. "Danach werden wir beschleunigen."

© SZ vom 10.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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