Sarko und Ségo:Ab durch die Mitte

Frankreich vor dem harten Zweikampf: Wie das Land auf den Einzug Sarkozys und Royals in die zweite Runde reagiert, mit welchen Strategien die Kontrahenten um die Gunst der Wähler buhlen - und was in der Stichwahl letztendlich den Ausschlag geben wird.

Johannes Honsell, Paris

Am Morgen nach der Wahl ist es schon wieder Zeit für Meinungsumfragen. Am Pariser Bahnhof Montparnasse will ein Fernsehteam von einem Trupp kleiner Jungs wissen, wer der Gewinner der Stichwahl sein wird.

Sarkozy oder Royal? - "Sarkozy!", brüllen die Knirpse unisono. "Warum?", fragt die Journalistin. "Weil er der Stärkste ist!", antwortet der Chor. Nur einer piepst kleinlaut: "Also ich zöger' noch."

Damit geben die Kleinen in etwa die Tendenzen der Umfragen wieder, die für den zweiten Wahlgang Nicolas Sarkozy vor Ségolène Royal sehen. Doch zuviel ist noch ungewiss, als dass sich bereits sicher sagen ließe, wer am 6. Mai zum Präsidenten der Republik gewählt wird. "Es ist noch nichts erreicht", gab sich auch Favorit Sarkozy am Wahlabend zurückhaltend.

Die Zeitungen blasen in der Früh erstmal zum letzten Gefecht, "Der Ausgang ist offen", titelt Le Parisien, einen "königlichen Kampf" prognostiziert Libération, und Le Figaro erwartet ein "Duell auf dem Gipfel".

Neben dem allenthalben zu vernehmenden Lob für die hohe Wahlbeteiligung - 84,6 Prozent - stellen sich die Kommentatoren vor allem eine Frage: Für wen werden sich Bayrous Wähler aussprechen? Der Zentrist hat knapp 19 Prozent der Stimmen erhalten, seine Wählerschaft wird für die Stichwahl den Ausschlag geben.

"Es ist das Paradox dieses Wahlkampfes: Damit die Debatte im Zentrum geführt wird, durfte das Zentrum nicht im zweiten Wahlgang vertreten sein", schreibt Jean-Marie Colombani, Chefredakteur der gemäßigt linken Tageszeitung Le Monde.

"Endlich gibt es ein starkes, unabhängiges Zentrum"

Bayrou selbst lässt sich am Wahlabend nichts entlocken, sondern gibt sich kämpferisch: "Endlich gibt es ein starkes, unabhängiges Zentrum in Frankreich. Ich gehe keinen Schritt mehr zurück."

Er will am Mittwoch eine Pressekonferenz geben. Jean-Marie Cavada, Europaabgeordneter von Bayrous Partei UDF, schloss im Frühstücksfernsehen des öffentlich-rechtlichen Senders France 2 nicht aus, dass seine Partei eine Wahlempfehlung abgeben werde - ansonsten hielt er sich aber bedeckt.

Für Bayrou wird es vor allem darum gehen, seiner Partei mit dem Schwung seines guten Wahlergebnisses das politische Überleben zu sichern - und ihr Auseinanderbrechen zu verhindern. Viele von Bayrous Wählern, die von der Linken und der Rechten zu ihm gewechselt sind, könnten für die Parlamentswahlen im Juni in ihr politisches "Heimatlager" zurückkehren.

Innerhalb der kleinen UDF-Fraktion im französischen Parlament fürchten deshalb viele Abgeordnete um ihre politische Existenz. Wie Zeitungen am Sonntag berichteten, suchen zahlreiche UDF-Parlamentarier bereits Kontakt zu Sarkozys Partei UMP, die auf lokaler, kommunaler und nationaler Ebene der traditionelle Bündnispartner der UDF ist.

Schon am Wahlabend riefen sieben UDF-Abgeordnete dazu auf, am 6. Mai für Sarkozy zu stimmen. Der Europaabgeordnete Cavada geht davon aus, dass Bayrou schon bald eine neue Bewegung gründen wird, um den Schwung seines Wahlergebnisses in die Parlamentswahlen im Juni hinüberzuretten und der Spaltung seiner Partei zuvorzukommen.

Intensives Werben

Sarkozy und Royal machen derweil den Zentrumswählern deutliche Avancen. Sarkozy versprach in seiner Rede am Wahlabend, sich um die Ärmsten Frankreichs zu kümmern und legte damit den Schwerpunkt auf das Soziale, das viele Bayrou-Anhänger bei ihm vermissten.

Sozialminister Jean-Louis Borloo (UMP) hält es für "notwendig und unerlässlich", dass Mitglieder der UDF "massiv in der Regierung vertreten" sein werden, sollte Sarkozy gewinnen.

Royal ließ ihre Anhänger vor dem Pariser Wahlkampfquartier um ein Uhr nachts wissen, sie gehöre fortan nicht mehr nur der Sozialistischen Partei, sondern auch den Menschen jenseits davon.

"Auffällig war, dass Royal in ihrer ersten Rede nach der Wahl nicht ein einziges Mal das Wort 'gauche - links' verwendet hat", sagt Jean-Claude Casanova, Präsident der Stiftung Sciences Po.

Für den Wahlkampf in den kommenden Wochen werden beide Kontrahenten einen Spagat schaffen müssen. Sarkozy wird darauf zu achten haben, die Wählerschaft Le Pens nicht durch allzu gemäßigte Töne zu vergraulen, ohne zugleich im Zentrum durch rechte Rhetorik Stimmen einzubüßen. Royal muss ihrerseits das Zentrum umgarnen, ohne sich zu weit von ihrem linken Wählerpotential zu entfernen, das fast alle kommunistischen Splitterkandidaten mit einschließt.

Zu erwarten ist außerdem ein hartes Duell der beiden Kandidaten gegeneinander. Die Linke werde die Bilanz Sarkozys als Innen- und Finanzminister angreifen, die Rechte den Wert der Arbeit herausstellen und das französische Sozialhilfesystem attackieren, prognostiziert die Zeitung Libération.

Aber wer auch immer Präsident wird, das letzte Wort wird bei den Parlamentswahlen gesprochen, wo festgelegt wird, welche Unterstützung der oder die Kandidatin fortan für seine Politik hat. Es ist also noch Zeit für viele Meinungsumfragen.

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