Sambia:Das Ende vom Kriegsende

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Burundian refugees wait at the shores of Lake Tanganyika in Kagunga village in Kigoma region, western Tanzania, as MV Liemba arrives to transport them to Kigoma township

Relikt aus der Zeit des Ersten Weltkrieges: Das Schiff MV Liemba auf dem Tanganyika-See hieß früher mal Graf Goetzen.

(Foto: Reuters/Stringer)

Der Erste Weltkrieg endete eigentlich in Sambia. Das afrikanische Land will diese Kuriosität nun touristisch verwerten - und bringt die deutsche Diplomatie in Nöte.

Von Bernd Dörries

Aus europäischer Sicht endete der Erste Weltkrieg in einem Eisenbahnwagon im Wald von Compiègne, wo Reichsminister Matthias Erzberger am 11. November 1918 für Deutschland den Waffenstillstand unterzeichnete. Aus afrikanischer Sicht endete der Krieg erst zwei Wochen später, an einem Kreisverkehr im Norden Sambias. Dort akzeptierte Paul von Lettow-Vorbeck, Oberbefehlshaber der Truppen in Deutsch-Ostafrika, am 25.11.1918 den Waffenstillstand, der den Krieg endgültig beendete.

Der General hatte von der Kapitulation in Europa nichts mitbekommen und tagelang weitergekämpft, bis seine Truppen am 13.11. von den Briten die Neuigkeiten erfuhren, sie aber erst für eine Finte hielten. Er weigerte sich tagelang, einen Krieg zu beenden, in dem es in Ostafrika nur darum ging, die alliierten Truppen zu beschäftigen und von Europa fernzuhalten. Es gab weitere sinnlose Tote in einem an sinnlosen Toten nicht gerade armen Krieg.

Während das Kriegsende in Europa alles änderte, änderte sich in Afrika erst mal gar nicht so viel. Die deutschen Kolonialherren gingen, die anderen Kolonialherren teilten sich ihren Besitz auf, ein Unterdrücker löste den anderen ab. Das Ende des großen Krieges wurde schnell vergessen, weil andere Kriege folgten, an die Unterzeichnung des Waffenstillstandes erinnerte nur ein kleiner Steinklotz in einem Kreisverkehr von Mbala, einer Kleinstadt im Norden des früheren Nordrhodesiens, das heute Sambia ist. Eine kleine Tafel erinnert daran, was damals passierte, daneben steht das riesige Schild eines Supermarktes, der für Trockenfisch wirbt. Vergessener könnte Geschichte nicht sein.

Das soll sich nach den Wünschen der sambischen Regierung jetzt ändern, die den Ort, an dem der Erste Weltkrieg wirklich zu Ende ging, touristisch vermarkten möchte. Im Vorfeld des 100. Jahrestages soll es eine fünftägige Tourismusmesse geben, die Regierung denkt an Reisende, die gerne Wasserfälle und Flughunde mit den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges verbinden möchten. Um für das Konzept ein bisschen Werbung zu machen, hatte man auch deutsche Regierungsvertreter eingeladen, was in Berlin aber auf Skepsis stieß.

"Aus unserer Sicht sollte der Fokus natürlich auf dem Gedenken liegen", sagt Achim Burkart, der Deutsche Botschafter in Lusaka. "Gleichzeitig muss man sehen, dass der Nordosten Sambias wirtschaftlich noch nicht so weit entwickelt ist, deshalb versucht die Regierung jetzt, den Scheinwerfer mal dorthin zu lenken, die Welt schaut ja nicht so oft auf Sambia. Und dass dort der Erste Weltkrieg wirklich zu Ende gegangen ist, das ist ja schon etwas Besonderes."

Der Botschafter wird am Jahrestag eine kleine Rede halten und dem örtlichen Museum einige Gedenktafeln stiften, die das Wirken der deutschen Truppen unter

Lettow-Vorbeck historisch einordnen. Der General wird in Sambia vielleicht nicht unbedingt verehrt, aber von manchen doch als einer gesehen, der den britischen Kolonialisten das Leben schwer gemacht hat, bevor er kapitulieren musste. Zum Jahrestag soll es eine kleine Parade geben, zum Gedenken an die "gefallenen Helden", wie es auf der Einladung heißt. Daneben sind Fotos zu sehen, von einheimischen Soldaten, die von Deutschen wie von Briten zwangsrekrutiert wurden, aber auch eines von Lettow-Vorbeck in heldenhafter Pose.

In Deutschland wurde Lettow-Vorbeck nach dem Krieg lange als im Felde ungeschlagener "Löwe von Afrika" verehrt, als eine Art Gentleman-Krieger, der seine treuen Askaris nicht im Stich ließ. Es dauerte viele Jahre, bis sich die Einsicht durchsetzte, dass er letztlich ein recht gewöhnlicher Rassist war, der an schlimmsten Verbrechen beteiligt war. Damit diese Sicht nicht zu kurz kommt, hat Deutschland extra den Militärhistoriker Michael Epkenhans nach Sambia geschickt, der das Gedenken wissenschaftlich begleiten soll.

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