Süddeutsche Zeitung

Saudi-Arabien:USA: Bin Salman hat Khashoggi-Operation in Istanbul genehmigt

Der Journalist wurde 2018 von einem Spezialkommando getötet. Laut US-Geheimdiensten hat der saudi-arabische Kronprinz den Mord wohl persönlich angeordnet. Die USA verhängen Sanktionen gegen Dutzende Bürger und eine Eliteeinheit des Landes.

Von Paul-Anton Krüger

Höflichkeitsfloskeln und die gegenseitige Versicherung über die Bedeutung der bilateralen Beziehungen gehören zu jedem Antrittstelefonat des US-Präsidenten mit Verbündeten. So war es auch im Gespräch zwischen Joe Biden und König Salman von Saudi-Arabien. Das Weiße Haus zumindest erklärte, der Präsident habe über die "langwährende Partnerschaft" mit dem Königreich gesprochen und deren "historische Natur" bekräftigt.

Die diplomatische Bombe in dem Statement ist in dem Satz verpackt, Biden habe betont, welche "Bedeutung die USA in die universellen Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit setzen". Zwar lobte der Präsident, dass die Frauenrechtsaktivistin Loujain al-Hathloul aus der Haft entlassen wurde. Der Anruf hatte aber auch den Zweck, den greisen Monarchen zu informieren, dass Geheimdienstdirektorin Avril Haines eine Einschätzung veröffentlichen werde zur Verantwortung von Kronprinz Mohammed bin Salman für die Ermordung des Publizisten Jamal Khashoggi im Oktober 2018.

Biden will die Beziehungen zu Saudi-Arabien neu ausrichten. "Wir werden sie für Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung ziehen", sagte er dem US-Fernsehsender Univision am Freitag in einem Interview. Darüber habe er bereits mit dem saudischen König Salman gesprochen. "Ich habe ihm klar gemacht, dass die Regeln sich ändern." Die neue US-Regierung werde am Montag "wesentliche Änderungen" bekanntgeben. "Es ist skandalös, was passiert ist", sagte Biden.

Nach der Veröffentlichung wurden Einreisebeschränkungen gegen 76 Bürger Saudi-Arabiens verhängt. Von ihnen werde angenommen, "dass sie an der Bedrohung von Dissidenten im Ausland" wie Khashoggi beteiligt gewesen seien, teilte US-Außenminister Antony Blinken am Freitag mit. Auch das Finanzministerium verhängte gegen einen ehemaligen Berater des Kronprinzen und eine Eliteeinheit des Königshauses Sanktionen.

Bidens Vorgänger Donald Trump hatte die Erkenntnisse, die im Wesentlichen von der CIA stammen, ungeachtet gegenteiliger Forderungen aus dem US-Kongress unter Verschluss gehalten.

Laut dem Geheimdienstbericht hat der meist nur MbS genannte Kronprinz die Ermordung Khashoggis gebilligt und wohl persönlich angeordnet. Gestützt auf abgehörte Telefongespräche des Killerteams im saudischen Konsulat in Istanbul, die Beteiligung von Personen aus dem engsten Umfeld des Prinzen und die Befehlsstrukturen in der absoluten Monarchie war die CIA bereits 2018 mit einem hohen Grad an Belastbarkeit zu diesem Schluss gelangt; die Kernpunkte sickerten bereits damals durch.

Wie aus dem vierseitigen Dokument weiter hervorgeht, urteilt die CIA, der Kronprinz habe generell ein gewaltsames Vorgehen unterstützt, um Dissidenten im Ausland mundtot zu machen. Dem 15-köpfigen Killerkommando hätten sieben Mitglieder der persönlichen Leibwache des Thronfolgers angehört. Sie hätten ohne Billigung des Prinzen nicht an der Operation teilgenommen.

Saudi-Arabien wies den Bericht als "falsch" und "inakzeptabel" zurück. Er enthalte "fehlerhafte Informationen und Schlussfolgerungen" zur saudischen Führung, teilte das Außenministerium in Riad über Twitter mit.

Bidens Sprecherin will Sanktionen gegen den Kronprinzen nicht ausschließen

Biden hatte als Kandidat auch davon gesprochen, er werde die Saudis "tatsächlich zu dem Paria machen, der sie sind" und sicherstellen, dass sie "den Preis bezahlen" für den Mord an Khashoggi. Welchen er als Präsident nun festsetzen will, ließ seine Sprecherin Jen Psaki offen. Es gebe eine Reihe von Optionen, sagte sie, und schloss Sanktionen nicht aus gegen den nominell zweitmächtigsten Mann in Riad - den viele für den wahren Machthaber halten.

Eine Veröffentlichung der Geheimdiensterkenntnisse dürfte ihn auf absehbare Zeit weiter zur persona non grata machen auf der internationalen Bühne - ob es sich auf seine Rolle im Königreich auswirkt, ist zumindest offen. Prinz Mohammed, 35, betreibt dort den Umbau der Wirtschaft, kontrolliert den Staatsfonds PIF.

Bereits angeordnet hat Biden, die Waffenlieferungen an das Königreich zu stoppen und die Unterstützung für offensive Militäroperationen in Jemen einzustellen; auch diesen Schritt hatte der Kongress überparteilich gefordert. Allerdings haben die von Iran unterstützten Huthi-Milizen Anfang Februar eine Großoffensive auf die Provinz Marib gestartet - was die USA verurteilt haben, Kritiker aber auch auf den Kurswechsel in Washington zurückführen.

Zudem hat Biden eine Neukalibrierung der Beziehungen zu Riad angekündigt. Diese äußert sich schon im Zeitpunkt des Telefonats. Während Trump das Königreich zum Ziel seiner ersten Auslandsreise machte, sprach Biden mit dem König am selben Tag, an dem er auch Kenias Präsidenten anrief. Während Mohammed bin Salman unter Trump über dessen Schwiegersohn und Nahostberater Jared Kushner direkten Zugang zum Weißen Haus hatte, redet Biden direkt nur mit dem König, nicht mit MbS. Für den Kronprinzen sei Verteidigungsminister Lloyd Austin der Ansprechpartner, heißt es in Washington; der Königssohn bekleidet offiziell das Amt des Vizepremiers und des Verteidigungsministers.

Ein Ex-Geheimdienstchef wirft MbS vor, auch ihm ein Killerkommando geschickt zu haben

Ein Gerichtsverfahren in den USA könnte die Regierung bald in der Degradierung des ambitionierten Thronfolgers bestärken und die Probleme für das Königreich verschärfen. Saad al-Jabri, einst Staatsminister im Innenministerium, wirft Mohammed bin Salman vor, nur Wochen nach dem Mord an Khashoggi ein Team von Killern nach Kanada geschickt zu haben, um ihn ebenfalls zu töten. Das Team sei von kanadischen Grenzern gestoppt worden und habe zwei Taschen dabeigehabt - mit forensischen Instrumenten, wie sie Khashoggis Mörder benutzt hatten, um seine Leiche zu zerstückeln.

Der Mann war jahrzehntelang Geheimdienstchef und die rechte Hand des in den USA hochgeschätzten früheren Innenministers Mohammed bin Nayef. Diesen hatte Mohammed bin Salman im Juni 2017 in einem unblutigen Palastcoup entmachtet und gezwungen, das Amt des Thronfolgers abzugeben. Aus dem Hausarrest war er im März 2020 in Haft genommen worden, ihm wird Verrat vorgeworfen. Zugleich soll er aufgefordert worden sein, sein Vermögen dem Königreich zu überschreiben. Ähnlich war MbS schon gegen andere Prinzen und saudische Geschäftsleute vorgegangen, die er Ende 2017 im Ritz Carlton von Riad einsperren ließ.

Wie sie beschuldigt das Königshaus auch Prinz Mohammed bin Nayef und seinen Adlatus al-Jabri monströser Korruption. Vor einem Gericht im kanadischen Ontario haben saudische Staatsunternehmen al-Jabri verklagt, weil er angeblich 3,47 Milliarden Dollar unterschlagen haben soll. Aus Gerichtsakten zu dem Rechtsstreit geht laut CNN hervor, dass Khashoggis Mörder mit zwei Gulfstream-Jets unterwegs waren. Die Firma, der sie gehören, war nach der Ritz-Carlton-Episode in den Besitz des Staatsfonds PIF übergegangen - den wiederum Kronprinz Mohammed bin Salman kontrolliert.

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