Salafisten und Rechtsextreme in Deutschland:Zwei Extreme, die sich ähneln

Der Islam gehört zu Deutschland, der Salafismus auch. Doch die Freiheit der Religion endet, wo die Gewalt beginnt. Niemand darf aus vermeintlich religiösen Gründen Steine werfen, Polizisten attackieren und zur Gewalt gegen Andersgläubige aufrufen. Ein verbrecherischer Salafismus gehört daher nicht zu Deutschland - der radikale Anti-Islamismus aber auch nicht. Die beiden Strömungen sind sich ähnlicher, als sie wahrhaben wollen.

Heribert Prantl

Es ist so und es bleibt so: Der Islam gehört zu Deutschland. In diesem Land leben vier Millionen Muslime, zwei Millionen davon sind deutsche Staatsbürger. Und die Zukunft der deutschen Demokratie hängt davon ab, ob es ein gutes Miteinander von Muslimen und Nicht-Muslimen gibt. Auch der Salafismus gehört zu Deutschland; man kann ihn nicht einfach in toto abschieben.

Auch dieser strikt und schlicht buchstabengetreu gepredigte und gelebte Islam steht nämlich grundsätzlich unter dem Schutz der Religionsfreiheit - genau so, wie auch diejenigen Christen, welche die Bibel ganz wörtlich auslegen, unter dem Schutz der Religionsfreiheit stehen, selbst wenn sie Homosexualität als Frevel wider den Schöpfer brandmarken. Die Freiheit der Religion endet aber dort, wo die Gewalt beginnt. Ein gewalttätiger Salafismus gehört nicht zu Deutschland.

Jeder darf nach seiner Fasson selig werden; aber niemand darf zu diesem Zweck Steine werfen, Messer packen, Polizisten attackieren und zur Gewalt gegen Andersgläubige auffordern. Die Salafisten sind eine winzige Minderheit unter den Muslimen in Deutschland, und die militanten Salafis wiederum sind eine Minderheit in dieser Minderheit der Salafisten; sie halten "Ungläubige" (zu denen sie auch alle Muslime zählen, die nicht auf ihrer Seite stehen) für legitime Kampfziele. Ein solcher radikaler Islamismus ist verbrecherisch und gehört nicht zu Deutschland - der radikale Anti-Muslimismus aber auch nicht.

Die Rassisten sind eine Gefahr, nicht die Muslime

Die radikalen Islamfeinde stören den inneren Frieden genauso wie die Islamisten. Sie beide bilden eine Gewaltschaukel. Aus innerem Frieden wird Unfrieden, wenn Vorurteile gegen den ganz überwiegend friedfertigen und moderaten Islam, wie er in Deutschland zu Hause ist, geschürt werden.

1,4 Millionen Sarrazin-Bücher, für die seinerzeit Bild und Spiegel unisono geworben haben, sind kein gutes Fundament für ein gutes Miteinander. Und ein antimuslimischer Rassismus, wie er sich zum Beispiel in der Vereinigung "proNRW" zeigt, ist genauso gefährlich wie ein militanter Salafismus. Die Anti-Muslime wollen nämlich dazu verführen, den Islam als solchen mit Terror und Gewalt in Verbindung zu bringen. Das vergiftet die Gesellschaft. Die Rassisten sind eine Gefahr, nicht die Muslime.

Die Vereinigung proNRW, die weder den Namen "pro" noch "Bürgerbewegung" verdient, weil sie antibürgerlich, reaktionär und hassbeladen ist, nutzt die Meinungsfreiheit des Grundgesetzes zur Provokation: Vor Moscheen halten diese Leute die umstrittenen Mohammed-Karikaturen in die Luft, um so religiöse Gefühle zu verletzen und zur Gewalt anzustacheln; zu Hause haben etliche dieser Provokanten, wie sich bei Durchsuchungen gezeigt hat, Waffen gelagert. Sie säen Hass und suchen die gewalttätige Konfrontation.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich vergreift sich aber im Vokabular, wenn er im Zusammenhang mit dem Aufeinandertreffen und Aufeinanderschlagen der Fundamentalisten beider Seiten von einem "Religionskrieg" spricht. Damit befördert er die Hybris der Fanatiker, die sich selber als Krieger einer heiligen, in Wahrheit sehr unheiligen Sache verstehen. Ein Wort wie das vom "Religionskrieg" gilt gewalttätigen Fundamentalisten als Ritterschlag.

Was fehlt, ist der gegenseitige Respekt

Die radikalen Salafisten und die radikalen Islamfeinde sind sich ähnlicher, als sie es wahrhaben wollen: Der fistelnde Eifer der Fanatiker und der fatale Anspruch auf Legitimität, der auf dem Glauben fußt, ist auf beiden Seiten zu Hause. Was tun? Abschieben? Verbieten? Ein paar militante Salafisten, so sie nicht Deutsche sind, kann man abschieben. Ein Verbot der ganzen Glaubensrichtung des Salafismus wäre falsch, da es pauschalisierend wäre und auch noch die Nicht-Radikalen radikalisieren würde.

Den Fundamentalismus muss man mit strafrechtlichen und bürgerschaftlichen Mitteln bekämpfen - und man muss dafür auch die muslimischen Verbände in Deutschland gewinnen. Die Muslime müssen ihre Fundamentalisten isolieren, und die Nicht-Muslime die ihren.

Leitkultur in Deutschland ist nämlich eine Kultur des Zusammenlebens: Sie heißt Demokratie, Rechtsstaat und Grundrechte. Diese Leitkultur fordert nicht nur Toleranz, sondern Respekt von beiden Seiten, von Alt- und den Neubürgern. Zum Respekt vor dem Anderen gehört es, ihm nicht seine Religion, Kleidung, Lebensgewohnheiten wegzunehmen. Respekt vor dem Anderen setzt aber voraus, dass der Andere die heiligen Bücher, wie immer sie heißen, nicht über oder gegen die Grund- und Menschenrechte stellt.

Die deutschen Muslime haben sich in eine ganzen Reihe von Erklärungen im Deutschen Islamforum, das es seit zehn Jahren gibt, ohne Wenn und Aber zur deutschen Verfassung bekannt; sie haben das demokratische System ausdrücklich begrüßt und betont, das es für Muslime "nach der auf den Koran gestützten Überzeugung" selbstverständlich sei, "das Gesetz des Landes, in dem sie leben, zu achten". Diese Erklärungen haben zu wenig Beachtung gefunden, zum Teil auch bei den Muslimen selbst. Das muss sich ändern, wenn sich etwas ändern soll. Wie? Auch die Moscheen müssen zu Orten der Integration werden.

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