Salafismus:Wie arabische Staaten fundamentalistische Missionare in Europa finanzieren

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Salafisten beten 2012 in Bonn. (Foto: picture alliance / dpa)
  • Missionare von der Arabischen Halbinsel versuchen, in Europa Grundstücke für Moscheen und Schulungseinrichtungen zu kaufen - auch in Deutschland.
  • Hierzulande hat sich die Zahl radikaler Salafisten in den vergangenen fünf Jahren auf 10 000 verdoppelt.
  • Der Bundesnachrichtendienst ist überzeugt: Vor allem Saudi-Arabien, Kuwait und Katar sähen derzeit eine günstige Gelegenheit, ihren fundamentalistischen Islam in Europa zu verbreiten.

Von Ronen Steinke, München

Bei manchen Geschenken wird man eher misstrauisch, als dass man sich freut. Kürzlich hieß es: Das märchenhaft reiche Königshaus von Saudi-Arabien wolle seine Staatsschatulle öffnen und in Deutschland den Bau von 200 neuen Moscheen spendieren.

Schon wahr, Neubauten wären gut. Die deutschen Moscheen sind völlig überfüllt. Nicht nur im Ramadan spüren das die Betenden. Eine knappe Million Flüchtlinge sind seit Herbst 2015 gekommen, siebzig Prozent von ihnen sind muslimisch.

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Weil die Gebetsräume vieler deutscher Moscheen überfüllt sind, müssen Gläubige in Hallen und Tiefgaragen ausweichen. Experten sehen die Städte in der Pflicht: "Muslime zahlen schließlich auch Steuern."

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Trotzdem jagte die Meldung einen Schrecken über die Flure deutscher Sicherheitsbehörden: Soll ausgerechnet jener Golfstaat dafür Pate stehen, der Frauen das Autofahren verbietet, Kriminelle mit Peitschenhieben bestraft, und dessen Staatsreligion, der islamische Wahhabismus, sich auf dem Papier kaum unterscheidet von der fundamentalistischen Ideologie des sogenannten Islamischen Staates (IS)?

Es gibt ein mahnendes Beispiel: Bosnien-Herzegowina. In dem mehrheitlich muslimischen Balkanstaat investierten Saudi-Arabien und Katar großflächig in Wirtschaft und Tourismus. Sie kauften Land und errichteten Gebäude, schickten Missionare und Prediger. "Da haben arabische Staaten den offenen bosnischen Islam verdrängt", sagt Thüringens Verfassungsschutzchef Stephan Kramer. "Und deshalb kann man sich vorstellen, wohin auch in Deutschland die Reise geht."

Wie leicht wäre es für die Saudis, die deutsche Moscheenlandschaft zu beeinflussen?

Zwar stellte sich nach einer Prüfung durch den Bundesnachrichtendienst (BND) heraus: Die Geschichte von den 200 saudischen Moscheen für Deutschland war ein Gerücht. Seinen Ursprung hatte es in einer libanesischen Zeitung, al-Diyar, die der schiitischen Hisbollah nahesteht und für ihre Abneigung gegen Saudi-Arabien bekannt ist. Von dort verbreitete sich die Geschichte nach Europa. Aber schon die Vorstellung genügte, um Beunruhigung auszulösen. Wie leicht wäre es für Saudi-Arabien, wirklich die Moscheen-Landschaft hierzulande zu beeinflussen, wenn es wollte? Nach deutschem Recht ließe sich das kaum verhindern; es gilt die Religionsfreiheit.

Ein halbes Fußballfeld groß ist das Gelände im schwäbischen Fellbach-Oeffingen, auf dem im vergangenen August fast das Zentrum eines islamistischen "Strategieplans zur Missionierung Süddeutschlands" entstanden wäre, wie es der Verfassungsschutz beschreibt. Ein Gebäudekomplex, drei Ebenen, 14 Stellplätze, ruhige Lage; der Ort hat nur 7000 Einwohner. Die Kaufinteressenten traten verbindlich und gewinnend auf. Sie nannten sich EMC-Immobilien GmbH.

Den Kaufpreis hatten sie schon überwiesen, 1,07 Millionen Euro. Erst spät entdeckten Beamte des Stuttgarter Landeskriminalamts, dass sich dahinter die kuwaitische Revival of Islamic Heritage Society verbarg, die RIHS, eine der größten Missionierungsbewegungen vom Golf. In den Vereinigten Staaten ist sie seit 2008 wegen Verbindungen zu terroristischen Vereinigungen verboten. In Deutschland versucht sie seit 2012, Grundstücke für Moscheen und Schulungseinrichtungen zu erwerben.

Die Stadt Fellbach konnte noch reagieren. Man änderte den Bebauungsplan, der Verkauf wurde gestoppt. Aber alarmiert ist man seitdem umso mehr. Denn einiges spricht dafür, dass Golfstaaten schon längst dabei sind, mit ihren Petrodollars fundamentalistische Gruppen hierzulande zu stärken; nur merken es die deutschen Behörden zu selten.

Salafistische Missionstätigkeit aus den arabischen Golfstaaten

Die Zahl radikaler Salafisten im Land hat sich in den vergangenen fünf Jahren auf 10 000 verdoppelt. Es ist die "dynamischste Bewegung" innerhalb der extremistischen Szene, wie ein Verfassungsschützer sagt. Sie brauchen Geld für Broschüren, Geld für Räume, Geld für ihre oft hochprofessionell produzierten Videos; woher das Geld kommt, bleibt oft rätselhaft. Mal fällt zufällig auf, dass eine Tarnfirma der kuwaitischen RIHS die Miete einer Hinterhofmoschee überwiesen hat. Aber durchleuchten darf man die Konten religiöser Vereine erst, wenn Terrorverdacht besteht.

In den vergangenen Monaten haben sich der BND und das Bundesamt für Verfassungsschutz um ein genaueres Bild bemüht. "Salafistische Missionstätigkeit aus den arabischen Golfstaaten", so heißt ihre gemeinsame Projektgruppe, die auf Wunsch des Kanzleramts nun zu dauerhaften Referaten aufgestockt wird. Die Nachrichtendienste geben sich überzeugt: Vor allem Saudi-Arabien, Kuwait und das zuletzt viel gescholtene Emirat Katar sähen derzeit eine günstige Gelegenheit, ihren fundamentalistischen Islam in Europa zu verbreiten.

Der mit Abstand größte Akteur in dem Geschäft ist die Muslimische Weltliga. Die Organisation sitzt in Saudi-Arabien, mehr als 100 Millionen Euro sollen von ihr jährlich nach Europa fließen. Sie beschäftigt Tausende Mitarbeiter auf der ganzen Welt, hat gut zwanzig Unterorganisationen, etwa das "Hilfswerk" International Islamic Relief Organization, IIRO; dessen Filialen auf den Philippinen und in Indonesien bezeichnete eine Resolution des UN-Sicherheitsrats 2006 als Unterstützer von al-Qaida. Das Geld kommt vom saudischen Herrscherhaus.

Zum Botschafter Saudi-Arabiens in Berlin wurde 2015 ein Mann namens Awwad Saleh al-Awwad ernannt. Zwischen den goldenen Plastiken und den ununterbrochen laufenden Fernsehgeräten im Innern des Prachtbaus an der Tiergartenstraße verströmte er einen frischen, unternehmerfreundlichen Geist. Als die Bundesregierung ihn in den vergangenen Monaten eindringlich auf die Scheckheft-Missionare im Golf ansprach, versicherte er stets: Dies seien unabhängige Stiftungen, Nichtregierungsorganisationen, NGOs. Manche Experten sprechen lieber von "Gongos", kurz für "governmental NGOs" - regierungsgesteuerte Nichtregierungsorganisation. "NGOs gibt es in den Golfstaaten praktisch nicht", sagt einer, der sich das lange aus der Nähe angesehen hat.

Dass sich darüber kaum jemand Illusionen macht, legen die protokollarischen Ehren nahe, mit denen der seit 2016 amtierende Generalsekretär der Muslimischen Weltliga, Muhammad al-Issa, in Europa empfangen wird. Vor allem auf dem Balkan öffnen sich die Türen zu Premiers und Ministern.

Der FAZ gab er im Mai ein Interview. Frage: "Herr Generalsekretär, wenn man im Westen den Begriff Muslimische Weltliga hört, denkt man an den Export eines radikalen Islams und die Finanzierung extremistischer Prediger in aller Welt. Ist das richtig"? Antwort: "Fragen Sie mich nicht nach der Muslimischen Weltliga vor meiner Zeit, sondern seitdem ich hier bin. Für das Vergangene bin ich nicht verantwortlich, zuvor war ich Justizminister."

Auch die anderen Organisationen, die BND und Verfassungsschutz als Sponsoren der salafistischen Szene Deutschlands im Verdacht haben, sind keine kleinen Wohltätigkeitsvereine. Die bereits erwähnte RIHS betreibt einen eigenen Fernsehsender. Die Sheikh Eid Charity Foundation aus Katar, die Familienstiftung des Herrscherhauses, hat nach eigenen Angaben schon 6000 Moscheen weltweit errichtet, allein im Monat Ramadan 2016 gab sie 41 Millionen Dollar in 60 Ländern aus.

In Berlin nahm man wahr, dass sich der saudische Botschafter Awwad von Ermahnungen durchaus beeindruckt zeigte. Er betonte, Saudi-Arabien sei ein Bollwerk gegen den Extremismus, startete eine regelrechte Imagekampagne. Am 22. April wurde er zum Informationsminister in Riad befördert. Hinter der Fassade aber hat sich angeblich wenig geändert.

Obwohl der fallende Ölpreis selbst Golfmonarchien derzeit zu Einsparungen zwingt, sind die Etats für ihre Missionstätigkeiten im Ausland weiter gewachsen. Aus Sicht der Golfstaaten ist das kein Nischenthema: Wer "Da'wa" betreibt, also religiöse Missionierung, der betreibt Außenpolitik. Man nimmt Einfluss auf die Zusammensetzung religiöser Gruppen und erzeugt Abhängigkeiten ideologischer und finanzieller Art.

Im Mai wurde die größte skandinavische Moschee in Malmö für 2000 Personen eröffnet, für 3 Millionen Euro, finanziert von Katar. In Florenz wird ein historisches Anwesen zur Moschee umgebaut, für beachtliche 30 Millionen Euro, aber meist ist es wie in dem kleinen schwäbischen Ort Fellbach-Oeffingen. Es treten nur unscheinbare Firmen oder wohltätige Privatvereine auf.

© SZ vom 12.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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