Süddeutsche Zeitung

Saint-Quentin-Fallavier:Anschlag auf Gasfabrik nahe Lyon - Staatsanwalt bestätigt Identität des Täters

  • In einer Flüssiggas-Fabrik nahe Lyon ist es zu einem Anschlag mit mehreren Explosionen gekommen.
  • Am Tatort wurde die enthauptete Leiche eines Mannes entdeckt. Bei dem Opfer handelt es sich um einen 54-jährigen, lokal ansässigen Unternehmer, bei dem der Attentäter angestellt war.
  • Der mutmaßliche Täter wurde gefasst. Der 35-Jährige hat einen islamistischen Hintergrund und war dem französischen Inlandsgeheimdienst bereits bekannt.
  • Auch ein weiterer Mann, sowie die Frau und die Schwester des 35-jährigen Hauptverdächtigen wurden festgenommen.
  • Frankreichs Präsident Hollande spricht von einem terroristischen Anschlag.

Was über die Verdächtigen bekannt ist

Nach dem Anschlag auf eine Flüssiggas-Fabrik nahe Lyon im Südosten Frankreichs werden immer mehr Details bekannt. Inzwischen ist offenbar klar, wer hinter der Tat steckt, bei der eine Person getötet wurde.

Der mutmaßliche Haupttäter Yassin Salhi ist bereits kurz nach dem Anschlag gefasst worden. Der 35-Jährige war dem französischen Inlandsgeheimdienst offenbar bekannt. Innenminister Bernard Cazeneuve sagte, der Mann sei 2006 von den Sicherheitsbehörden "erfasst" worden, weil er im Verdacht stand, sich radikalisiert zu haben. 2008 sei er aber wieder aus dem Register herausgestrichen worden. Wegen einer Straftat verurteilt wurde Salhi nicht.

Kurze Zeit später hat die Polizei auch einen zweiten Verdächtigen aufgespürt. Dieser soll mit seinem Wagen in der Nähe des Tatorts gesehen worden sein. Der Mann wurde Ermittlerkreisen zufolge in seiner Wohnung im ostfranzösischen Anschlagsort Saint-Quentin-Fallavier festgenommen. Den Ermittlern zufolge ist jedoch noch nicht klar, ob und wie der Mann beteiligt war.

Auch die Frau und die Schwester des 35-jährigen Hauptverdächtigen wurde Justizkreisen zufolge mittlerweile festgenommen. In Saint-Priest, einem Vorort von Lyon, durchsuchen Spezialkräfte die Wohnung, in der der mutmaßliche Täter mit seiner Familie lebt. In einem Interview mit dem Sender Europe 1 sagte die Frau, sie habe mit ihrem Mann ein durchschnittliches Familienleben geführt. Sie seien "normale Muslime", die den Fastenmonat Ramadan praktizierten. Ein terroristischer Akt ihres Mannes sei nicht möglich.

Dem ermittelnden Staatsanwalt François Molins zufolge ist noch nicht klar, unter welchen Umständen das Opfer enthauptet wurde, welche Motive der Täter hatte und ob ihm jemand geholfen hat.

Was über das Opfer des Anschlags bekannt ist

Am Tatort wurde die enthauptete Leiche eines Mannes gefunden. Staatsanwalt Molins bestätigte am Abend, was zuvor bereits Medien berichtet hatten: Es handelt sich bei dem Toten um den 54-jährigen Chef eines Transportunternehmens aus der Region. Bei dem Unternehmen war der mutmaßliche Täter Salhi den Angaben zufolge seit März 2015 als Fahrer beschäftigt.

Le Monde zufolge war das Transportunternehmen des Getöteten als Zulieferer bei der Air-Products-Fabrik registriert. So konnte der Täter mit dem Wagen ohne weitere Probleme auf das Firmengelände gelangen.

Was in der Flüssiggas-Fabrik passiert ist

Der Anschlag ereignete sich gegen 10 Uhr am Morgen in Saint-Quentin-Fallavier nicht weit von Lyon entfernt. Beim Tatort handelt es sich um eine Fabrik des amerikanischen Chemieunternehmens Air Products, die auf die Herstellung von Gasprodukten für die Industrie spezialisiert ist.

Offenbar platzierte der Haupttäter zunächst den Kopf des Opfers am Fabrikeingang auf einem Zaun, wie die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf ausgewertes Videomaterial berichtet. Danach habe der Haupttäter mit einem Fahrzeug einen Gasbehälter gerammt und eine Explosion verursacht. In einem nahen Gebäude habe er sich dann an anderen Gasbehältern zu schaffen gemacht. Ein alarmiertes Team von Feuerwehrmännern habe den Täter, der "Allahu Akbar" ("Gott ist groß") gerufen haben soll, bis zum Eintreffen der Polizei festgesetzt. Die Gegend um das Werk wurde evakuiert.

Wie Frankreichs Regierung reagiert

Frankreichs Präsident François Hollande hat sich zu der Tat geäußert. "Das war ein Anschlag terroristischer Natur", sagte er am Rande des EU-Gipfels in Brüssel, wo die Staats- und Regierungschef über die Griechenland-Krise beraten.

"In diesem Moment gilt es zuerst, den Opfern unser Mitgefühl auszusprechen", sagte der Präsident. "Aber das kann nicht die einzige Antwort sein. Wir müssen unsere Werte verteidigen und dürfen die Angst niemals die Oberhand gewinnen lassen".

Hollande hat Brüssel noch am Mittag verlassen und ist nach Frankreich zurückgekehrt. Er sei in "ständigem Kontakt" mit seinem Innenminister und den Sicherheitsbehörden, hieß es aus dem Umfeld Hollandes. In Paris kam am Nachmittag ein Krisenstab zusammen.

"Der islamistische Terrorismus hat Frankreich ein weiteres Mal getroffen", sagte Premierminister Manuel Valls. Er ordnete für alle Sicherheitsbehörden in der Region Rhône-Alpes eine "erhöhte Wachsamkeit" an. Die Behörden sollten in der Region "sofort" die Sicherheitsvorkehrungen für Einrichtungen verstärken, die als gefährdet eingestuft werden könnten.

Nach den Terroranschlägen in der Region Paris Anfang des Jahres waren die Sicherheitskräfte in höchste Alarmbereitschaft versetzt worden. Bei den Angriffen auf die Satirezeitung Charlie Hebdo, einen koscheren Supermarkt und eine Polizistin kamen insgesamt 20 Menschen ums Leben, darunter die drei islamistischen Angreifer. Seitdem haben die Sorgen vor möglichen Nachahmungstaten zugenommen.

Wie deutsche Politiker sich äußern

Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat sich nach dem Anschlag besorgt gezeigt. "Das ist etwas, was uns besonders bewegt", sagte de Maizière nach der Konferenz der Innenminister von Bund und Ländern in Mainz. Gerade in Fragen der Sicherheit hingen Deutschland und Frankreich eng zusammen. Zu den Umständen der Tat wollte er sich zunächst nicht näher äußern.

Kanzleramtsminister Peter Altmaier sprach von einem "abscheulichen Attentat". Via Twitter schrieb er in einer Mitteilung auf Französisch: "All unsere Solidarität und unser Mitgefühl."

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