Sahra Wagenknecht:Immer noch linker als die Linke

1989 trat Sahra Wagenknecht in die SED ein, die Partei, die ihr das Studium verboten hatte. Nach fast 30 Jahren in der Politik zieht sie sich nun aus der ersten Reihe zurück. Ihr Weg in Bildern.

Von Markus C. Schulte von Drach

1 / 12
(Foto: imago stock&people)

1994 nimmt Sahra Wagenknecht - amtlich noch als "Sarah" Wagenknecht - an einer Sitzung des PDS-Vorstands in Berlin teil. Ihre Mutter hatte sie nach der Geburt 1969 Sahra genannt - entsprechend der Schreibweise dieses Namens im Herkunftsland ihres Vaters: Iran. Die Hebamme aber notiert den Namen Sarah, und so wird die neugeborene Wagenknecht auch ins Geburtsregister eingetragen. Sie selbst schreibt sich mit dem h in der Mitte, offiziell lässt sie den Fehler 2009 korrigieren, als sie in den Bundestag gewählt wird. Wagenknecht, deren Vater nach einer Reise nach Iran verschwand, wächst die ersten Jahre vor allem bei ihren Großeltern bei Jena auf, als Schülerin lebt sie dann mit ihrer berufstätigen Mutter in Ost-Berlin.

2 / 12
(Foto: picture-alliance / dpa)

Wagenknechts Erfahrungen mit der Politik sind anfänglich eher negativ. Als Schülerin ist sie Mitglied der Freien Deutschen Jugend (FDJ), bekommt aber Probleme mit der SED und darf nach dem Abitur 1988 in der DDR nicht studieren. 1989 tritt sie ausgerechnet in die Partei ein, die ihr das Leben zuvor erschwert hat. "Aus einer Trotzhaltung heraus habe ich nach dem Mauerfall die DDR verteidigt. Weil ich es abstoßend fand, wie Leute, die mir in der DDR noch die Vorzüge der Honecker-Politik gepredigt hatten, sich plötzlich um 180 Grad drehten, habe ich nach der Wende Dinge gerechtfertigt, die ich vorher noch vehement kritisiert hatte", schrieb sie kürzlich in der SZ. Nach der Wende beginnt Wagenknecht ihr Studium in Jena, in Berlin, dann in Groningen in den Niederlanden, ihr Thema: Philosophie. Die Doktorarbeit im Fach Volkswirtschaftslehre, seit 2005 in Arbeit, reicht sie 2012 an der Universität Chemnitz ein.

3 / 12
(Foto: Getty Images)

Zugleich engagiert sich Wagenknecht in der Politik: Von 1991 bis 1994 ist sie Vorstandsmitglied der PDS, der Nachfolgepartei der SED. PDS-Frontmann Gregor Gysi (hier mit Wagenknecht 2012 bei einer Demonstration) sorgt dafür, dass seine Rivalin nicht mehr in den Vorstand kommt - ihre Positionen sind ihm zu extrem.

4 / 12
(Foto: N/A)

Tatsächlich wird die Kommunistische Plattform, eine Verbindung orthodoxer Kommunisten, darunter Wagenknecht als Sprecherin, vom Verfassungsschutz als linksextrem eingestuft. Wagenknecht selbst wird später als Bundestagsabgeordnete, wie 26 weitere Abgeordnete ihrer Partei, vom Verfassungsschutz beobachtet. Bis 2010 gehört Wagenknecht (hier 1999 auf dem Parteitag in Berlin) auch dem Parteiflügel "Antikapitalistische Linke" an.

5 / 12
(Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)

2000 gelingt Wagenknecht der Wiedereinzug in den Parteivorstand der PDS. Nach der Europawahl 2004 wird sie Abgeordnete im Europaparlament, wo sie bis 2009 bleibt. Nach der Bundestagswahl in diesem Jahr zieht sie über die Landesliste ihrer Partei, die nach der Fusion mit der westlichen WASG nun "Die Linke" heißt, in den Bundestag ein. Seit zwei Jahren ist sie bereits Mitglied im Vorstand auch dieser Partei und in deren Programmkommission. (Hier spricht sie auf einem Parteitag 2001 in Dresden mit Hans Modrow, Chef der letzten DDR-Regierung und Ehrenvorsitzender der PDS.)

6 / 12
(Foto: picture-alliance/ dpa)

Mit ihren weitgehenden Forderungen - etwa die Überwindung des Kapitalismus und die Kontrolle von wichtigen Bereichen wie Wohnen, Bildung, Energieversorgung, aber auch von Banken und den wichtigsten Industrien durch den Staat - stößt Wagenknecht weiterhin auf innerparteiliche Gegner: Neben dem Fraktionsvorsitzenden der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, gehört auch der Parteivorsitzende Lothar Bisky dazu. Erst 2010 schränken diese ihren Widerstand gegen sie ein und Wagenknecht wird zur stellvertretenden Parteivorsitzenden, 2011 dann zur stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden gewählt. (Das Bild zeigt Wagenknecht vorne links auf einer Gedenkveranstaltung für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in Berlin 2007)

7 / 12
(Foto: dpa)

2012 zieht Wagenknecht mit Oskar Lafontaine zusammen, dem ehemaligen saarländischen Ministerpräsidenten, Ex-SPD-Vorsitzenden, ehemaligen Fraktionsvorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag und Ex-Parteivorsitzenden der Linken. 2013 lässt sich Wagenknecht von ihrem Mann scheiden, von dem sie bereits getrennt lebt. 2014 heiratet sie Lafontaine. (Das Bild zeigt sie 2012 bei einer Demonstration vor dem Bundestag in Berlin.)

8 / 12
(Foto: dpa)

Nachdem Gysi 2015 den Fraktionsvorsitz aufgibt, werden Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch auf dem Parteitag in Bielefeld zur Fraktions-Doppelspitze gewählt. Für Diskussionen sorgt Wagenknechts Ablehnung offener Grenzen, die viele Linke fordern, 2016 gibt es Streit um ihre Feststellung, in der deutschen Bevölkerung gebe es Grenzen der Aufnahmebereitschaft, auch die Kapazitäten des Landes, Flüchtlinge aufzunehmen, seien begrenzt.

9 / 12
(Foto: WDR/Max Kohr)

Heftige Kritik erntet Wagenknecht für einen gemeinsames Interview mit der damaligen AfD-Vorsitzenden Frauke Petry in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Sie zeige zu viel Gemeinsamkeiten mit der AfD, werfen ihre Gegner ihr vor. (Das Bild zeigt Petry und Wagenknecht 2016 in der Talkshow von Sandra Maischberger in der ARD.)

10 / 12
(Foto: dpa)

Aktivisten der "Antifaschistischen Initiative Torten für Menschenfeinde" werfen Wagenknecht auf dem Parteitag in Magdeburg 2016 wegen ihrer Äußerungen insbesondere in Bezug auf Flüchtlinge eine Torte ins Gesicht. Die Parteisorsitzende Katja Kipping und der Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Dietmar Bartsch, verdecken Wagenknecht danach mit einer Jacke. Mit Kipping liegt Wagenknecht schon länger im heftigen Streit - diese Aktion verurteilt Kipping jedoch auf das Schärfste.

11 / 12
(Foto: Kay Nietfeld/dpa)

2018 unterstützt Wagenknecht mit ihrem Mann Oskar Lafontaine die Gründung der überparteilichen linken Sammelbewegung "Aufstehen", die sie gemeinsam mit Ludger Volmer (Bündnis 90/Die Grünen), Simone Lange (SPD), Oberbürgermeisterin der Stadt Flensburg, Bernd Stegemann, Autor und Dramaturg, und dem Kommunikationsexperten Hans Albers in Berlin vorstellt. Die Resonanz ist kurzfristig groß, langfristig aber eher verhalten.

12 / 12
(Foto: Wolfgang Kumm/dpa)

Im März 2019, mit 50 Jahren, gibt Wagenknecht bekannt, dass sie nicht mehr für den Fraktionsvorsitz der Linken im Bundestag kandidieren wird und sich aus der ersten Reihe der Linken zurückziehen will. Ihre Nachfolgerin an der Fraktionsspitze neben Dietmar Bartsch wird Amira Mohamed Ali.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: