Linke:Kampfansage an Sahra

Sahra Wagenknecht, DIE LINKE Fraktionsvorsitzende, aufgenommen nach Ihrem Pressestatement, anlaesslich Ihres Ruecktritt

Die Führung der Bundestags-Linken hat Sahra Wagenknecht aufgegeben. Aber sie strebt wieder ins Parlament.

(Foto: Felix Zahn/imago/photothek)

Sahra Wagenknecht will wieder für den Bundestag kandidieren - auf Platz 1 der Landesliste in Nordrhein Westfalen. Doch in der örtlichen Partei regt sich Widerstand gegen die Ex-Fraktionschefin.

Von Boris Herrmann, Berlin

Angela Bankert will in den Bundestag. Die 64-jährige pensionierte Verwaltungswirtin aus Köln kandidiert für den ersten Listenplatz der Linken in Nordrhein-Westfalen. Sie engagiert sich für den Klimaschutz und ist als stramme Antikapitalistin gegen jede Regierungsbeteiligung im Bund. Bankert sagt, ihre Kandidatur sei auch ein Signal, "dass die Linke ein Angebot macht an Bewegungen wie 'Fridays for Future'." In der Partei kommt aber ein ganz anderes Signal an: eine offene Kampfansage an Sahra Wagenknecht.

Ermüdet von internen Grabenkämpfen hat sich die so populäre wie streitbare Wagenknecht, 51, im Jahr 2019 vom Vorsitz der Bundestagsfraktion zurückgezogen. So müde, dass sie auf einen Sitz im Parlament verzichten möchte, ist sie aber auch wieder nicht. Bei der Bundestagswahl im Herbst will sie erneut antreten - und zwar wie gewohnt auf Platz 1 der NRW-Landesliste.

Wagenknechts politische Karriere begann zwar in Berlin und hat sich inzwischen zu ihrem Ehemann Oskar Lafontaine ins Saarland verlagert. In den Bundestag gelangte sie aber stets über den Wahlkreis Düsseldorf-Süd. Kraft ihres Bekanntheitsgrades beansprucht sie die Spitzenkandidatur in NRW auch in diesem Jahr. Und damit scheint sie genau jene Selbstzerfleischungsprozesse in Gang gesetzt zu haben, vor denen sie unlängst die Flucht ergriff.

Zu sagen, die Stimmung unter den Linken in NRW sei vergiftet, wäre untertrieben. Mehrere Kreisvorstände, darunter die in Köln und Herford, wehren sich gegen Wagenknechts Kandidatur. In nahezu gleichlautenden Beschlussvorlagen, die der SZ vorliegen, heißt es, sie habe sich "allzu oft" gegen Positionen der Partei gestellt, ihr Profil durchkreuzt und ihr damit geschadet.

Sie schere sich nicht um die Parteibasis, heißt es

Gemeint sind vor allem Wagenknechts Ansichten zur Flüchtlings- und Klimapolitik sowie die Gründung der Sammelbewegung "Aufstehen". Dahinter steckt aber nicht nur die strategische Grundsatzfrage, ob die unerschlossenen Potenziale der Linken eher bei AfD-Frustwählern liegen oder bei jungen Großstädtern, denen die Grünen allmählich zu spießig werden. Es geht auch um die Person Wagenknecht, der vorgehalten wird, sich seit Jahren nicht um die Basis in NRW zu kümmern und nur dann einzuschweben, wenn sie in den Bundestag gewählt werden will.

In einer Mail an die "Genossinnen und Genossen" schreibt der Sprecher der Kölner Linken: "Wir sollten Druck machen, dass Sahra Wagenknecht auf ihre Kandidatur auf Platz 1 der Landesliste verzichtet". In einer anderen Mail wird ihr nahegelegt, es doch über die Landesliste im Saarland zu versuchen.

Wagenknecht wollte die Sache auf Anfrage nicht öffentlich kommentieren. Der NRW-Landesvorstand sprach sich neulich mit Zweidrittelmehrheit für ihre Spitzenkandidatur aus. Die Entscheidung fällt aber erst auf einem Landesparteitag im April. Im Umfeld des Vorstands der Bundestagsfraktion schüttelt man über all das nur den Kopf. Dort sind auch nicht alle gut auf Wagenknecht zu sprechen, aber angesichts der gegenwärtigen Umfragewerte hält man es für "komplett verstrahlt", auf eine der prominentesten Figuren der Partei freiwillig verzichten zu wollen. Wenn die Sahra anfange Wahlkampf zu machen, dann bringe sie alleine anderthalb Prozent, heißt es.

In NRW auf dem Niveau einer Klamaukpartei

Die könnten überlebenswichtig sein. Bundesweit steht die Linke derzeit bei sechs bis acht Prozent, Tendenz fallend. Noch spricht niemand offen über die Angst vor der Fünfprozenthürde, aber die Angst ist da. Und in NRW ist die Lage besonders dramatisch. In dem alten Malocherland bewegt sich die Linke auf dem Niveau von Klamaukparteien. Genau deshalb werde Wagenknecht in dem bevölkerungsreichsten Bundesland als Zugpferd gebraucht, heißt es in Berlin. Manche beten dort schon, dass sie es sich nicht noch anders überlegt.

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