Süddeutsche Zeitung

Sahra Wagenknecht:"Hartz IV weg? - In NRW leider nicht zu machen"

Sahra Wagenknecht, Parteivize der Linken, über Chancen für ein Linksbündnis in NRW und warum sich ihre Partei nicht in Regierungspflichten sieht.

T. Denkler, Rostock

Sahra Wagenknecht ist auf dem Parteitag der Linken in Rostock zur stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt worden. Die 1969 in Jena geborene Politikerin ist 2009 über die nordrhein-westfälische Landesliste der Linken in den Bundestag eingezogen. Dort ist sie wirtschaftspolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Wagenknecht galt lange Zeit als Wortführerin der Kommunistischen Plattform innerhalb der Linken. Ihre Mitgliedschaft ruht seit Februar.

sueddeutsche.de: Frau Wagenknecht, sie gehören zu denen in Ihrer Partei, die auch mit der Oppositionsrolle ganz gut leben können. Warum sollte die Linke in Nordrhein-Westfalen nicht regieren?

Sahra Wagenknecht: Ich sage nicht, dass wir nicht regieren sollten. Ich sage, wir sollten nur regieren, wenn wir Dinge umsetzen können, die wir unseren Wählern versprochen haben. Wir müssen in einer Koalition klar erkennbar sein. Die Frage richtet sich daher vielmehr an Hannelore Kraft. Sie muss beweisen, ob sie ernst nimmt, wofür sie gewählt wurde. Klar ist doch, dass sie ihre Inhalte weder mit der CDU noch mit der FDP wird durchsetzen können.

sueddeutsche.de: Die Linke wäre in einem Bündnis mit SPD und Grünen der mit Abstand kleinste Koalitionspartner. Sie werden Abstriche machen müssen. Wo sehen Sie die Grenze?

Wagenknecht: Es muss einen klaren Politikwechsel geben. Wenn es mit dem neoliberalen Kurs weitergeht, dann stehen wir nicht zur Verfügung.

sueddeutsche.de: Woran machen sie einen Politikwechsel inhaltlich fest?

Wagenknecht: Wir haben in NRW drei Mindestbedingungen für eine Regierungsbeteiligung festgelegt, an denen nicht zu rütteln ist. Wir werden uns an keiner Regierung beteiligen, die Privatisierungen betreibt, Sozialabbau vornimmt oder im öffentlichen Dienst Stellen abbaut.

sueddeutsche.de: Das ist Verhinderungspolitik. Was wollen Sie denn umsetzen?

Wagenknecht: Wir stehen für die sofortige Abschaffung von Studiengebühren, in der Bildung wollen wir ein längeres gemeinsames Lernen auf den Weg bringen und in der Energiepolitik müssen die Weichen so gestellt werden, dass die Energieversorgung wieder von den Kommunen übernommen wird.

sueddeutsche.de: Von "Hartz IV weg!" sprechen Sie nicht?

Wagenknecht: Hartz IV abschaffen ist ja in NRW leider nicht möglich, darum können wir das nicht ernsthaft der SPD in Nordrhein-Westfalen abverlangen. Was wir aber können, ist, das Leben von Hartz IV-Empfängern zu verbessern. Darum wollen wir ein subventioniertes Sozialticket für Busse und Bahnen und höhere Wohnkostenzuschüsse. Für solche Verbesserungen werden wir uns massiv einsetzen.

sueddeutsche.de: Kann es sich die Linke mit Blick auf die Bundestagswahl aus strategischer Sicht überhaupt leisten, sich einem Linksbündnis zu verweigern?

Wagenknecht: Im Bund sehe ich eine Regierungsbeteiligung der Linken skeptischer als auf Landesebne. Die SPD im Bund wird von Personen getragen, die die Agenda 2010 mit beschlossen und sich davon bis heute nicht ernsthaft distanziert haben. Sachlich steht die SPD nach wie vor zu Hartz IV, zur Zerschlagung der gesetzlichen Rente, zum Krieg in Afghanistan. Solange das so ist, sehe ich im Bund keine Möglichkeit für eine Koalition.

sueddeutsche.de: Thüringens Linke-Fraktionschef Bodo Ramelow hat in einem Interview mit sueddeutsche.de gesagt, die Linke hätte in NRW die Pflicht regieren zu müssen.

Wagenknecht: Es gibt für die Linke nie eine Pflicht zu regieren. Entscheidend ist, was wir inhaltlich durchsetzen können. Wir werden uns an keiner Regierung beteiligen, in der wir Politik gegen die Mehrheit unserer Wähler machen müssen. In NRW hängt es davon ab, ob die SPD bereit ist, über ihren neoliberalen Schatten zu springen.

sueddeutsche.de: Und wenn es klappt werden Sie Sozialministern in Nordrhein-Westfalen.

Wagenknecht: (lacht) Da habe ich keinerlei Ambitionen. Da kann ich Sie beruhigen.

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