Sahel-Region:Diskret gegen den Terror

Kanzlerin Angela Merkel in Afrika

Kanzlerin Angela Merkel in Afrika 01.05.2019, Burkina Faso, Ouagadougou: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) steht neben Ibrahim Boubacar Keita (l-r), Präsident von Mali, Mohamed Ould Abdel Aziz, Präsident von Mauretanien, Roch Marc Kabore, Präsident von Burkina Faso, Idriss Derby, Präsident des Tschad und Mahamadou Issoufou, Präsident des Niger, nach dem Treffen der Regionalorganisation G5 Sahel. Foto: Michael Kappeler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

(Foto: dpa)

Auf ihrer Reise durch die Sahel-Länder muss sich Angela Merkel auch unangenehmen Fragen stellen. Wie kann Deutschland im Kampf gegen radikale Islamisten helfen?

Von Nico Fried, Ouagadougou

Der Auftakt ist für Angela Merkel ziemlich unangenehm. Die Kanzlerin sitzt auf einem Podium der Universität von Ouagadougou, der Hauptstadt Burkina Fasos, um mit Studenten zu sprechen. Gleich der erste sagt: "Die Terroristen ermorden uns" - sie hätten Waffen, die in Deutschland, Frankreich oder China hergestellt würden. "Wie können Sie uns da helfen?"

Merkel, bei allem Respekt, eiert ganz schön herum und redet zunächst davon, dass Deutschland in viele Länder keine Waffen exportiere. "Wir sind da sehr strikt." Wenn aber eine politische Situation wie in Libyen entstehe, könne man kaum verhindern, dass Waffen "in die falschen Hände geraten". Und dann müsse man den Staaten helfen, die gegen den Terrorismus kämpften, "damit sie nicht schlechter ausgerüstet sind als die Terroristen". Wobei Deutschland im Falle Westafrikas Waffenlieferungen anderen überlässt. "Wir müssen da sehr restriktiv sein", sagt sie.

Burkina Fasos Staatschef nennt die Zusammenarbeit mit Berlin "effizient"

Die Kanzlerin unterwegs in Westafrika: Sie besucht Burkina Faso und Niger und macht einen Zwischenstopp in Mali bei den deutschen Soldaten in Gao. Es geht auf dieser Reise weniger um Probleme der Migration, wie man vermuten könnte, sondern eher um deren Vorstufe: Vor allem der islamistische Terrorismus breitet sich in der Region aus wie zerlaufende Butter in einer Bratpfanne. Wenn die Regierungen die Situation nicht unter Kontrolle bringen, bricht in der Region das Chaos aus.

Die Terrorbekämpfung spielt an der Uni von Ouagadougou eine Rolle; sie spielte am Vorabend bei einem Treffen Merkels mit den fünf Präsidenten der Staaten eine Rolle, die sich zur G5-Gruppe Sahel zusammengeschlossen haben; sie spielt am Donnerstagnachmittag eine Rolle, als Merkel das Bundeswehr-Kontingent der UN-Mission Minusma in Mali besucht. Überall klingen die Lagebeschreibungen wenig optimistisch. Auch Merkel und ihre Delegation reisen unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen.

Weit über zwei Stunden saß die Kanzlerin am Mittwoch mit den Präsidenten der G5-Staaten zusammen, deutlich länger als geplant. Sie nehme viel Arbeit aus diesem Treffen in Ouagadougou mit. Aber der Auftrag sei eindeutig: "Die Terroristen sind schnell", so die Kanzlerin, "und deshalb müssen wir schneller sein."

Der G5-Gruppe gehören Burkina Faso, Tschad, Mauretanien, Niger und Mali an. Fünf Staaten, die manches eint, vor allem die Armut und der Terrorismus. Die fünf Staatschefs der Region wissen Merkels Engagement offenbar zu schätzen. "Das ist eine sehr diskrete Kooperation", sagt Burkina Fasos Präsident Roch Marc Kaboré, "aber sie ist sehr effizient."

Unter der Führung Merkels enthielt sich Deutschland im März 2011 in der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat über ein Eingreifen in Libyen

Die wichtigste Quelle für immer neue Bedrohungen der regionalen Sicherheit liegt rund 3000 Kilometer nordöstlich von Ouagadougou und heißt Libyen. Seit der Intervention des Westens in Libyen und dem Sturz des Diktators Muammar al-Gaddafi ist das Land instabil, Milizen und Waffen vagabundieren nahezu ungehindert über die Tausende Kilometer langen Grenzen in alle Richtungen.

Unter der Führung Merkels und ihres Außenministers Guido Westerwelle enthielt sich Deutschland im März 2011 in der entscheidenden Abstimmung im UN-Sicherheitsrat über ein Eingreifen in Libyen. Man sei sich damals nicht sicher gewesen, erzählt Merkel den Studenten in Ouagadougou, ob ein militärisches Eingreifen "so eine gute Idee ist". 2011 hagelte es Kritik. In der Sahel-Region ist ihre Haltung von damals hingegen heute ein gutes Entree für die Kanzlerin. Die Regierungen hier waren gegen die Intervention, wurden aber ignoriert. Nun fordern sie von den Staaten, die in Libyen eingegriffen haben, dass sie sich etwas einfallen lassen. "Die libysche Frage muss gelöst werden", sagt Burkina Fasos Präsident Roch Marc Kaboré. "Sonst kommen wir nicht weiter."

Alle fünf Staaten geben 15 Prozent und mehr ihres Etats für die Sicherheit aus. Das Geld fehlt für Schulen, für die Bekämpfung des Klimawandels und für eine Strategie gegen die demografische Entwicklung. Die Kanzlerin hat einige Zusagen für weitere Hilfsgelder mitgebracht: 5,5 Millionen Euro gegen ausgetrocknete landwirtschaftliche Böden in Burkina Faso. 15 Millionen Euro für die Modernisierung eines Krankenhauses und einiger Gesundheitsstationen in Niger, weitere 20 Millionen Euro für Brunnenbohrungen und Stauseebau.

Der UN-Einsatz Minusma in Mali ist eine der verlustreichsten Missionen der UN

Zusätzliches Geld gibt es auch für militärische Zwecke. Die G5 bauen seit zwei Jahren eine eigene Truppe auf, 5000 Mann stark soll sie sein. Man hilft mit Ausrüstung für die Logistik. Und mit deutschen Soldaten. Am Donnerstagnachmittag - nach ihrem ersten Flug mit dem Transportflugzeug A400 M - landet Merkel in Gao. Der UN-Einsatz Minusma in Mali ist eine der verlustreichsten Missionen der UN. In knapp sechs Jahren sind fast 200 Blauhelme getötet worden, mindestens 16 allein schon in diesem Jahr. 2017 starben zwei deutsche Piloten bei einem Hubschrauberabsturz. Die Bundeswehr ist seit 2016 hier, das Mandat ist von anfangs 100 auf mittlerweile maximal 1100 Soldaten gewachsen. Vor allem unter den älteren Soldaten sind viele, die auch schon in Afghanistan waren. Manches sei vergleichbar, erzählt einer, gerade auch die Gefahr durch Sprengfallen gegen die Patrouillen. Die Malier begegneten den Soldaten freundlich, aber das sei in Afghanistan auch so gewesen - zumindest in den ersten Jahren. Die Lage in Mali sei aber anders, weil es unterschiedliche Konflikte gebe, die sich überlagerten.

Der größte Unterschied aber ist die dauerhafte Hitze. Zur Mittagszeit, als Merkel eintrifft, liegen die Temperaturen bei über 40 Grad - und im Zelt, wo sie die Soldaten trifft, sind sie auch nicht viel niedriger.

Merkel sagt, der Einsatz erscheine durch die abgelegene Lage "schon sehr speziell". Die Beteiligung an Minusma sei "derzeit auch die gefährlichste Mission der Bundeswehr". Der politische Friedensprozess in Mali sei schwierig. Sie bedanke sich im Namen der ganzen Bundesregierung, "seien Sie wohlbehütet". Ins Gästebuch schreibt die Kanzlerin, ganz Deutschland blicke "mit Respekt auf ihre Leistung".

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