Süddeutsche Zeitung

Sachsens Ministerpräsident Tillich vor der Wahl:Das Lächeln des Fuchses

Stanislaw Tillich ist Sachsens oberster Verwalter. Nach der Landtagswahl am Sonntag wird er wohl Ministerpräsident bleiben. Die Frage, die sich stellen müsste, ist: Reicht das?

Von Cornelius Pollmer, Dresden

Als der Wandertrupp das Städtlein Mylau im Vogtland erreicht, erhöht sich plötzlich die Schrittfrequenz. Gerade spazierten die CDU-Ministerpräsidenten von Sachsen und Thüringen noch gemütlich durch sattes Waldgrün, Stanislaw Tillich leistete für Christine Lieberknecht höflich Pfützenhilfe, als es galt, ein Bächlein zu überwinden - ein schönes Bild, die Leipziger Volkszeitung wird es später drucken.

Nun aber geht es an Baracken vorbei, am King's Casino und am Casino Royal daneben - keine schönen Bilder, also, jetzt bloß nicht stehen bleiben, es geht zügig weiter. Erst eine Fußgängerampel an der nächsten Kreuzung vermag Tillich aufzuhalten. "Lassen wir uns von Rot etwa stoppen?", fragt einer aus dem Parteifußvolk. "Eigentlich nicht", sagt Stanislaw Tillich. Er wartet dann aber lieber doch auf Grün.

Stanislaw Tillich, 55, ist eher nicht der Typ, der über rote Ampeln geht. Die Bunte fragte ihn einst, ob er schon mal Energydrinks probiert habe: ein einziges Mal, gestand Tillich. Und wenn man nun vor der Landtagswahl auf den Straßen in Mylau und anderswo Tillichs nettes, harmloses und sehr gelungenes Kleinflächenplakat sieht, dann weiß man, was der Autor Tuvia Tenenbom meinte, als er nach einer Begegnung mit ihm schrieb, Tillich sei "the man with the foxy smile", ein Mann mit ausgefuchstem Lächeln.

Sachsen geht es gut, aber...

Es gibt einige Gründe für dieses Lächeln, darunter auch gute. 2008 wurde Stanislaw Tillich Ministerpräsident von Sachsen, ein gutes Jahr später musste er sich seiner ersten Wahl stellen. 40,2 Prozent. Das war kein schlechtes Ergebnis, aber das schlechteste der sächsischen CDU seit ihrer Gründung 1990. Fünf Jahre später steht sie in den Umfragen ähnlich da, ihr Vorsitzender ist der einzige Landespolitiker mit einem zufriedenstellenden Bekanntheitsgrad (90 Prozent). Stanislaw Tillich wird auch nach der Wahl am kommenden Sonntag Ministerpräsident bleiben, die Opposition müsste schon August den Starken neu zusammensetzen, wiederbeleben und als Spitzenkandidaten aufstellen, um eine realistische Chance auf dieses Amt zu bekommen.

Die Sachsen sind königstreue Wähler, sie sind dies vor allem in Zeiten, in denen ihr Land in allen möglichen Vergleichen nach oben klettert (Schuldenabbau) oder schon oben angekommen ist (Bildung). Selbst die Opposition hat aufgehört, die Gesamtlage Sachsens in dunklen Farben zu malen, die neue Strategie lautet: Sachsen geht es gut, aber. . . - bei diesem "Aber" wäre Stanislaw Tillich eigentlich zu packen. Sachsen geht es gut, aber bräuchten wir nicht mehr Polizisten, um der Grenzkriminalität zu begegnen? Sachsen geht es gut, aber müssten wir nicht viel mehr Lehrer einstellen, um auch in Zukunft gute Absolventen zu haben? Sachsen geht es gut, aber was ist denn mit dem schlechten Betreuungsschlüssel in den Kitas?

Eine Strategie Tillichs besteht darin, solche Diskussionen zu vermeiden, eine Fähigkeit wiederum darin, dabei unbeschadet zu bleiben. Seit Wochen wird er gefragt, ob er eine Koalition mit der Alternative für Deutschland ausschließen könne, die wohl in den Landtag einziehen wird. "Ich muss nicht etwas ausschließen, das sich mir als Möglichkeit noch gar nicht anbietet", sagt Tillich. Und als ihm vorgeworfen wurde, er würde sich vor der Wahl keinem Duell stellen, willigte er schließlich doch in eines ein. An diesem aber durfte dann nur der mäßig temperierte Spitzenkandidat der Linken teilnehmen, nicht jene der anderen Parteien im Landtag.

Nach den entbehrungsreichen Jahren des Aufbaus, geprägt von Massenarbeitslosigkeit und großer Unsicherheit, agiert Stanislaw Tillich nun als oberster Verwalter eines zarten Wohlstandes, der sich eben auch in Teilen des Ostens eingestellt hat. Es gebe, sagt Tillich, "aus meiner Sicht immer Wellenbewegungen, Politik ist mal mehr und mal weniger gefragt. Ich glaube aber auch, die Menschen sind froh, wenn sie sich selber kümmern können, wenn Politik nicht immer alles vorgibt, sondern sie die Freiheit genießen können, sich selbst zu entwickeln." Diese Haltung passt in den Moment, aber es werden auch wieder andere Tage kommen. "Was grundsätzlich für uns neu sein wird, ist die stärkere Abhängigkeit von steuerlichen und damit konjunkturellen Entwicklungen", sagt Tillich. Lange gab es eine feste Basis aus EU-Mitteln und Solidarpaktzuweisungen, diese Garantie läuft aus. Die nächste Welle, sie kommt bestimmt.

Biedenkopf holte Tillich aus Brüssel zurück

Stanislaw Tillich hat seine eigenen Erfahrungen mit Brüssel gemacht, neun Jahre lang arbeitete er nach 1990 im Europäischen Parlament. Dann holte ihn Kurt Biedenkopf nach Sachsen zurück, Tillich wurde Minister. Bei diesem und dem späteren Aufstieg strauchelte Tillich nur selten sichtbar, etwa im November 2008, als er unglücklich auf Vorwürfe reagierte, seine politische Rolle in der DDR und damit Teile seiner Biografie geschönt zu haben.

Nun ist er, nach nur sechs Jahren im Amt, schon der dienstälteste Ministerpräsident der CDU, was mehr gegen seine Partei als für ihn spricht. So einer wird natürlich gefragt, ob er auch Ambitionen habe, nördlich von Torgau mal Politik zu machen. Stanislaw Tillich legt sich auch in dieser Frage lieber nicht endgültig fest, es wird da auch nicht viel herauszubekommen sein, obwohl es seit einer Weile einen Maulwurf in der sächsischen CDU gibt. Es ist jedoch kein politischer, sondern ein echter Maulwurf, er hat eine neue Heimat im Garten der Tillichs in Panschwitz-Kuckau gefunden. Der Ministerpräsident ist dieses Problems noch nicht Herr geworden, vielleicht sucht er bald Rat auf seiner Lieblingswebseite: www.frag-mutti.de.

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SZ vom 25.08.2014/fran
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