Sachsen:Thema des Abends: Angst

Ex-Verfassungsschutz-Chef Maaßen in Radebeul

Hans-Georg Maaßen begeisterte in Radebeul auch AfD-Anhänger.

(Foto: Robert Michael/dpa)

Wie Ex-Verfassungsschützer Maaßen im Wahlkampf für die CDU wirbt.

Von Ulrike Nimz, Radebeul

Es gibt Komplimente, die kann auch Hans-Georg Maaßen nicht auf sich sitzen lassen. Gerade hat sich der AfD-Bundestagsabgeordnete Jens Maier von seinem Stuhl erhoben. "Ich empfinde große Sympathie für Sie", gesteht der ehemalige Dresdner Richter dem ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten. Maaßen lässt Maier abtropfen: Eine Koalition mit der AfD sei derzeit nicht denkbar, die Partei ein zu "gäriger Haufen". Er zitiert ausgerechnet AfD-Chef Alexander Gauland.

Maaßen ist auf Einladung der konservativen Werte-Union und des sächsischen Landtagspräsidenten Matthias Rößler (CDU) in den "Goldenen Anker" gekommen. Das Hotel liegt im Herzen Radebeuls. 300 Menschen sitzen unter Kronleuchtern, darunter viele AfDler. Man ist, nicht nur räumlich, dicht beieinander.

Er wolle "etwas Werbung" für Rößler und die CDU machen, sagt Maaßen. Aber einer wie Maaßen wirbt auch immer für sich selbst. In der Chemnitzer Freien Presse kokettierte er jüngst mit einem Wechsel in die sächsische Landespolitik. Seit der Hetzjagd-Debatte gilt Maaßen vielen enttäuschten CDU-Wählern als Held des Widerstandes. In Radebeul wird ihm ein Gast nahelegen, doch Kanzler zu werden.

Doch zunächst soll es um "Sicherheit und Freiheit in Deutschland" gehen. Maaßen zeichnet ein düsteres Bild der innenpolitischen Lage, spricht über Kriegsrückkehrer, "die besser mit der Kalaschnikow umgehen können als mancher Landespolizist." Über islamistische Gefährder, aber auch über "radikalisierte Familienväter", die Flüchtlingsheime anzünden. Es klingt, als wäre er noch im Amt.

Beim Publikum trifft Maaßen einen Nerv oder wichtigere Körperteile. Ein AfD-Kreistagsabgeordneter ergreift das Wort: "Ihre Äußerungen sind mir mitten ins Herz gegangen." Ein Bürger aus Radebeul verortet sich selbst in der "Mitte". Dass Massenvergewaltigungen und Hinrichtungen inzwischen zur Tagesordnung gehörten, Freibäder und Bahnsteige gemieden werden müssten, sei jedoch nur schwer zu ertragen. Nicht Sicherheit, sondern Angst ist das Thema des Abends. Einzelne halten dagegen: Müsste es nicht um drängendere Probleme gehen, wie den Fachkräftemangel, fragt ein Unternehmer. Auch Rößler verweist auf den Rückgang der Kriminalität in der Region, auf den boomenden Tourismus und gesunkene Arbeitslosenzahlen. Hier in Radebeul zeigt sich erneut, womit es Wahlkämpfer wie Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer zu tun haben, das Sachsen-Paradox: Die Lage ist besser denn je, die Stimmung so schlecht wie nie. Wie bekämpft man ein Gefühl?

Ministerpräsident Kretschmer versucht es derweil mit der Harry-Potter-Strategie

Der Ministerpräsident versucht es mit Optimismus und der Harry-Potter-Strategie: die Bedrohung nicht beim Namen nennen. Stattdessen für eigene Inhalte werben, für Beteiligung, "ein Sachsen voller stolzer und fröhlicher Menschen". Wer auf einem der unzähligen Wahlkampftermine einen Blick in das Gesicht Kretschmers wirft, ahnt: Es macht sich leichter Wahlkampf mit der Angst als gegen sie.

Und so geht es in Radebeul nicht nur um den gesellschaftlichen Zusammenhalt, sondern auch um den der Sachsen-CDU. Auf Maaßens Ankündigung, im Wahlkampf mitzumischen, reagierte die Spitze des CDU-Landesverbandes zurückhaltend. Es gibt Stimmen in der Partei, die befürchten, Maaßen operiere so nah an der AfD, dass Unentschlossene ihr Kreuz lieber gleich beim Original setzen.

Maaßen unterstützt neben Rößler noch zwei weitere Direktkandidaten der CDU. Alle drei haben ihren Wahlkreis im Landkreis Meißen, müssen befürchten, ihr Mandat an die AfD zu verlieren. Auf dem Weg zum "Goldenen Anker" hängen an jeder Straßenlaterne drei blaue Plakate.

Geert Mackenroth, Sachsens Ausländerbeauftragter, lädt Maaßen nach Riesa ein. Er sei sich der Kritik in den eigenen Reihen bewusst, sagt er. Auch er stimme mit manchen Einschätzungen Maaßens nicht überein. "Aber man sollte bei Diskussionen auch mal seine Wohlfühlzone verlassen", sagt Mackenroth, der auch schon Gregor Gysi zum Dialog bat. Der konservative Flügel der Union hat in Sachsen nach eigener Aussage mehr als 100 Mitglieder, darunter Lautsprecher wie den Politikwissenschaftler Werner Patzelt, der auch beim Wahlprogramm der sächsischen CDU federführend war. Die Werteunion wirbt für eine CDU-geführte Minderheitsregierung, lehnt eine Koalition mit der AfD zwar ab, aber reden müsse erlaubt sein.

"Dass wir um Zusammenhalt bemüht sind, sehen Sie an dieser Veranstaltung", versucht sich Matthias Rößler an einem Fazit, weist darauf hin, dass nur genug Menschen CDU wählen müssten, dann stelle sich die Frage nach einer Koalition nicht. "Wir hatten Perioden, da hat die CDU allein regiert", sagt er ans Publikum gewandt. "Das hat Ihnen doch gut gefallen." Ein Selbstbewusstsein, das sich aus 30 Jahren CDU-Regentschaft speist. Wie gefährdet diese nun ist, zeigt sich, als AfD-Mann Jens Maier eine Frage in den Raum ruft: "Glauben Sie wirklich, dass diese Union all die selbst verschuldeten Probleme lösen kann?" Er bekommt Applaus dafür, den lautesten des Abends.

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