Sachsen:Sitzstorm

NS-Symbolik? Eine Stickerei auf den Sitzen eines neuen Panzerfahrzeugs löst im Netz Empörung aus. Die sächsische Polizei gerät mal wieder in die Defensive - und wehrt sich.

Von Cornelius Pollmer, Dresden

Beschriftung im Panzerwagen ´Survivor R"

Auch die FAZ verwende im Titel Frakturschrift, sagt der Sprecher des LKA in Sachsen, die Stickereien im Panzerfahrzeug verstießen gegen kein Gesetz.

(Foto: Dirk Knofe/dpa)

Optische Details eines neuen Panzerfahrzeugs der sächsischen Landespolizei haben vor allem in den sozialen Netzwerken heftige Kritik hervorgerufen. Konkret geht es um Stickereien auf den Sitzen des ersten von zwei Survivor R, der den Behörden am Freitag vom Rüstungskonzern Rheinmetall übergeben worden war und der für den Einsatz zur Terrorabwehr gedacht ist. Auf die Sitze wurde in Frakturschrift "Spezialeinsatzkommando Sachsen" gestickt, dazu ein Wappen mit Lorbeerkranz.

Dass kein Verantwortlicher dabei ein Problem gesehen habe, sei erschreckend, finden Kritiker

Viele Hunderte Menschen kritisierten digitalöffentlich, beides erinnere an die Symbolik des Dritten Reiches. Dass diese stilistische Nähe "offenkundig durch niemanden bei Polizei und Innenministerium als Problem gesehen" worden sei, sei erschreckend, sagte Silvio Lang, stellvertretender Landesvorsitzender der sächsischen Linkspartei. Die Stickerei zeuge von "mangelndem Problembewusstsein und unzureichender Kontrolle der Aufsichtsstrukturen", sagte Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Landtags-Grünen. Die Behörden müssten sich schon fragen, "ob es im Jahr 2017 angemessen ist, ein solches Emblem auf eine Kopflehne zu sticken in einem Fahrzeug der Polizei, die Teil eines demokratischen Rechtsstaates ist". Der Grünen-Politiker und langjährige Bundestagsabgeordnete Volker Beck forderte das sächsische Innenministerium wegen des Schriftzugs bei Twitter dazu auf, die Bestelldokumente für das Fahrzeug öffentlich zu machen.

Das sächsische Innenministerium hatte am Wochenende, als die Aufregung aufwuchs, noch insinuiert, zumindest die Schriftart sei vom Hersteller Rheinmetall so bestimmt worden. Am Montag dann erklärte Tom Bernhardt, Sprecher des Landeskriminalamtes, der Wagen sei auch in seinen Details vollständig nach den Wünschen des Freistaates Sachsen gestaltet worden. Das gezeigte Logo werde seit 1991 intern für das SEK verwendet und sei in Anlehnung an jenes des SEK in Baden-Württemberg entstanden. Die Krone darauf stehe für den Funkspruch der entsprechenden Einheit, der Löwe ist Wappentier der Stadt Leipzig, in der das sächsische SEK gegründet worden ist. Bezüglich der Kritik an der verwendeten Frakturschrift sagte Bernhardt, die sei "immer eine Frage des Betrachtungswinkels. Die FAZ verwendet Fraktur im Titel, ist sie deshalb eine rechtsextreme Zeitung?" Es mache ihn traurig, sagte Bernhardt, wenn der sächsischen Polizei wegen der Anmutung der Stickereien eine rechte Attitüde unterstellt werde. Es sei gegen kein Gesetz verstoßen worden, und die Polizei werde "jetzt nicht in einer Panikreaktion hingehen und die Sitze rausreißen". Bernhardt sagte aber auch, die Reaktionen seien so heftig, "es wäre arrogant, jetzt zu sagen, das interessiert uns nicht". Er könne die Kritik "durchaus ein Stück nachvollziehen", das LKA werde die weitere Verwendung des Logos in jedem Fall diskutieren. Dieses Logo wie auch die Verwendung im Innenraum des Survivors habe das LKA bislang stets als intern begriffen und deswegen als nicht relevant für die Öffentlichkeit. "Dass das offenbar nicht so ist, haben wir jetzt mit dem großen Löffel bekommen", sagte Bernhardt.

Der Grüne Valentin Lippmann wies darauf hin, dass angesichts der Diskussion um Logo und Schrift nicht Fragen zum Einsatz der Panzerwagen außer Acht gelassen werden dürften. Offiziell sollen die Sonderfahrzeuge Survivor R bei möglichen Antiterroreinsätzen durch Spezialkräfte des Landeskriminalamtes eingesetzt werden. Lippmann sagte, wenn er dieses Fahrzeug nur ein einziges Mal in der Nähe einer Versammlung sehen werde, dann sei klar, "dass es nicht nur um Terrorabwehr geht, sondern um eine allgemeine Aufrüstung und Militarisierung der Polizei". Er erwarte sich auch an dieser Stelle Aufklärung, sagte Lippmann, "da kann sich ja gleich mal der neue Innenminister drum kümmern". Ebenfalls am Montag wurde im Rahmen einer größeren Umbildung des Kabinetts Sachsens Innenminister Markus Ulbig abgelöst - er hatte in der Vergangenheit immer wieder in der Kritik gestanden, zum Teil auch wegen angeblicher rechter Umtriebe in Sachsens Polizei.

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